Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Nuntiaturstreitigkeiten, Die
Die Nuntiaturstreitigkeiten zogen in Deutschland noch im Anfange dieses Jahrzehnds die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich. Es wird nicht unangenehm sein, die wichtigsten Momente derselben in das Gedächtniß zurückzurufen. Die Päpste übten bekanntlich seit den ältesten Zeiten das Recht aus, zu Kirchenversammlungen und wichtigen Verhandlungen der christlichen Höfe Gesandte zu schicken. Es geschah dieses anfänglich nur der Oberaufsicht wegen, um auf Ketzereien ein wachsames Auge zu haben und den heiligen Stuhl von den wichtigsten Begebenheiten des Auslandes zu unterrichten. Mit dem Wachsthume der päpstlichen Macht, mit der Verbreitung der echt hierarchischen Grundsätze des falschen Isidors im 9. Jahrh. vermehrten sich die Anmaßungen dieser päpstlichen Bevollmächtigten. Sie eigneten sich an der Stelle des Papstes und auf seinen Befehl mit den Bischöfen der Länder, in denen sie residirten, gemeinschaftliche Gerichtsbarkeit zu, mischten sich in bürgerliche Rechtshändel, und zogen die Streitigkeiten, welche nicht gleich anfangs vor ihnen anhängig gemacht worden waren, wenigstens auf dem Wege der Appellation an sich, um sie in letzter Instanz zu entscheiden. Sie dispensirten in Ehesachen, ordneten Feste an, verkauften die Erlaubniß, verbotene Speisen zu essen, um einen sehr hohen Preis, und erwarben————
dadurch der Schatzkammer des Papstes und ihrer eigenen beträchtliche Einkünfte. Einige Bischöfe erkauften sich, um diese lästigen Gäste los zu werden, vom Papste das Recht, den Charakter seiner Gesandten in ihrer Person zu vereinigen. Aber auch dieses Mittel fruchtete nicht lange; die Päpste erfanden unter mancherlei Vorwand neue Ursachen, selbst die Sprengel dieser Bischöfe mit neuen Gesandten zu beschicken. Unter den Kaisern widersetzten sich zwar einige diesen Anmaßungen, aber nie mit sonderlichem Nachdruck. Die meisten sahen die päpstlichen Gesandten für ein treffliches Mittel an, dem Uebermuth der Bischöfe zuvorzukommen. Selbsthülfe war bisweilen das Einzige, was denen durch die Geldgier der Nuntien gedrückten Unterthanen noch übrig blieb; so wurde auf einer Synode zu Lüttich im Jahre 1231 ein päpstlicher Gesandte unter allgemeinem Hohngelächter zur Stadt hinaus getrieben. Der geistliche Herr belegte den ganzen Sprengel mit dem Interdict; er war aber jedoch so billig, die Taufe der Neugebornen davon auszunehmen, aus dem einfachen Grunde, weil diese ihn nicht verlacht hätten. Nach dem Tridentinischen Concilium (1545) stifteten die Päpste für Deutschland außer den Gesandtschaften, die sie schon an den Höfen hatten, vier ganz neue, die den Namen Nuntiaturen erhielten. Die Absicht dabei sollte die Aufrechthaltung der Schlüsse des Tridentinischen
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Conckliums sein, war aber eigentlich bloß, um noch mehrere Ausspäher zu haben, und den Fortgang von Luthers und Zwingliʼs Lehre zu hemmen. Zu Wien und Cölln wurden diese Nuntiaturen im Jahre 1783, zu Lucern in der Schweiz 1586, und zu Brüssel 1588 errichtet. Weder die wiederholten Klagen des Reichskammergerichts, noch die Verordnungen, welche deßhalb den Reichsabschieden und Wahl-Capitulationen von Zeit zu Zeit beigefügt wurden, richteten etwas dagegen aus. Der jetzige Papst, Pius VI. stiftete sogar 1785 eine neue Nuntiatur in München, wo damals gegen alles, was nur entfernt mit der Aufklärung zusammenhing, gleichsam ein allgemeines Aufgebot ergangen war. Nun glaubten die Deutschen Erzbischöfe nicht länger säumen zu müssen, um sich von der lästigen Gegenwart der päpstlichen Nuntien zu befreien. Der Kaiser unterstützte sie durch ein Rescript vom 12. Oct. 1785. worin er den Nuntien die Ausübung der Gerichtsbarkeit untersagte, und ihnen nur den Rang von politischen Gesandten zugestand. Die vier Erzbischöfe zu Mainz, Trier, Cölln und Salzburg veranstalten durch Abgeordnete (im Aug. 1786) eine Zusammenkunft im Bade zu Ems; im darauf folgenden Jahre wurde das Resultat dieses Congresses unter dem Namen der Emser Punctationen bekannt gemacht. Man hatte ausgemacht, daß man zwar allerdings den Papst für den Primas in der Kirche anerkennen, allein
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ihm keine andern Vorrechte einräumen könne, die er nicht schon in den ersten Jahrhunderten besessen hätte, und daß deßwegen die Nuntiaturen als eine neuere Anmaßung der päpstlichen Gewalt fernethin nicht anerkannt werden würden. Der päpstliche Hof hatte den Samen der Zwietracht unter die Deutsche katholische Geistlichkeit auszustreuen gewußt: Speyer, Lüttich, Würzburg und Hildesheim waren auf seiner Seite; selbst der kaiserliche Hof fing an, lau in der Sache zu werden; und am Ende blieb sie gar liegen. Im Jahre 1790 erschien eine weitläuftigt Deduction des Papstes gegen die Emser Punctationen. Er suchte die Rechtmäßigkeit seiner Nuntien aus historischen und hierarchischen Gründen zu beweisen, und eiferte gegen den Ungehorsam der vier Deutschen Erzbischöfe. Diese schwiegen dabei, und der ganze Streit blieb unausgemacht. Er hat eine Menge Schriften veranlaßt, wodurch im katholischen Deutschland allerdings manches Gute zur Aufklärung beigetragen worden ist.
