Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Paradies, Maria Theresia
Maria Theresia Paradies, geb. zu Wien 1759, ist eben so merkwürdig durch ihr Schicksal, als durch ihr so sehr sich auszeichnendes musikalisches Talent. Schon in einem Alter von 4 Jahren, 8 Monathen wurde sie durch einen gichtartigen Schlagfluß ihres Gesichts gänzlich beraubt. Da sie für die Musik sehr viel Aufmerksamkeit bezeigte, so ließ sie ihr Vater (k. k. Niederöstr Regier. Rath) schon im siebenten Jahre auf dem Fortepiano und im Singen unterrichten; und nach drei bis vier Jahren ließ sie sich in der Augustinerkirche zu Wien in dem Pergolesischen stabat mater als erste Sopransängerin hören, wobei sie sich selbst auf der Orgel accompagnirte. Die dabei gegenwärtige Kaiserin, Maric Theresia, wurde sehr gerührt, und bestimmte ihr sogleich eine Pension von 200 Gulden. Bald brachte es nun die junge Virtuosin bei Kozeluchs Unterricht so weit, daß sie nach und nach gegen sechzig Clavierconcerts mit der größten Genauigkeit spielen lernte. Im Jahr 1784 trat sie eine musikalische Reise an, und erregte überall, wo sie hinkam, besonders aber in London (1785), theils durch ihre Talente, theils durch ihr Unglück allgemeine Aufmerksamkeit. Besonders rührend weiß sie ihr Schicksal in einer Cantate von dem ebenfalls blinden Dichter Pfeffel, in Musik gesetzt von Kozeluch, vorzutragen. Ihr Gedächtniß ist außerordentlich; ihre————
Compositionen, deren Anzahl nicht klein ist, und welche meisten Theils für den Gesang sind, dictirt sie Note für Note in die Feder: sie hat übrigens auch in andern Wissenschaften (in der Geographie, im Rechnen etc.) große Fertigkeit. Ihr jetziger gewöhnlicher Aufenthalt ist Wien.
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