Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Papst, Der
Der Papst, (aus dem Griechischen Pappas, Vater) ist, nach den Begriffen der Katholiken, das geistliche Oberhaupt der Christenheit, der Stellvertreter Gottes auf Erden, Erzbischof von Rom und Patriarch, und war unlängst noch weltlicher Herr des Kirchenstaats, des Herzogthums Benevento in Neapel, und der Grafschaften Avignon und Venaissin in Frankreich.  Schon in der Mitte des ersten Jahrhunderts n. C. G. waren zu Rom Aufseher über die dasige bald verfolgte, bald geduldete Christengemeinde unter dem Namen Episcopi (Aufseher) oder Bischöfe, die ohne bürgerlichen Rang bloß das Lehramt und die Aufsicht über die Christen führten, und mit den christlichen Gesellschaften andrer Städte in völliger Gleichheit lebten. Doch im zweiten und dritten Jahrhundert, noch mehr aber im vierten, nachdem Constantin der Große die christliche Lehre herrschend gemacht hatte, stieg der Einfluß dieser Bischöfe; sie bekamen, gleich andern, eine Art Gerichtsbarkeit. Auch wurde bald eine gewisse Rangordnung und Subordination unter ihnen eingeführt: man machte Erzbischöfe, und an einigen Orten Patrigrchen oder höchste geistliche Aufseher über mehrere Provinzen oder Reiche; und unter letztern war auch der Bischof zu Rom. Schon strömten ihm zahllose Geschenke zu; und eine besondere Heiligkeit umstrahlte ihn, da er nicht nur im ganzen
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Abendländischen Kaiserthum dem Range (obschon noch nicht der Macht) nach der erste Geistliche war, sondern ihm auch eine historisch falsche und aus übel verstandenen Stellen des neuen Testaments hergeleitet Sage vorzüglich zu Hülfe kam. Christus sollte nehmlich seinen Schüler Petrus, den ersten Stifter der Gemeinde zu Rom, zu seinem unmittelbaren Statthalter auf Erden ernannt haben; diesem sollten alle nachherigen Episcopi der Römischen Gemeinde, und zwar zuerst Linus, in ununterbrochner Reihe gefolgt sein, und zugleich jene Statthalterschaft fortgesetzt haben. Kein Wunder, daß sich diese Patriarchen, die man nun Päpste zu nennen anfing, jetzt für untrüglich (infallibel) erklärten, daß sie behaupteten, es komme ihnen die geistliche Herrschaft über die ganze Christenheit zu, und selbst der Oberbefehl über eine allgemeine Kirchenversammlung, welcher sie bis jetzt noch unterthänig waren. Die Trennung der Morgenländischen Kirche von der Abendländischen im neunten Jahrhundert befestigte die bisher noch streitige höchste geistliche Macht des Papsts in der letztern – während indessen auch der Grund zu einer ziemlich ansehnlichen, obgleich erst in spätern Zeiten des Mittelalters souverainen, weltlichen Macht desselben gelegt worden war. Die Päpste gaben nehmlich aus unerweislichen, großen Theils erdichteten, Gründen vor, daß ihnen Constantin der Große 324 unter
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Pabst Silvester I. Rom und viele Vorrechte, der Fränkische König Pipin aber 755 den Kirchenstaat oder das damahlige Exarchat geschenkt habe. Die letztere Schenkung hat zwar Carl der Große bestätigt, doch so, daß die Päpste seine Unterthanen blieben, die sich auch erst mehrere Jahrhunderte darauf nach und nach unabhängig machen konnten. Späterhin erhielten die Päpste Benevento (1052) und Venaissin (1273); und 1348 kauften sie Avignon.
