Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Nordamerika, Die vereinigten Staaten von
Die vereinigten Staaten von Nordamerika, welche man auch die Amerikanischen Staaten und schlechthin Amerika, Nordamerika nennt, liegen in dem südöstlichen Theile von Nordamerika, und bestehen gegenwärtig schon aus folgenden 16 einzelnen Staaten: Neu-Hampshire, Massachusets, Rhode-Island, Connecticut, Neu-York, Neu-Jersey, Pensylvanien, Delaware, Maryland, Virginien, Nord-Carolina, Süd-Carolina, Georgien (das sind die dreizehn ursprünglichen Staaten) Vermont, Kentucky und Western-Territory. Hierzu kommt noch das weitläuftige, zur Zeit noch wenig angebaute Congreßland, oder das der Union (m. s. d. Art. Constitution der V. St. von Nordamerika) gehörige Land im Westen, welches den neuen Ankömmlingen angewiesen wird, und dessen einzelne Districte, wenn sie die bestimmte Volkszahl haben, nach und nach für unabhängige Staten erklärt werden. Der Flächeninhalt des gesammten Gebiets der vereinigten Staaten, das in seinem ganzen Umfange gegen Norden Neu-Schottland, das Brittische und freie Canada, gegen Westen zum Theil die 4 großen Seen und freien Indianerländer, südlich die Spanische Provinz Florida und östlich das Atlantische Meer zur Gränze hat, beläuft sich wenigstens über 40,000 Deutsche Quadratmeilen; und die von Jahr zu Jahr zunehmende Volksmenge wird schon über 5 Millionen————
Menschen berechnet. Bei der Größe dieses Landes kann auch das Clima nicht überall gleich sein; im Ganzen ist die Luft sehr gemäßigt, doch ist es unter denselben Graden der Breite rauher als in Europa. Eben so verschieden ist auch die Beschaffenheit des Bodens, der bald gebirgig (die Appalachen, ein beträchtliches Gebirge, durchstreichen das Land in mehrern Aesten der Länge nach) und waldig, bald eben ist; im Innern ist es sehr fruchtbar. Die Hauptproducte find: Getreide, Reiß, Flachs, Hanf, Tobak, Indigo, Obst, viel Holz (vorzüglich zum Schiffbau brauchbar), eine große Menge Vieh, Eisen, Kupfer, Marmor, und in den südlichen Provinzen selbst Seide und Baumwolle. Die Einwohner der vereinigten Staaten bestehen aus Engländern, Deutschen, Franzosen und Holländern, die aber größten Theils im Lande geboren sind. Ihre wichtigsten Beschäftigungen sind Feldbau, Viehzucht, Fischerei (sie nehmen einen großen Antheil an dem Stockfischfang bei Terre Neuve und am Wallfischfang); und wenn ihre Fabriken und Manufacturen auch noch nicht in dem Staude sind, daß sie des Auslandes entbehren können, so bringt ihnen doch die Ausfuhre ihrer mannigfaltigen rohen Producte im Handel einen beträchtlichen Gewinn. – Für die geistige Cultur fängt man an rühmlich zu sorgen. Uebrigens giebt es hier keine privilegirten Stände und keine herrschende Religion, ungeachtet die protestan-
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tische einige Vorzüge genießt; alle Religionssecten werden geduldet und wohnen friedlich neben einander. Der Wohlstand dieser Republik, die den Keim zukünftiger Größe in sich enthält, ist seit der kurzen Zeit ihrer Gründung schon zu einer bewundernswürdigen Höhe gestiegen; und ob sich gleich die Nationalschuld noch auf 106 Millionen Thaler beläuft, so läßt doch der ansehnliche Ueberschuß der jährlichen Staatseinkünfte, verbunden mit einer weisen Oekonomie, die baldige Tilgung derselben hoffen. Daß übrigens in einem von Ausgewanderten und Vertriebenen aus allen Ländern Europens bevölkerten Lande das goldene Weltalter und die Unschuld der Sitten des Paradieses nicht zu suchen sei, läßt sich, wie ein schätzbarer Schriftsteller sehr richtig sagt, von selbst denken. Auch herrscht auf jeden Fall zu viel Rücksicht auf Privatinteresse und zu wenig Trieb etwas für das Ganze zu thun, daß die Nordamerikaner nicht für jede Erschütterung ihrer bisherigen Ruhe (während welcher ihnen dieser Egoismus weniger nachtheilig wird) besorgt zu sein Ursache hätten. – Die vereinigten Staaten haben hin und wieder noch mit den Indianern zu kämpfen, die zum Theil in ihrem Gebiet wohnen und ihre Gränzen oft beunruhigen. An dem gegenwärtigen Französischen Kriege haben sie keinen Antheil genommen. In den ersten Jahren desselben begünstigten sie vorzüglich die Franzosen,
