Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Rameau, Jean Philippe
Jean Philippe Rameau. Dieser berühmte Streiter für die Harmonie in der Musik wurde zu Dijon 1683 geboren. Er bildete sich anfänglich für das Clavier und die Orgel; und die Geschicklichkeit, die er auf dieser bewies, erwarb ihm auch die Organistenstelle am Dom zu Clermont in Auvergne. Allein bald reuere es ihn, diese Stelle angenommen zu haben; und bald suchte er auch um seine Entlassung an, die er dem Domcapitel dadadurch abnöthigte, daß er bei seinem Spiele alle Register durch einander zog, und in lauter Dissonanzen verfiel. Nur in seinem letzten Spiele zeigte er noch einmahl alles Schöne und Vortreffliche seiner Kunst; und dieses mußte seinen Abgang noch empfindlicher machen. Er ging nun nach Italien, kehrte aber endlich wieder zurück, und kam 1733 nach Paris. Nun wollte er als Theatercomponist auftreten; denn bis jetzt hatte er nichts als Clavierstücke gesetzt. Er bat den Abbeʼ Pellegrin um einen Text, den er zwar auch – es war die Oper Hippolite und Aricie – jedoch nur gegen eine Verschreibung von 1200 Livres, erhielt. Aber kaum hatte Pellegrin, der nichts Vorzügliches von Rameau erwartete, in der Probe den ersten Akt gehört, als er dem Componisten um den Hals fiel, und den von ihm ausgestellten Wechsel mit den Worten zerriß: »hier hat man eine solche Versicherung nicht nöthig!« – Rameauʼs Beifall war nun————
gesichert: alles, was er jetzt componirte, wurde mit Lobsprüchen aufgenommen; und selbst die Oper Zoroaster zu Dresden ins Italiänische – eine Ehre, die bis jetzt noch keinem Französischen Tonkünstler widerfahren war – übersetzt und aufgeführt. Im Jahr 1764 ertheilte ihm der König den Adelsbrief; und er würde auch Ritter des Michaels-Ordens geworden sein, wenn ihn nicht der Tod übereilt, oder, wie Andere behaupten, der Geitz abgehalten hätte, die Kosten an das Einschreiben zu wenden. – So wichtig übrigens auch Rameau als Tonsetzer war, so war er doch noch weit wichtiger als Schriftsteller über seine Kunst. Er selbst hielt seine theoretischen Arbeiten höher, als seine Compositionen; er selbst versicherte, die Zeit zu bereuen, die ihn diese dem Untersuchen und Forschen geraubt hätten. Das System, das er aufstellte, und in dem er die Theorie seiner Kunst auf allgemeinere Principe zurückführte, machte sehr viel Aufsehen. Daß er die Harmonie als einziges Fundament der Musit betrachtete, ist schon in dem Artikel Harmonie angeführt worden. Für die Behauptung, daß uns diese angeboren sei, stellt er als Beweis in seinen Reflexions für la maniere de former la voix et dʼapprendre la Musique folgende Anekdote auf: Ein gemeiner Mann, der schon über siebenzig Jahre alt war, nichts von der Tonkunst verstand, auch nie eine Oper gese-
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hen und gehört hatte, befand sich eines Tages im Parterre zu Lyon, und fing während der Vorstellung eines Singstücks den Grundbaß zu einem Gesange, dessen Inhalt ihn vorzüglich interessirte, ganz vernehmlich zu singen an. – Das System dieses Tonkünstlers blieb indessen nicht ohne Widerspruch; und oft erhob die Kritik, die auch zuweilen seine Compositionen minder günstig beurtheilte, ihre Stimme gegen seine Theorien. – Er starb zu Paris den 12. September 1764. Kurz vor seinem Tode erschienen mehrere Geistliche, um ihn zu seinem Hintritte vorzubereiten; eine Absicht, die zuletzt auch den Pfarrer von St. Eustache zu dem Kranken fuhrte. Lang hörte Rameau diesen an; endlich rief er ihm aber voller Ungeduld zu: »was Teufel wollen Sie mir da vorsingen, Herr Pfarrer? Sie haben ja eine falsche Stimme!« – Er wurde zu St. Eustache, wo auch Lullyʼs Gebeine ruhen, sehr feierlich begraben; und das ganze königliche Orchester führte in Verbindung mit der königlichen Akademie der Musik eine Todtenmesse auf, für welche man die schönsten Stücke aus dem Castor und dem Dardanus, Singspielen des Verewigten, gewählt und eingerichtet hatte.
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Ansicht: Rameau, Jean Philippe