Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Raugraf
Raugraf. Die Geschichte der frühern Perioden des Deutschen Mittelalters führt gewisse Grafen unter diesem Namen auf. Hierher gehören z. B. die Raugrafen von Dassel, einer ehemahligen Niedersächsischen Grafschaft im Sollinger Walde, zwischen Eimbeck und Hörter, welche jetzt zu Hildesheim gehört, vorzüglich aber die Raugrafen am Rhein, die in den Gegenden von Trier und der Pfalz, zwischen dem Rhein, der Maas, der Mosel und Saar, besonders bei Creuznach und Alzey, wohnten. Die Würde der Raugrafen ist erloschen, und es läßt sich gegenwärtig weder ihre Bestimmung noch auch der Ursprung ihres Namens mit Gewißheit angeben. Einige machen die Raugrafen zu Aufsehern und Wächtern über die allgemeine Ruhe und Sicherheit, und nennen sie Rugrafen. Andere verstehen unter ihnen gewisse Gehülfen der kaiserlichen Richter (oder Beigeordnete der Pfalzgrafen), und behaupten, daß ihr Geschäft in Eintreiben der verwirkten Geldbußen für den kaiserlichen Fiscus bestanden habe; ihren Namen leitet man dann von rügen, d. h. peinlich anklagen, her, so daß sie eigentlich Rügengrafen heißen sollten. Am wahrscheinlichsten ist die Meinung derjenigen, nach welchen sich der Titel Raugraf auf die Belehnung mit einer rauhen, oder bergigwaldigten, oder unbebauten Gegend gründet; denn rauh und unbebaut waren wirklich die————
Gegenden, in welchen ehemahls die Raugrafen lebten; und noch jetzt findet man am Rheine Wild- und Rheingrafen, die ebenfalls von der Wildheit, oder den Wäldern des Landes den Namen erhalten haben; da zu Folge dieser Erklärung der Titel Raugraf keine besondere gräfliche Würde oder Beschäftigung bezeichnete, sondern eine bloße zufällige Benennung war; so läßt es sich sehr gut denken, daß späterhin jener Beiname ganz wegfiel, und dem allgemeinen Titel Grafen Platz machte (siehe unter andern Ludewigs Erläuterung der goldenen Bulle Titel 1). Die Länder der Rheinischen Raugrafen kamen in der Folge nach deren Aussterben gänzlich an die Pfalz; und der Pfälzische Churfürst, Carl Ludwig, erneuerte daher diesen Titel, jedoch ohne Land damit zu verbinden, im Jahre 1667. Er hatte sich 1658 die liebenswürdige Baronesse Louise von Degenfeld († 1677) an die linke Hand trauen lassen, und gab ihr und ihren Nachkommen den raugräflichen Titel. Wir können hier eine erst kürzlich erschienene musterhafte Biographie dieser Gräfin und ihrer Nachkommen nicht unbemerkt lassen: Louise, Raugräfin zu Pfalz, eine wahre Geschichte, vom Verfasser des Lebens Friedrichs von Schomberg, 3 Theile, Leipzig, 1798 u. 99. 8. – Herrn Cramers Adolf der Kühne, Raugraf von Dassel, 3 Theile, Weißenfels und Prag, 1792 8. ist nichts als ein dramatisirter Roman, voll abenteuerlicher Ritter-
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scenen.
Raugraf. Die Geschichte der frühern Perioden des Deutschen Mittelalters führt gewisse Grafen unter diesem Namen auf. Hierher gehören z. B. die Raugrafen von Dassel, einer ehemahligen Niedersächsischen Grafschaft im Sollinger Walde, zwischen Eimbeck und Hörter, welche jetzt zu Hildesheim gehört, vorzüglich aber die Raugrafen am Rhein, die in den Gegenden von Trier und der Pfalz, zwischen dem Rhein, der Maas, der Mosel und Saar, besonders bei Creuznach und Alzey, wohnten. Die Würde der Raugrafen ist erloschen, und es läßt sich gegenwärtig weder ihre Bestimmung noch auch der Ursprung ihres Namens mit Gewißheit angeben. Einige machen die Raugrafen zu Aufsehern und Wächtern über die allgemeine Ruhe und Sicherheit, und nennen sie Rugrafen. Andere verstehen unter ihnen gewisse Gehülfen der kaiserlichen Richter (oder Beigeordnete der Pfalzgrafen), und behaupten, daß ihr Geschäft in Eintreiben der verwirkten Geldbußen für den kaiserlichen Fiscus bestanden habe; ihren Namen leitet man dann von rügen, d. h. peinlich anklagen, her, so daß sie eigentlich Rügengrafen heißen sollten. Am wahrscheinlichsten ist die Meinung derjenigen, nach welchen sich der Titel Raugraf auf die Belehnung mit einer rauhen, oder bergigwaldigten, oder unbebauten Gegend gründet; denn rauh und unbebaut waren wirklich die————
Gegenden, in welchen ehemahls die Raugrafen lebten; und noch jetzt findet man am Rheine Wild- und Rheingrafen, die ebenfalls von der Wildheit, oder den Wäldern des Landes den Namen erhalten haben; da zu Folge dieser Erklärung der Titel Raugraf keine besondere gräfliche Würde oder Beschäftigung bezeichnete, sondern eine bloße zufällige Benennung war; so läßt es sich sehr gut denken, daß späterhin jener Beiname ganz wegfiel, und dem allgemeinen Titel Grafen Platz machte (siehe unter andern Ludewigs Erläuterung der goldenen Bulle Titel 1). Die Länder der Rheinischen Raugrafen kamen in der Folge nach deren Aussterben gänzlich an die Pfalz; und der Pfälzische Churfürst, Carl Ludwig, erneuerte daher diesen Titel, jedoch ohne Land damit zu verbinden, im Jahre 1667. Er hatte sich 1658 die liebenswürdige Baronesse Louise von Degenfeld († 1677) an die linke Hand trauen lassen, und gab ihr und ihren Nachkommen den raugräflichen Titel. Wir können hier eine erst kürzlich erschienene musterhafte Biographie dieser Gräfin und ihrer Nachkommen nicht unbemerkt lassen: Louise, Raugräfin zu Pfalz, eine wahre Geschichte, vom Verfasser des Lebens Friedrichs von Schomberg, 3 Theile, Leipzig, 1798 u. 99. 8. – Herrn Cramers Adolf der Kühne, Raugraf von Dassel, 3 Theile, Weißenfels und Prag, 1792 8. ist nichts als ein dramatisirter Roman, voll abenteuerlicher Ritter-
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scenen.