Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Rakotzi, Franz
Franz Rakotzi, oder Ragoczy der zweite, erwählter Fürst von Siebenbürgen, war einer der merkwürdigsten Freiheitsmärtyrer des gegenwärtigen Jahrhunderts. Seine Vorfahren hatten ansehnliche Güter in Ungarn und Siebenbürgen, waren zuweilen Fürsten des letztern, und immer erklärte Feinde des Oestreichischen Hauses, das in religiöser und politischer Hinsicht die Freiheiten der Ungarn und Siebenbürgen mit der größten Willkühr eingeschränkt hatte. Der Urgroßvater unsers Rakotzi, Georg Rakotzi der erste, Fürst von Siebenbürgen, war ein eifriger Protestant, und hatte sich schon im dreißigjährigen Kriege als Schwedischer Alliirter wider seinen Oberherrn, den Kaiser Ferdinand den dritten, aufgelehnt, auch 1645 einen Frieden erkämpft, der seinen Glaubensgenossen über neunzig entrissene Kirchen und eine Menge verlorner Freiheiten wieder gab. Auch Georg Rakotzi der zweite, der Sohn des vorher genannten, machte sich durch Unternehmungen gegen das Oestreichische Haus merkwürdig, das aber in Franz Rakotzi dem zweiten, von dem dieser Artikel sprechen wird, einen noch weit wichtigern Gegner fand. – Dieser Rakotzi wurde 1676 zu Borshi (einem unweit der Festung Patak in Ungarn gelegenen Landsitze) geboren. Er hatte kaum den fünften Monath seines Lebens erreicht, als ihm sein Vater, Friedrich Rakotzi, durch————
den Tod entrissen wurde. Seine Mutter, eine Tochter des unglücklichen Grafen Serini, vermählte sich nach einiger Zeit mit dem unruhigen, vom Schicksale bald begünstigten, bald verfolgten Emerich von Tököly; und diese Verbindung war fur den jungen Rakotzi nicht ohne Folgen. Unvermerkt gingen auf diesen die Gesinnungen des Stiefvaters über, der den Kaiser Leopold den ersten bald um die Ungarische Krone gebracht hätte. Nach den Niederlagen der Turken bei Wien und Parkani war Tököly genörhiget, sich in die Festung Munkatsch und dann nach Großwardein, das damahls der Pforte gehorte, zu fluchten. Munkatsch wurde nicht lange darauf den Kaiserlichen übergeben; und nun kam Tökölyʼs Gemahlin mit ihrer Tochter und ihrem Sohne, Franz Rakotzi, in Leopolds Hände. Der Cardinal Kollonitsch, der von dem Kaiser die Vormundschast über die Kinder der Fürstin erhielt, ließ den jungen Rakotzi zu Prag bei den Jesuiten erziehen, bei welchen er bis zur Vermählung seiner Schwester mit dem General Commandanten von Oberungarn, dem Grafen von Aspermont, blieb. Er ging auf Befehl des Kaisers nach Italien, kam aber nach einem Jahre wieder zurück, und verband sich bald nach dieser Zurückkunft mit einer Prinzessin von Hessen Rheinfels. Diese Verbindung erfolgte 1694; und im folgenden Jahre begab sich Rakotzi mit seiner Gemahlin nach Ungarn, wo er auf seinen Gütern bis
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1697 ruhig und zufrieden lebte. Hier ließ ihn Leopold, dem er schon längst verdächtig geworden war, wegen gewisser Unterhandlungen, in die er mit Ludwig dem vierzehnten wegen der mißvergnügten Ungarn getreten sein sollte, gefangen nehmen. Er wurde unter einer sehr starken Bedeckung von seinem Schlosse zu Sarosch nach Epperies, und von da nach Wienerisch Neustadt geführt wo er sich, als Dragoner verkleidet, den 7. Nov. 1701 durch die Flucht rettete. Auf diese Entweichung folgte eiue Achtserklärung, die noch in demselben Monathe zu Wien durch Anschläge mit dem Versprechen einer ansehnlichen Belohnung für denjenigen, der den Geächteten oder dessen Kopf den Händen der kaiserlichen Diener überlieferte, bekannt gemacht wurde. Dieser Schritt des Wiener Hofes brachte den schon beleidigten Rakotzi noch mehr auf: er beschloß nun die blutigste Rache, beschloß, die Ungarn von dem Oestreichischen Joche zu befreien; und schon in dem folgenden Jahre 1702 verließ er Pohlen, wohin er sich geflüchtet hatte, und ging, um seinen Plan gegen Leopold auszuführen, in sein Vaterland zurück. Ganz entsprach hier die Stimmung der Gemüther seinen Entwürfen, deren Erfolge er auch dadurch sich zu sichern suchte, daß er die katholische Religion ablegte, und zur reformirren übertrat. Die Mißvergnügten, von denen er bald auf 100,000 unter seine Fahnen brachte, wählten ihn ein-