dadurch der Schatzkammer des Papstes und ihrer eigenen beträchtliche Einkünfte. Einige Bischöfe erkauften sich, um diese lästigen Gäste los zu werden, vom Papste das Recht, den Charakter seiner Gesandten in ihrer Person zu vereinigen. Aber auch dieses Mittel fruchtete nicht lange; die Päpste erfanden unter mancherlei Vorwand neue Ursachen, selbst die Sprengel dieser Bischöfe mit neuen Gesandten zu beschicken. Unter den Kaisern widersetzten sich zwar einige diesen Anmaßungen, aber nie mit sonderlichem Nachdruck. Die meisten sahen die päpstlichen Gesandten für ein treffliches Mittel an, dem Uebermuth der Bischöfe zuvorzukommen. Selbsthülfe war bisweilen das Einzige, was denen durch die Geldgier der Nuntien gedrückten Unterthanen noch übrig blieb; so wurde auf einer Synode zu Lüttich im Jahre 1231 ein päpstlicher Gesandte unter allgemeinem Hohngelächter zur Stadt hinaus getrieben. Der geistliche Herr belegte den ganzen Sprengel mit dem Interdict; er war aber jedoch so billig, die Taufe der Neugebornen davon auszunehmen, aus dem einfachen Grunde, weil diese ihn nicht verlacht hätten. Nach dem Tridentinischen Concilium (1545) stifteten die Päpste für Deutschland außer den Gesandtschaften, die sie schon an den Höfen hatten, vier ganz neue, die den Namen Nuntiaturen erhielten. Die Absicht dabei sollte die Aufrechthaltung der Schlüsse des Tridentinischen
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Conckliums sein, war aber eigentlich bloß, um noch mehrere Ausspäher zu haben, und den Fortgang von Luthers und Zwingliʼs Lehre zu hemmen. Zu Wien und Cölln wurden diese Nuntiaturen im Jahre 1783, zu Lucern in der Schweiz 1586, und zu Brüssel 1588 errichtet. Weder die wiederholten Klagen des Reichskammergerichts, noch die Verordnungen, welche deßhalb den Reichsabschieden und Wahl-Capitulationen von Zeit zu Zeit beigefügt wurden, richteten etwas dagegen aus. Der jetzige Papst, Pius VI. stiftete sogar 1785 eine neue Nuntiatur in München, wo damals gegen alles, was nur entfernt mit der Aufklärung zusammenhing, gleichsam ein allgemeines Aufgebot ergangen war. Nun glaubten die Deutschen Erzbischöfe nicht länger säumen zu müssen, um sich von der lästigen Gegenwart der päpstlichen Nuntien zu befreien. Der Kaiser unterstützte sie durch ein Rescript vom 12. Oct. 1785. worin er den Nuntien die Ausübung der Gerichtsbarkeit untersagte, und ihnen nur den Rang von politischen Gesandten zugestand. Die vier Erzbischöfe zu Mainz, Trier, Cölln und Salzburg veranstalten durch Abgeordnete (im Aug. 1786) eine Zusammenkunft im Bade zu Ems; im darauf folgenden Jahre wurde das Resultat dieses Congresses unter dem Namen der Emser Punctationen bekannt gemacht. Man hatte ausgemacht, daß man zwar allerdings den Papst für den Primas in der Kirche anerkennen, allein
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ihm keine andern Vorrechte einräumen könne, die er nicht schon in den ersten Jahrhunderten besessen hätte, und daß deßwegen die Nuntiaturen als eine neuere Anmaßung der päpstlichen Gewalt fernethin nicht anerkannt werden würden. Der päpstliche Hof hatte den Samen der Zwietracht unter die Deutsche katholische Geistlichkeit auszustreuen gewußt: Speyer, Lüttich, Würzburg und Hildesheim waren auf seiner Seite; selbst der kaiserliche Hof fing an, lau in der Sache zu werden; und am Ende blieb sie gar liegen. Im Jahre 1790 erschien eine weitläuftigt Deduction des Papstes gegen die Emser Punctationen. Er suchte die Rechtmäßigkeit seiner Nuntien aus historischen und hierarchischen Gründen zu beweisen, und eiferte gegen den Ungehorsam der vier Deutschen Erzbischöfe. Diese schwiegen dabei, und der ganze Streit blieb unausgemacht. Er hat eine Menge Schriften veranlaßt, wodurch im katholischen Deutschland allerdings manches Gute zur Aufklärung beigetragen worden ist.