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welche nicht nur sehr viele Kriegs- und Lebensbedürfnisse von ihnen erhielten, sondern auch selbst feindliche Prisen in den Amerikanischen Häfen aufbewahrten. Als aber die Engländer ihre Unzufriedenheit darüber durch die Wegnahme mehrerer Amerikanischer Schiffe zu erkennen gaben, sahen sie sich bei dem Mangel einer Marine und bei der Uebermacht der Engländer auf dem Meere genöthigt, den ihnen von England vorgeschlagenen Handelstract i. J. 1795 anzunehmen, der zwar in vieler Hinsicht vortheilhaft für sie ist, aber doch unter ihnen selbst nicht wenig Widerspruch fand. Frankreich glaubte sich durch diesen Tractat beeinträchtigt; und daher ist neuerlich ein großes Mißverständniß zwischen beiden Republiken entstanden, und schon haben die Franzosen angefangen, die Amerikanischen Schiffe feindlich zu behandeln. Indeß ist wohl die Hoffnung des wieder herzustellenden guten Vernehmens noch nicht ganz verschwunden.1 Eine der neuesten Schriften über die vereinigten Staaten ist: Reponse aux principales questions, qui peuvent être faites sur les états unis de l'Amerique, par un Citoyen des E. U.2
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Fußnoten
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1 Indeß rüstet sich, den neuesten Nachrichten zu Folge, der Nordamerikanische Gesandte zur Abreise von Paris.
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2 Nachrichten aus Amerika sagen, daß eine Völkerschaft in dem nordwestlichen Theile der vereinten Freistaaten, die sich nach ihren eigenen Gesetzen regiert, im Sept. 1797 die dreifarbige Fahne aufgesteckt und erklärt habe, sich künftig den Gesetzen der Fränkischen Republik zu unterwerfen. Die neuesten Briefe sagen dieses von den Illinois, einer kriegerischen Nation im Nordwesten von Amerika, und verbinden damit die Thatsache, daß i. J. 1793 ein Fränkischer Offizier, Lachaise, durch die vereinigten Staaten nach Kentucki reiste, welcher den Auftrag gehabt haben soll, die westlichen Nationen zu einem Aufstand zu bereiten, damit Frankreich durch ihre Hülfe Canada und Luisiana erhalten möchte. So viel ist gewiß, sagt ein Kenner der Nordamerikanischen Angelegenheiten, daß die Wilden, wiewohl bei ihnen der Sinn für die Französischen Grundsätze der Menschenrechte nicht vorauszusetzen ist, dennoch leichter von den Franken (von denen sich insbesondere viele bei den genannten Illinois angebaut haben) als von den Amerikanern und Engländern in ein gemeinschaftliches Interesse
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gezogen werden können, und von jeher wirklich gezogen worden sind. Die Neigung der Indianer gegen die Franken und ihr alter Haß gegen die weißen Nordamerikaner könnte leicht den Grund zu einem neuen Kriege legen. Die Abneigung der Nordamerikanischen Provinzen jenseits der Gebirge gegen die an den Seeküsten liegenden Provinzen könnte leicht jene Provinzen zu einer Verbindung mit den Franken gegen die andern Nordamerikanischen Staaten bringen, besonders wenn Frankreich ihnen die freie Schifffahrt auf dem Missisippi garantirte.
