Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Moreau
Der General Moreau ist unter den Generalen, welche sich in gegenwärtigem Kriege ausgezeichnet haben, einer der berühmtesten. Er ist aus Morlaix im Departement Flutsterre gebürtig, und studirte vor der Revolution 1788 zu Rennes die Rechtsgelehrsamkeit. In den Streitigkeiten der Parlamente mit dem Hofe trat er auf die Seite der erstern, und wurde von den übrigen Studenten zum General des Parlaments ernannt. Er handelte in diesem Posten mit so vieler Klugheit, daß ihm die Gegenpartei auf keine Weise beikommen konnte. Da die immer weiter um sich greifende Revolution ihm alle Hoffnung benahm, mit der Rechtsgelehrsamkeit sein Glück zu machen, so beschloß er die militairische Laufbahn zu verfolgen, die er nun einmahl betreten hatte. Er zeichnete sich bei der Nordarmee aus, deckte sehr geschickt die Belagerung von Ypern, nahm die Festung Sluys ein, und erwarb sich in der Folge so sehr das Zutrauen der Regierung, daß ihm 1796 das Ober-Commando über die Rhein- und Moselarmee an Pichegrüʼs Stelle übertragen wurde. Es wollte viel sagen, ein Heer nach einem solchen Vorgänger zu befehligen; allein Moreau entsprach vollkommen den Erwartungen, welche Frankreich auf ihn gesetzt hatte. Er bewirkte in der Nacht auf den 24. Juni 1796 bei Kehl einen Uebergang über den Rhein, drang durch Schwaben bis Bayern vor, und————
legte, als sich das Kriegsglück auf die Seite der Oestreicher wendete, einen so meisterhaften Rückzug an, daß sein Heer mit einem verhältnißmäßig sehr geringen Verlust Frankreichs Gränzen glücklich erreichte. Man muß seine Klugheit um so mehr bewundern, da ihm dabei die Erfahrung nicht zu Hülfe kam, und man ihn keinen unter den Waffen grau gewordenen Krieger nennen konnte. Die Disciplin, die er unter den Truppen hielt, und die Menschlichkeit, die er gegen die Besiegten bewies, verschafften ihm außer dem Ruhme eines großen Generals auch das Lob eines rechtschaffnen Mannes. Nach den Auftritten am 4. Sept. 1797 ging er nach Paris, um sein Betragen zu rechtfertigen, weil von seiner Armee keine Addressen für das Directorium eingegangen waren, und er noch weniger Truppencorps nach dem Innern von Frankreich hatte marschiren lassen. Zugleich gab er einige neue Aufschlüsse über Pichegrü, und legte alsdann sein Commando nieder. Seitdem lebte er abwechselnd zu Passy unweit Paris, oder zu Chaillot bei seinem Freund, dem General Kleber, der sich dem Militairdienst schon seit geraumer Zeit entzogen hat.
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*Der General Johann Victor Moreau (geb. 1763), dessen frühere Schicksale bis 1797 bereits erzählt worden sind, verlor im Juni 1794 seinen Vater durch die Guillotine, während er für sein Vaterland die Eroberung Hollands und besonders der Festung Sluis vollendete. Nachdem er bis zum Jahre 1799 in der Stille gelebt hatte, erhielt er, da die italienische Armee unter ihrem bisherigen Oberbefehlshaber Scherer (s. d. Art.) mehrere Niederlagen erlitten hatte, an dessen Stelle das Commando, jedoch nur provisorisch. Er kämpfte mit den Russen am Po und wollte, da Joubert das Obercommando der Armee übernahm, nach Paris zurückgehen; allein dieser hielt ihn zurück, verlor in der blutigen Schlacht bei Novi (am 15. Aug. 1799), gleich Anfangs das Leben, und so mußte Moreau das Obercommando wieder übernehmen, aber nach einem hartnäckigen Kampfe weichen: sein Commando war zu Ende und er ging nach Paris zurück, wo ihn Bonaparte, nach seiner Rückkunst aus Egypten, kennen lernte. Nach der am 9. Nov. 1799 erfolgten Entlassung des bisherigen Directoriums, erhielt Moreau das Obercommando der Rhein-Armee. Der Feldzug, den er im Frühjahr 1800 eröffnete, war eine ununterbrochene Reihe von Siegen. Er gewann die Schlachten bei Engen in Schwaben, bei Stockach und Möskirch, das Treffen bei Biberach und Memmin-
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gen; drang immer weiter mit seiner Armee vor und besetzte nach und nach fast ganz Baiern. Am 15. Juli wurde zwischen ihm und dem östreichischen General Kray zu Parsdorf ein Waffenstillstand abgeschlossen, da die indeß in Italien vorgefallene Schlacht bei Marengo einen baldigen Frieden erwarten ließ. Allein da, ohngeachtet der am 28. Juli zu Paris, zwischen Frankreich und Oestreich abgeschlossenen Friedenspräliminarien, nach wiederholter Aufkündigung und Verlängerung des Waffenstillstandes, noch am Ende des Jahres der Krieg von neuem ausbrach; so eilte Moreau, den Frieden durch entscheidende Schlachten zu erkämpfen. Er siegte am 3. December bei Hohenlinden entscheidend, setzte am 9. über den Inn, und zog, nach einer nochmaligen blutigen Schlacht bei Salzburg am 15. December in Salzburg ein. Schon am 25. erfolgte ein zwischen ihm und dem Erzherzog Karl zu Steyer bei Linz unterzeichneter Waffenstillstand, am 27. die Unterzeichnung der Friedenspräliminarien und am 29. Februar des folgenden Jahres der Definitiv- Friede zu Lüneville. Es wäre Ueberfluß, ein Wort über diesen thatenreichen Feldzug hinzuzufügen: Nur sei uns erlaubt, des damaligen Oberconsuls Bonaparte Urtheil über denselben hier anzuführen: »Mein Feldzug,« sagte er, »war der eines jungen Menschen, der seinige – der eines vollendeten Feldherrn.« Nach Abschluß des Friedens ging Moreau nach Frankreich
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zurück und lebte dort in der Einsamkeit, als er zu Anfang des Februars 1804 als Theilhaber einer Verschwörung gegen den Oberconsul angegeben und am 15. Februar in Verhaft genommen wurde. Da es ihm nicht gelang, seine Unschuld hinlänglich zu erweisen, wurde er durch den Ausspruch eines, zur Untersuchung dieser Verschwörung niedergesetzten Criminalgerichts, am 5. Juni zu zweijährigem Verhafte verurtheilt, dieses Urtheil am 23. vom Cassationsgerichte zu Paris bestätiget, und schon am 25. reiste er nach Nord Amerika ab, wo er in der Stille lebt.
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