Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Racen der Thiere
Racen der Thiere. Daß auch in dem Physischen der Thiere gewisse Eigenthümlichkeiten als Racenunterschiede sich charakterisiren, das haben schon zahllose Beobachtungen dem Naturforscher gelehrt; und doch ist die genaue Bestimmung der unter den Thiergeschöpfen existirenden Racen noch immer eine der schwersten Aufgaben der Zoologie. Diese Behauptung wird denjenigen nicht befremden, der es weiß, wie wenig noch die Naturgeschichte den Forderungen entspricht, zu welchen ihr Name berechtiget. Sie lernt die Erdwesen nach ihren Aehnlichkeiten kennen; aber sie giebt wenig Aufschluß über den Abstamm derselben, wenig Belehrung über die Veränderungen, die die Außenwelt in ihrem Physischen veranlaßte. Je mehr aber die Naturgeschichte nur in Beschreibungen der natürlichen Körper besteht, und je mehr sie dabei Arten und Classen annimmt, welche bloß auf Aehnlichkeiten in den Formen beruhen; desto weniger läßt sich eine bestimmte Angabe der unter den niedrigern Thieren vorhandenen Racen erwarten. Diese wird der Naturforscher nur dann mit Gewißheit angeben können, wenn ihm die durch Gesetze begründeten Thierstämme, so wie die allmählichen Abartungen ihrer Urgestalten nicht mehr fremd sein werden.  Die Regel, daß nur Thiere eines Stammes mit einander zeugen, und, wie Büffon will, fruchtbare Junge
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zeugen, leitet den Forscher auf eine Spur, die er weiter verfolgen muß. Und schon haben thierische Begattungen da in der animalischen Welt Racen ihm gezeigt, wo das System der Schule Arten annimmt. Als Arten betrachtet diese den Wolf, den Schakal, den Fuchs, den Hund; aber die beobachteten gegenseitigen Vermischungen dieser Geschöpfe sprechen ganz gegen jene Eintheilung. In London belegte ein Wolf ein Hündin, welche sieben Junge warf, die der große Pennant selbst beobachtete; auch Büfson lernte durch Bourgelat und Spontin Beispiele von fruchtbaren Vermischungen des Wolfes und des Hundes kennen. Und will man auch die von Einigen behaupteten Geschlechtsverbindungen des Hundes und des Wolfes mit dem Schakal, der im Orient einheimisch und, nach Pallas, dem Hunde so ähnlich ist, in Zweifel ziehen, so kann man doch nicht die des letztern mit dem Fuchse läugnen. Zimmermann und Blumenbach führen Bastarde an, die diesen Thieren ihren Ursprung verdankten, und durch gewisse physische Merkmahle deutlich ihre Abkunft verriethen. Auch das Roß und der Esel, die wie jene Wesen als besondere Arten angegeben werden, stellen Beispiele von Geschöpfen dar, welche einander nicht bloß ähnlich, sondern auch verwandt sind, und ihre Verwandtschaft auch durch zahllose Vermischungen schon bewiesen haben. Die bald behauptete, bald geläugnete Unfruchtbarkeit des
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Maulesels darf man nicht als einen Beweis gegen denjenigen anführen, der die zuletzt genannten Thiere, des Ubereinstimmenden ihrer Zeugungskraft wegen, als Racen betrachtet; denn jene Unfruchtbarkeit hat sich zwar in sehr vielen Fällen, nicht aber in allen bestätigt. Schon diese Beispiele lehren, daß das System der Schule nicht das der Natur sei, und daß man oft, und ohne auch nur im geringsten paradox sein zu wollen, diejenigen Thiergeschöpfe als Racen ansehen müsse, welche gewöhnlich als Arten aufgeführt und als solche unter gewisse Gattungen (in der Sprache der Schule sind Art und Gattung keine Synonyme) gebracht werden.
  Wenn bloß das, was unausbleiblich anartet, Race genannt werden darf, so kann bei den Thieren nur das Eigenthümliche der Gestalt als Racenunterschied gelten; denn hier geht nicht immer das Charakteristische der Farbe in die Zeugung über. Das braune Mutterpferd, das ein Hengst von derselben Farbe belegt, wird nicht immer ein braunes Füllen werfen; nicht immer wird das Bastardgeschöpf die Farbe der Wesen besitzen, durch deren Vermischung es entstand: das Hellere oder Dunklere des Thierfelles, der Zeichnung im Gefieder des Vogels pflanzt sich daher nur als Spielart fort; aber unausbleiblich arten hier die Eigenthümlichkeiten der Formen an. Nie wird dem Jungen, das durch Individuen derselben Race entsteht,
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das Charakteristische mangeln, das die Gestalt seiner Aeltern bezeichnet; und immer wird hier der Bastard das Besondere der Formen jener Racen besitzen, durch deren Vermischung er entsprang. Man kann demnach in der Welt der niedrigern Thiere nur das Verschiedene der Bildung als den Charakter betrachten, durch den sich die Gattung in Racen theilt; denn nur jenes Besondere, Eigenthümliche der Bildung geht ohne Ausnahme auf die entstehenden Wesen über. Wir müssen also die Racenunterschiede des Rosses und des Esels in den Formen dieser Geschöpfe suchen; denn nur ihre Formen finden wir immer in dem Maulthiere, dem Producte ihrer Vermischung, vereint.
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Ansicht: Racen der Thiere