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stimmig zu ihrem Oberhaupte, und bald riefen sie ihn auch zum souverainen Fürsten von Siebenbürgen aus. Rakotziʼs Unternehmungen mußten anfänglich einen glücklichen Fortgang haben, da der Spanische Erbfolgekrieg den Kaiser nöthigte, den größten Theil seiner Macht den Heeren Ludwigs des vierzehnten entgegen zu stellen. Er eroberte den größten Theil von Ungarn und Mähren, nahm eine Menge fester Plätze ein, näherte sich selbst den Mauern Wiens, und schadete theils durch Streifzüge, theils durch Verwüstungen den Truppen seines Souverains. Alle Schritte, die Leopold zur Wiederherstellung des Friedens that, waren umsonst; Rakotzi blieb unerschütterlich in seinen nun gefaßten Entschlüssen, und forderte, ohne etwas nachlassen zu wollen, die Verwandlung Ungarns in ein Wahlreich und die Herstellung aller tolerirten Religionen, forderte Anerkennung seiner Fürstenwürde und Zurückgabe der den Vätern Ungarischer Leibeserben confiscirten Güter. Der Sieg, den der Herzog von Marlborough und der Prinz von Eugen bei Höchstädt über die Französisch-Bayerische Armee erhielten, setzten endlich den Kaiser in den Stand, ernstlicher den Krieg mit Rakotzi zu betreiben, der, ungeachtet seiner ansehnlichen Macht, doch immer seinen Zweck nicht ganz erreichen und insbesondere Siebenbürgen nicht erobern konnte. Aber während der neuen Zurüstungen starb Leopold,
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und sein Sohn, Joseph der erste, bestieg den Thron. Der neue Kaiser wendete sich sogleich an die Mißvergnügten, und suchte sie zum Frieden zu bewegen; allein auch seine Bemühungen blieben, wie die Vermittelung Englands und Hollands, ohne Erfolg. Die Zurüstungen wurden daher fortgesetzt; die Truppen, welche gegen die Mißvergnügten kämpften, erhielten Verstärkungen: und nun fing das Glück des Rakotzi, der vergeblich die Pforte in sein Interesse zu ziehen suchte, zu wanken an. Sein Heer wurde theils durch die Pest, theils durch die siegreichen Angriffe seiner Feinde aufgerieben: er verlor Neuhänsel, seinen Hauptplatz; und die übrigen wichtigen Plätze gingen 1710 über. Jetzt verstand er sich erst auf Veranlassung des kaiserlichen Generals Palfy zu gütlichen Unterhandlungen. Er schrieb an Joseph, begab sich aber doch nicht lange darauf nach Pohlen, um Peter den Großen, der damahls in Jaworow sich befand, auf seine Seite zu bringen. Rakotzi wurde in Jaworow sehr kalt empfangen; und ob er gleich alles anwendete, um den Zaar zu gewinnen, so blieb doch dieser gegen alle seine Vorstellungen taub. Während seiner Abwesenheit setzte man in Ungarn die schon angefangenen Friedensunterhandlungen fort, die endlich auch den 29. April 1711 zu Szathmar geendigt, und den 1. Mai desselben Jahres zu Karol von den versammelten Ständen unterschrieben und beeidiget wurden. Dieser
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Friede sicherte den Verschwornen eine gänzliche Amnestie und Wiedererstattung der consiscirten Guter, sicherte den tolerirten Religionsparteien freie Religionsübung, sicherte der ganzen Ungarischen Nation die Herstellung ihrer verlornen Freiheiten und Rechte zu. Rakotzi sah, ungeachtet der versprochenen Amnestie sein Vaterland nicht wieder; er verließ Pohlen, ging nach Frankreich und zuletzt in die Türkei, wo er bei Rodosto in Rumelien auf einem ihm zugehörenden Landgute in der Einsamkeit lebte, und den 8. April 1735 an Kolik und Podagra starb.