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* Die vereinigten Staaten von Nordamerika. Während der französische Revolutionskrieg mit seinen Folgen den Wohlstand Curopaʼs zerrüttete, die Menschenmasse um Millionen verminderte, und die Staatsschulden um desto stärker vermehrte, nahm Nordamerika, ohne die Uebel dieses Kriegs in der Hauptsache zu empfinden, an Flächengehalt, Bevölkerung und Reichthum ausnehmend zu. – Da besonders seit 1795 der amerikanische Handel durch die französische Kaperei sehr litt, und überhaupt Washington Frankreich abgeneigt war, so schien es zwischen beiden Mächten zu einem förmlichen und öffentlichen Bruche kommen zu wollen. Washingtonʼs Nachfolger in der Präsidentenstelle, Adams, forderte sogar nicht allein am 19ten März 1798 die Versammlung der Repräsentanten zur Vertheidigung gegen Frankreich auf, sondern es wurden auch am 2. Juni durch einen Beschluß des Hauses der Repräsentanten alle Handelsgeschäfte zwischen der nordamerikanischen und französischen Republick verboten und befohlen, bewaffnete Schiffe gegen die französischen Kaper auszurüsten; auch zerschlugen sich die im folgenden Jahre von Frankreich angefangnen Unterhandlungen. Doch am 1. October 1800 wurde zu Paris zwischen beiden Machten ein Freundschafts- und Handelsvertrag unterzeichnet, nach welchem Frank-
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reich, an Nordamerika 20 Millionen Livres als eine Schadloshaltung zu bezahlen, versprach, dieses aber sich dagegen verbindlich machte, mit England, ohne Wissen und Zulassung Frankreichs, keinen neuen Handelstractat abzuschließen. Wichtiger war fur Nordamerika der, am 30. April 1803 zu Paris zwischen ihm und Frankreich über die Provinz Louisiana (s. Florida) abgeschlossene, Vertrag. Nach demselben bezahlte Amerika für diese Provinz an Frankreich 15 Millionen 200,000 Thaler, von welcher Summe 11 Millionen in amerikanischen Staatspapieren abgetragen, der Rest dieser Summe aber zur Schadloshaltung der amerikanischen Kaufleute, die an die französische Republik Anforderungen hatten, verwendet wurde. Ehe noch diese Provinz von Amerika in Besitz genommen wurde – die Hauptstadt Neuorleans übergaben die französischen Bevollmächtigten am 20. December – trat noch ein neuer Staat in den Nordamerikanischen Staaten-Bund, nemlich diejenigen Lande, welche unter dem Namen: Nordwestliches Gebiet des Ohio bekannt sind. Auch wurden in diesem Jahre die zwischen Marokko und Nordamerika über des ersteren Kapereien entstandnen Streitigkeiten beigelegt und der Friede zwischen ihnen nach den Grundlagen des Tractats von 1786 wieder hergestellt. Allein während dieser Zeit nahm das Misvergnügen zwischen England und Nordamerika immer mehr zu. England
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wollte nicht zugeben, daß Nordamerika den Franzosen Waaren, die nicht Kriegsbedürfnisse sind, zuführe und dagegen französische Produkte: Caffee, Zukker, Wein, Brandwein etc. zurücknehmen und mit denselben Handel treiben sollte. Es hatte deshalb mehrere hundert amerikanische Schiffe angehalten, aufgebracht, und zum Theil die Ladungen mit französischem Eigenthum confisciret, auch viele amerikanische Matrosen von den angehaltenen Schiffen in seine Dienste genommen. Der amerikanische Congreß schlug deswegen vor: die Einfuhr englischer Manufacturwaaren zu verbieten, den englischen westindischen Inseln vom festen Lande Amerikaʼs aus keine Zufuhr von Lebensmitteln zukommen zu lassen, und alles, was amerikanische Burger an Engländer schuldig wären, mit Beschlag zu belegen. Ein andrer Vorfall vermehrte noch die Erbitterung. Vor dem Hafen von Neuyork kreuzten am 25. April 1806. drei englische Kriegsschiffe, deren Kapitain Whitby einem amerikanischen Küstenfahrer ein Zeichen gab, daß er ihn visitiren lassen wolle. Als dieser nicht geschwind genug die Seegel einzog, gaben die Engländer Feuer und ein amerikanischer Matrose wurde an der Mundung des Hafens erschossen. Der Congreß, der hierauf alle Gegenvergeltung beschloß, foderte zugleich durch zwei nach London gesendete Deputirte Satisfaction. England bot darauf Amerika einen neuen Freund-
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schaftstractat an, den aber dieses wegen einiger misfälligen Punkte zurückschickte; und ein andrer Vorfall vermehrte Amerikaʼs Erbitterung. Am 23. Juni 1807. verlangte ein englisches Kriegsschiff, das einer amerikanischen Fregatte am Ausfluß des Delamare begegnete, sich wegen desertirter englischen Matrosen visitiren zu lassen. Auf die Weigerung wurde die Fregatte angegriffen und genöthiget, die Seegel zu streichen, jedoch wieder freigegeben, nachdem der Capitain des Kriegsschiffs drei Matrosen, die er als Deserteurs angab, weggenommen hatte. Jetzt foderte am 2. Juli der Präsident des Congresses alle grosbrittanische bewaffnete Schiffe auf, Amerikaʼs Häfen zu verlassen, verbot alle Gemeinschaft mit brittischen Schissen, legte späterhin (23. December 1807.) ein Embargo auf alle, die sich in den amerikanischen Häfen befanden, und das Decret wegen Nichteinfuhr der englischen Waaren wurde jetzt wirklich geltend gemacht. England bot darauf durch einen außerordentlichen Gesandten Genugthuung, allein umsonst: Amerika setzte sich seit dem April 1808 gegen jeden Angriff in Verfassung. Doch England unternahm nichts und suchte eine friedliche Ausgleichung zu bewirken, die aber dis zum Ende des Jahres 1808 noch nicht zu Stande gekommen war.