  Das Mittelalter verbreitete alle Greuel der Barbarei; Wissenschaften und Künste erloschen; Aberglaube, Fanatismus, Sittenlosigkeit und schlechte bürgerliche Verfassung zerstörten die glücklichsten Länder: und in dieser allgemeinen Geistesstumpfheit war es, wo der Römische Stuhl seine geistliche Herrschaft, allen Widersprüchen zum Trotz, auf den höchsten Gipfel emporhob, sich sogar eine weltliche Herrschaft über alle Könige, Kaiser und Fürsten des katholischen Europens anmaßte, und durch Pallien, Annaten, Reliquien, Ablaß, erzwungene Vermächtnisse und tausenderlei unter frommen Vorwänden unternommene Erpressungen die besten Schätze Europens nach Rom zog. Der Pabst machte an der Spitze der Clerisei eine zweite Hauptmacht in Europa aus, bot allen weltlichen Zeptern die Spitze, und siegte, nicht durch Stärke der Waffen, sondern durch Bannstrahlen, angestiftete Verschwörungen und durch eine ununterbro-
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chene Kette von Cabalen. Heinrich IV. jener berühmte Deutsche Beherrscher, mußte als Büßender in Person am päpstlichen Hofe zu Cauossa vor Gregor VII. erscheinen. England mußte das Mittelalter hindurch den schimpflichen Petersgroschen zahlen, und selten konnte ein König ohne erlangte Bestätigung vom Papste ruhig regieren.
  Die Quellen dieser ungeheuern Macht, welche besonders von Gregor VII. im 11. Jahrhundert bleibend gegründet, und von Urban II. Calixt II. Innocenz III. Gregor IX. Bonifaz VIII. u. a. ungeachtet abscheulicher innerer Zerrüttungen und mörderischer Befehdungen der Päpste unter einander, immer mehr erweitert wurde, im 13. und 14. Jahrhundert aber aufs höchste gestiegen war, sind überaus mannigfaltig. Schon die Einführung des meistens auf die untergeschobenen Kirchengesetze des falschen Isidors und andere eben so unlautere Quellen gebauten canonischen Rechts gab den Päpsten die ganze geistliche Gerichtsbarkeit und Oberherrschaft, und zum Theil auch die weltliche; die Stiftung der Universitäten und neuer Mönchsorden, besonders der Bettelmönche, machte sie zu Directoren des ganzen Schul- und Predigtwesens, und setzte sie in den Stand, dem Volke bloß diejenigen Begriffe mirtheilen zu lassen, die ihre Herrschaft erweiterten; ihre Bannstrahlen demüthigten alle freimüthige Selbstdenker und alle gekrönte
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Häupter, die die Reste der ihnen übrig gelassenen Rechte gegen sie zu behaupten wagten; und was Bannfluch nicht vermochte, that die heilige Inquisition. Die von ihnen begünstigten Kreuzzüge (s. dies. Art.) entvölkerten Europa, nahmen demselben seine Reichthümer, seine vornehmsten Beschützer, und erregten eine so allgemeine Verwirrung, daß die Päpste überall um sich greifen konnten. Mönche und Pfaffen wurden die Beichtväter und Staatsräthe der gekrönten Häupter: durch sie wirkte der päpstliche Stuhl; und alle Plane gegen ihn blieben fruchtlos. –
  Bloß Aufklärung konnte den päpstlichen Coloß wankend machen. Schon im zwölften, dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert dämmerte ihr wohlthätiges Licht, brach aber, noch durch die Kunstgriffe des Papsts niedergedrückt, erst im funfzehnten Jahrhundert mit Nachdruck hervor. Huß fuhr auf der vor ihm von Wiclef in England und den Albigensern betretenen Bahn zur Reformation fort; die Fürsten wagten es bisweilen, die ihnen entrissenen Rechte zurück zu fordern, setzten Kirchenversammlungen über den Papst fest, schränkten seine Anmaßungen ein, wie dieß in Deutschland besonders durch das Basler Concilium geschah (1431. fg.), obgleich die nachher 1448 zur Bestimmung der Gränze der gegenseitigen Rechte des Kaisers und Papsts geschlossenen Concordaten der Deutschen Nation sehr zum Vortheil des Papsts aus-