den Tod entrissen wurde. Seine Mutter, eine Tochter des unglücklichen Grafen Serini, vermählte sich nach einiger Zeit mit dem unruhigen, vom Schicksale bald begünstigten, bald verfolgten Emerich von Tököly; und diese Verbindung war fur den jungen Rakotzi nicht ohne Folgen. Unvermerkt gingen auf diesen die Gesinnungen des Stiefvaters über, der den Kaiser Leopold den ersten bald um die Ungarische Krone gebracht hätte. Nach den Niederlagen der Turken bei Wien und Parkani war Tököly genörhiget, sich in die Festung Munkatsch und dann nach Großwardein, das damahls der Pforte gehorte, zu fluchten. Munkatsch wurde nicht lange darauf den Kaiserlichen übergeben; und nun kam Tökölyʼs Gemahlin mit ihrer Tochter und ihrem Sohne, Franz Rakotzi, in Leopolds Hände. Der Cardinal Kollonitsch, der von dem Kaiser die Vormundschast über die Kinder der Fürstin erhielt, ließ den jungen Rakotzi zu Prag bei den Jesuiten erziehen, bei welchen er bis zur Vermählung seiner Schwester mit dem General Commandanten von Oberungarn, dem Grafen von Aspermont, blieb. Er ging auf Befehl des Kaisers nach Italien, kam aber nach einem Jahre wieder zurück, und verband sich bald nach dieser Zurückkunft mit einer Prinzessin von Hessen Rheinfels. Diese Verbindung erfolgte 1694; und im folgenden Jahre begab sich Rakotzi mit seiner Gemahlin nach Ungarn, wo er auf seinen Gütern bis
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1697 ruhig und zufrieden lebte. Hier ließ ihn Leopold, dem er schon längst verdächtig geworden war, wegen gewisser Unterhandlungen, in die er mit Ludwig dem vierzehnten wegen der mißvergnügten Ungarn getreten sein sollte, gefangen nehmen. Er wurde unter einer sehr starken Bedeckung von seinem Schlosse zu Sarosch nach Epperies, und von da nach Wienerisch Neustadt geführt wo er sich, als Dragoner verkleidet, den 7. Nov. 1701 durch die Flucht rettete. Auf diese Entweichung folgte eiue Achtserklärung, die noch in demselben Monathe zu Wien durch Anschläge mit dem Versprechen einer ansehnlichen Belohnung für denjenigen, der den Geächteten oder dessen Kopf den Händen der kaiserlichen Diener überlieferte, bekannt gemacht wurde. Dieser Schritt des Wiener Hofes brachte den schon beleidigten Rakotzi noch mehr auf: er beschloß nun die blutigste Rache, beschloß, die Ungarn von dem Oestreichischen Joche zu befreien; und schon in dem folgenden Jahre 1702 verließ er Pohlen, wohin er sich geflüchtet hatte, und ging, um seinen Plan gegen Leopold auszuführen, in sein Vaterland zurück. Ganz entsprach hier die Stimmung der Gemüther seinen Entwürfen, deren Erfolge er auch dadurch sich zu sichern suchte, daß er die katholische Religion ablegte, und zur reformirren übertrat. Die Mißvergnügten, von denen er bald auf 100,000 unter seine Fahnen brachte, wählten ihn ein-