  Daß Nordamerika durch den Beitritt der Ländereien am Ohio, so wie durch den Ankauf Louisianaʼs
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(durch welche beide Staaten die Anzahl der einzelnen Staaten auf 18 gestiegen ist,) an Flächeninhalt gewonnen habe, bedarf keines Beweises; indeß sind die Angaben von der Größe der gesammten Staaten sehr verschieden: bald auf 86,000 Quadratmeilen, bald noch weit höher. Auch die Volksmenge wird sehr verschieden bestimmt: daß sie aber sehr schnell und beträchtlich zugenommen habe, ergiebt sich aus folgenden Angaben. Im Jahr 1774 rechnete man sie auf 2 Millionen, 486,000; im Jahr 1801 bestand sie, nach einer veranstalteten Zählung, in 5 Millionen, 305,638. Man kann sie daher bis zum Jahr 1808 zwischen 6 und 7 Millionen rechnen. Denn der Verlust, den Nordamerika durch das gelbe Fieber in Neuyork (vom September bis November 1805) erlitt, war nicht sehr beträchtlich und wurde durch die Colonisten, die Amerika von allen Orten her, zur Bevölkerung des noch sehr menschenleeren Louisianaʼs, zu erhalten suchte, vielfach ersetzt. Mit der Bevölkerung stieg auch der innere Wohlstand des Staates. Schon im Jahre 1803 war seit 1774 das urbare Land von 20 auf 33 Millionen englische Morgen1 (Acreʼs), die Miliz von 400, auf 900,000; die Seeleute von 15, auf 63,000, die inländischen Erzeugnisse, von 6 auf 42 Millionen jährlich, gestiegen. Der Betrag der von Amerika ausgeführten Waaren, im Jahr 1774 auf 6 Millionen, 100,000 Dollars berechnet, war schon 1799 auf 78
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Millionen, 665,522 Dollars gestiegen. In eben dem Grade, wie der Wohlstand des Staates stieg, verminderten sich, besonders seit 1803 die Staatsschulden. Im Jahr 1789 betrugen dieselben 76½ Millionen Dollars und stiegen im Jahr 1799 auf 88 Millionen, 456,038. Allein im Jahr 1802 waren sie bis auf 77 Millionen, 881,890 Dollars vermindert. Durch Louisianaʼs Ankauf wurden sie im Jahr 1803 wieder um 15 Millionen vermehrt; allein am 31. December 1807 betrugen sie nur noch 67 Millionen, 727,756 Dollars. – Daß bei diesem inneren und zunehmenden Wohlstande des Staates, bei dem ungestörten Frieden desselben, besonders auch durch die ausgewanderten und auswandernden Europäer, Künste und Wissenschaften immer mehr aufblühen, bedarf keines Beweises. Nicht blos für die Schulen wird immer mehr gesorgt, sondern auch für Universitäten. In Columbia, der Hauptstadt von Sud Carolina, wurde im April 1804 eine neue Universität eingeweiht, die einen reichen Fond erhielt, und in demselben Jahre bereits eine Bibliothek von 5000 Bänden, ein Naturalien Cabinet und einen ansehnlichen physicalischen Apparat besaß. – Ueberhaupt läßt sich mit Gewisheit erwarten, daß Nordamerika, wenn es eines fortwährenden Friedens genießet, nach einer Reihe von Jahren eine Stufe des Wohlstandes und der Kultur erreichen muß, mit welcher Europaʼs im Allgemeinen immer mehr sinkender
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Wohlstand keine Vergleichung aushalten kann.
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Fußnoten
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1 Nach andern betrug das angebaute Land schon im Jahr 1799 – 36 Millionen, 300,000 Morgen. Wie gering indeß diese Anzahl des wirklich urbar gemachten Landes gegen die Anzahl desjenigen ist, was überhaupt urbar und tragbar gemacht werden kann, ergiebt sich daraus: daß man schon im Jahre 1799, mit Ausschluß Louisianaʼs, dieses Letztere auf 590 Millionen englische Morgen (Acreʼs) berechnete.
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