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fielen; die Zerstörung des Griechisch-Römischen Kaiserthums und die Buchdrukkerkunst verbreiteten allgemeine Aufklärung: alles sehnte sich, wie man sich damahls ausdrückte, nach einer Reformation der Kirche an Haupt und Gliedern. Sie erschien seit 1517 unter Anführung Luthers, Zwingliʼs und Calvins, unterstützt von Melauchthon, Erasmus, deßgleichen von vielen mächtigen Fürsten. Mit ihr verbreitete sich nicht nur die protestantische Lehre in England, Dänemark, Schweden, Norwegen, den Niederlanden, der Schweiz und einem großen Theile Deutschlands (welche Länder nun auf immer für den Papst verloren waren), sondern selbst katholische Staaten entzogen sich nach und nach ihrer Unterwürfigkeit, schafften die päpstliche Gerichtsbarkeit und die ungeheure Mönchszahl ab, besetzten selbst ihre geistlichen Aemter, und steuerten weit weniger Summen nach Rom; bloß Spanien, Portugal und einige Italiänische Länder blieben noch in der vorigen Unterthänigkeit. Ungeachtet Sixtus V. (gest. 1590) die Finanzen, die innere Ordnung und die Land- und Seemacht seiner Staaten verbesserte, so hatte doch das Papstthum nun alle Kraft verloren; man machte daher neue Versuche, die Aufklärung zurückzuhalten und die Staaten wieder von sich abhängig zu machen. Hierher gehört, außer der Stiftung einiger andrer neuer Mönchsorden und der Ausbreitung der damahls
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in ihrem Ansehn sehr gesunkenen Bettelmönche, vorzüglich die Stiftung des Orders der Jesuiten, welche (man sehe diesen Artikel) Hauptursache waren, daß sich die päpstliche Macht noch bis in die zweite Hälfte des gegenwärtigen Jahrhunderts in ziemlichem Ansehn erhielt. Allein Papst Clemens XIV. der ruhmvollste aller Päpste, schaffte sie 1773 nach dem Beispiele einiger Europäischen Höfe ganz ab, und entsagte dadurch selbst großmüthig der größten Stütze seiner nun ganz gesunkenen Gewalt, deren gänzliches Ende die Regierung seines Nachfolgers, Pius VI. herbeiführte. Neapel und Joseph II. demüthigten ihn, ersteres durch Verweigerung hergebrachter Rechte, letzterer durch verbreitete Aufklärung; Avignon und Venaissin gingen im Sturme der Französischen Staatsumwälzung verloren; alle Bannstrahlen gegen Frankreich waren vergeblich: der Friede zu Tolentino im Februar 1797, den der Papst noch als ein großmüthiges Geschenk von den Neufranken annehmen mußte, unterwarf die drei Legationen Ferrara, Romagna und Bologna der Cisalpinischen Republik; und endlich wurde er 1798 aller seiner Länder beraubt, welche herrlichen, von der Natur vorzüglich gesegneten Lande durch eine gänzlich fehlerhafte Staats-Organisation, schlechte Regierung und Erpressungen ganz veramt waren. Er floh nach Siena, und sah auf den Trümmern seiner weltlichen Macht einen jungen
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Staat, die Römische Republik, sich erheben. Seine geistliche Gewalt behielt er bei; und er expedirt noch jetzt, durch eine von ihm unzertrennliche geheime Kanzlei, alles mit weniger Umständlichkeit und Weitschweifigkeit als sonst. Auch hat unlängst Herr Bibliothekar Schönemann in Göttingen in einer eignen Schrift aus der apostolischen Constitution gezeigt, daß die hierarchische Gesetzgebung, auf den jetzt eintretenden Fall eines außerrömischen Papstes, schon längst gewaffnet sei, und deßhalb gar nicht verlegen sein dürfe.
  Uebrigens wird der Papst von den Cardinälen, seinen Ministern und Staatsräthen, jedes Mahl aus ihrer Mitte gewählt. Er muß, um wahlfähig zu sein, wenigstens 55 Jahr alt sein. Er trägt eine dreifache Krone, und residirte bis jetzt gewöhnlich auf dem Monte Quirinale, oder dem Monte Cavallo, oder auch im Vaticanischen Pallast zu Rom, mit welchen beiden Pius VI. wechselte.
