Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Rabelais, François
François Rabelais, Verfasser des Gargantua und Pantagruel, wurde zu Chinon in Frankreich 1483 geboren, wenn wir nehmlich mit gewissen Schriftstellern annehmen, daß er 1553 in seinem siebenzigsten Jahre starb. Der Vater dieses berühmt gewordenen Satyrikers war, wie einige wollen, ein Gastwirth; Andere behaupten, daß er ein Apotheker und Besitzer eines Meierhofes gewesen sei. Man weiß also noch nicht mit Bestimmtheit das Geschäft anzugeben, das der Vater des Rabelais betrieb; gewiß ist es aber, daß dieser, nach empfangenem Unterrichte in den gewöhnlichen Schulwissenschaften, zu Fontenay-le- Comte (gegenwärtig Fontenay-le-Peuple) in den Orden des heil. Franciscus trat. Die Liebe, die der junge Mönch für alles Wissenswürdige fühlte, gestattete ihm nicht, mit demjenigen sich zu begnügen, was er in wissenschaftlicher Hinsicht bei seinen geistlichen Brüdern fand, und was höchst wahrscheinlich nur auf einige Sätze der Scholastik sich einschränkte; er wollte in keinem Theile der Gelehrsamkeit fremd bleiben, wollte alles mit seinem Geiste umfassen, wollte Sprachkenner, Rechtsgelehrter, Arzt, Dichter, Weltweiser sein. Die Sprachen beschäftigten ihn vorzüglich; er kannte die Lateinische, Griechische, Hebräische, Arabische, Italiänische, Spanische, Deutsche, und war mit den erstern schon vertraut, als er————
noch zu Fontenay-le-Comte als Franciscaner sich befand. Nach der Meinung des Niceron waren es die Verfolgungen neidischer Mönche, welche ihn späterhin bestimmten, den Rath einiger Personen anzunehmen, und in Rom um die Erlaubniß anzusuchen, sich in einen andern Orden begeben zu dürfen. Den Behauptungen eines Andern zu Folge wurde Rabelais, ehe er das Kloster verließ, ein Opfer der Eifersucht und des Hasses der Brüder. Der Letztere spricht von einer mehrjährigen Haft, und giebt als den Grund derselben einen Vorfall an, der durch die frohe Laune des gelehrten Franciscaners veranlaßt worden sei. Nach ihm soll Rabelais einmahl zu Fontenay-le- Comte einige tanzende Bauern nebst ihren Musikern betrunken gemacht, und die den letztern zugehörenden Instrumente mit in das Kloster genommen und an dem Hochaltare, als die Trophäen der vollbrachten That, aufgehangen haben. Dieser Frevel, fährt er fort, habe die Brüder bestimmt, den Schuldigen, dem sie schon längst seiner Talente wegen abgeneigt gewesen wären, zu entfernen. Rabelais sei daher in den Kerker des Klosters geworfen worden, in welchem er einige Jahre, ungeachtet der Vorbitten mehrerer angesehener Personen, habe schmachten müssen. Endlich, fügt dieser Schriftsteller hinzu, hätte man den Entschluß gefaßt, das Gefängniß zu erbrechen; und bald darauf habe auch eine schnelle Ausführung dieses Entschlus-
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ses den Gefangenen in Freiheit gesetzt. Will man auch dieses Ereigniß, von welchem Niceron nichts erwähnt, für eine Erdichtung halten, so kann man doch nicht verneinen, daß Rabelais bei dem Römischen Hofe um ein Breve, welches ihm den Beitritt zu einem andern Orden gestatten sollte, angehalten habe. Man weiß, daß der Papst Clemens der siebente den Wünschen des Bittenden entsprach, und daß dieser endlich in ein Beuedictiner-Kloster sich begab: aber man weiß die Zeit nicht genau anzugeben, in welcher diese Versetzung vor sich ging; wahrscheinlich erfolgte sie im Anfange der Regierung des erwahnten Papstes, welcher 1523 den Thron bestieg. Rabelais blieb übrigens nicht lange bei den Brüdern des heil. Benedict; bald legte er das Ordenskleid ab, und ging als Weltpriester nach Montpellier, um seine Neigung für das Studium der Medicin zu befriedigen. Hier erhielt er, nachdem er Baccalaureus und Licentiat geworden war, die höchste Würde in jener Kunst, die er nun lehrte und ausübte. Reue oder Furcht bewog ihn endlich, um eine Absolutionsbulle wegen seiner Entfernung aus dem Kloster der Benedictiner anzuhalten. Der Papst, Paul der dritte, ertheilte ihm dieselbe; und bald darauf wies ihm der Cardinal Jean du Bellay die Abtei Saint Maur des Fosseʼs zum Aufenthalt an, in welcher er als Canonicus lebte, bis ihn sein Beschützer, der erwähnte du Bellay, als Pfarrer nach Mendon
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rief. Er starb aber nicht in diesem Dorfe, wie Scevole de Sainte Marthe annimmt, sondern in Paris.
  So sehr auch Voltaire in den Melanges de Litterature et de Philosophie gegen den Gargantua und Pantagruel sich erklärt, so sind die Verdienste, welche Rabelais als Schriftsteller besitzt, doch immer sehr bedeutend. Er griff die Thorheiten der Mönche und der Großen an, verdrängte durch seinen Spott den Geschmack, den man in seinem Jahrhundert an abenteuerlichen Wunderscenen fand, und gab der noch sehr rauhen und übeltönenden Muttersprache die erste Ausbildung. Und steht auch seine Satyre dem feinern Spotte des Cervantes nach; so behält der Roman, der seinen Namen der Nachwelt bekannt machte, doch immer einen sehr hohen Werth. Das Uebertriebene und Niedrigkomische, das derselbe zum Theil enthält, kann man eben so wenig als das Rauhe der Schreibart tadeln, wenn man auf das Zeitalter Rücksicht nimmt, in welchem Rabelais auftrat. Sein Gargantua und Pankagruel ist in Deutschland mehrere Mahle edirt und bearbeitet worden. Johann Fischart lieferte 1552 eine Deutsche Umarbeitung, von welcher 1575 eine andere Ausgabe erschien. Neuerlich hat Christ. Friedr. Sander die Deutsche Literatur durch ein ähnliches Werk bereichert. Das Buch des Letztern kam in drei Theilen zu Hamburg von 1785 bis 1787 heraus; es führt den Titel: Gargantua
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und Pantagruel, nach Rabelais und Fischart, umgearbeitet von Doct. Eckstein.
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Ansicht: Rabelais, François