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stimmig zu ihrem Oberhaupte, und bald riefen sie ihn auch zum souverainen Fürsten von Siebenbürgen aus. Rakotziʼs Unternehmungen mußten anfänglich einen glücklichen Fortgang haben, da der Spanische Erbfolgekrieg den Kaiser nöthigte, den größten Theil seiner Macht den Heeren Ludwigs des vierzehnten entgegen zu stellen. Er eroberte den größten Theil von Ungarn und Mähren, nahm eine Menge fester Plätze ein, näherte sich selbst den Mauern Wiens, und schadete theils durch Streifzüge, theils durch Verwüstungen den Truppen seines Souverains. Alle Schritte, die Leopold zur Wiederherstellung des Friedens that, waren umsonst; Rakotzi blieb unerschütterlich in seinen nun gefaßten Entschlüssen, und forderte, ohne etwas nachlassen zu wollen, die Verwandlung Ungarns in ein Wahlreich und die Herstellung aller tolerirten Religionen, forderte Anerkennung seiner Fürstenwürde und Zurückgabe der den Vätern Ungarischer Leibeserben confiscirten Güter. Der Sieg, den der Herzog von Marlborough und der Prinz von Eugen bei Höchstädt über die Französisch-Bayerische Armee erhielten, setzten endlich den Kaiser in den Stand, ernstlicher den Krieg mit Rakotzi zu betreiben, der, ungeachtet seiner ansehnlichen Macht, doch immer seinen Zweck nicht ganz erreichen und insbesondere Siebenbürgen nicht erobern konnte. Aber während der neuen Zurüstungen starb Leopold,
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und sein Sohn, Joseph der erste, bestieg den Thron. Der neue Kaiser wendete sich sogleich an die Mißvergnügten, und suchte sie zum Frieden zu bewegen; allein auch seine Bemühungen blieben, wie die Vermittelung Englands und Hollands, ohne Erfolg. Die Zurüstungen wurden daher fortgesetzt; die Truppen, welche gegen die Mißvergnügten kämpften, erhielten Verstärkungen: und nun fing das Glück des Rakotzi, der vergeblich die Pforte in sein Interesse zu ziehen suchte, zu wanken an. Sein Heer wurde theils durch die Pest, theils durch die siegreichen Angriffe seiner Feinde aufgerieben: er verlor Neuhänsel, seinen Hauptplatz; und die übrigen wichtigen Plätze gingen 1710 über. Jetzt verstand er sich erst auf Veranlassung des kaiserlichen Generals Palfy zu gütlichen Unterhandlungen. Er schrieb an Joseph, begab sich aber doch nicht lange darauf nach Pohlen, um Peter den Großen, der damahls in Jaworow sich befand, auf seine Seite zu bringen. Rakotzi wurde in Jaworow sehr kalt empfangen; und ob er gleich alles anwendete, um den Zaar zu gewinnen, so blieb doch dieser gegen alle seine Vorstellungen taub. Während seiner Abwesenheit setzte man in Ungarn die schon angefangenen Friedensunterhandlungen fort, die endlich auch den 29. April 1711 zu Szathmar geendigt, und den 1. Mai desselben Jahres zu Karol von den versammelten Ständen unterschrieben und beeidiget wurden. Dieser
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Friede sicherte den Verschwornen eine gänzliche Amnestie und Wiedererstattung der consiscirten Guter, sicherte den tolerirten Religionsparteien freie Religionsübung, sicherte der ganzen Ungarischen Nation die Herstellung ihrer verlornen Freiheiten und Rechte zu. Rakotzi sah, ungeachtet der versprochenen Amnestie sein Vaterland nicht wieder; er verließ Pohlen, ging nach Frankreich und zuletzt in die Türkei, wo er bei Rodosto in Rumelien auf einem ihm zugehörenden Landgute in der Einsamkeit lebte, und den 8. April 1735 an Kolik und Podagra starb.