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* Der Papst. Ohngeachtet die weltliche Macht des Papstes in den letzten Lebensjahren des unglücklichen Pius VI. so sehr gesunken war, daß dieser als Gefangner der französischen Republik am 29. August 1799 zu Valence starb (s. d. Nachtr. zu dem Art. Pius VI.): so war es doch das päpstliche Ansehen nicht. Man säumte daher auch nicht, Pius VI. einen Nachfolger zu geben; der Kardinal Chiaramonti bestieg am 13. März 1800, unter dem Namen Pius VII. den päpstlichen Stuhl, und hielt am 3. Juli seinen Einzug in Rom. So wie er selbst gleich anfangs darauf bedacht war, den Aufwand an seinem Hofe einzuschränken, die Zahl seiner Bedienten zu vermindern; so suchte man auch von Seiten Frankreichs, seiner geistlichen Gewalt starke Gränzen zu setzen. Am 15. Juli 1801 wurde zwischen ihm und Bonaparten ein Concordat abgeschlossen, solches am 10. September von jenem ratificirt und am 5. April 1802. dem gesetzgehenden Korps zu Paris vorgelegt. Nach demselben sollte die katholische Religion die Religion der großen Mehrheit des französischen Volks, jedoch nicht die herrschende, auch nicht die Staatsreligion sein, sondern die protestantische Religion mit ihr gleiche Rechte und Vorzüge genießen. Bonaparte, als erster Consul sollte binnen 3 Monaten zu den Erzbisthümern (deren Anzahl auf 10 festgesetzt wurde) und den
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Bisthümern (deren 50 sein sollten) die Erzbischöffe und Bischöffe ernennen, der Papst ihnen die canonische Bestätigung ertheilen und sie darauf den Eid der Treue in die Hände von jenen ablegen. Der Papst hatte deshalb schon am 15. August 1801 ein Breve an die französischen Bischöffe erlassen, ihre Stellen in seine Hände niederzulegen. Durch diese Einrichtung, so wie durch die verringerte Zahl der Erzbischöffe und Bischöffe verlor der Papst zugleich einen großen Theil seiner Einkünfte. Allmählich schienen indeß günstigere Zeiten für den päpstlichen Stuhl einzutreten. In Toulon empfieng man am 11. Januar 1803 das Herz und die Eingeweide Pius VI. mit vielen geistlichen Feierlichkeiten, und in Valence wurden sie feierlich beigesetzt; (s. d. angez. Nachtr.) Pius VII. ernannte am 15. März desselben Jahres einen neuen Heiligen; der Landamman der Helvetischen Republik dʼAffry erklärte dem päpstlichen Stuhle seine Ergebenheit und bat sich am 2. October einen Nuntius für die Schweiz aus; der König von Neapel stellte unter dem 30. Juli 1804 den Jesuiterorden in Neapel und Sicilien wieder her und das päpstliche Breve, diese Wiederherstellung betreffend, wurde am 2. August zu Neapel bekannt gemacht; Bonaparte selbst ließ sich am 2. December von dem Papst krönen; der König von Spanien suchte bei ihm um Einwilligung zur Veräußerung eines Theils der Kirchengüter in Spanien
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an, die ihm auch Pius VII. am 14. Juni 1805 durch ein besonders Breve zugestand, um Spanien dadurch in seiner dringenden Noth beizustehen; der Kurerzkanzler suchte im Mai 1806 bei ihm um Erlaubniß an, sich den Cardinal Fesch als seinen Coadjutor zu erwählen und erhielt sie. Allein ohngeachtet alle diese Umstände die wieder wachsende Macht des Papstes zu beweisen schienen; so zeigte sich doch bald das Gegentheil. Schon im Mai 1806 besetzten die französischen Truppen die päpstlichen Häfen zu Sinigaglia, Fano, Pesaro; im Januar 1808 rückten sie von Toscana aus in den Kirchenstaat ein und am 2. Februar wurde Rom selbst von ihnen besetzt. Zwar suchte der Papst seine Rechte durch eine öffentliche Protestation zu bewahren; allein am 2. April erfolgte die Vereinigung der päpstlichen Provinzen Urbino, Ancona, Macsrata und Camerino mit dem Königreiche Italien, welche die endliche völlige Auflösung des päpstlichen Staates, so wie der päpstlichen geistlichen Macht schon mit Gewißheit voraussehen ließ.
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