Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Marmontel
Johann François Marmontel. Dieser Mann hat unter den Französischen Schriftstellern, welche das Gebiet der schönen Literatur bearbeitet haben, einen vorzüglichen Rang in der letzten Hälfte dieses Jahrhunderts erhalten; und seine moralischen Erzählungen1 werden wegen der feinen Schilderungen, welche sie enthalten, und wegen der schönen und correcten Sprache, worin sie abgefaßt sind, noch lange die Lieblingslectüre der Freunde der Französischen Sprache bleiben. Eben so unterhaltend und lehrreich sind seine Incaʼs, oder die Geschichte der Zerstörung des Peruanischen Reichs, worin die liebenswürdige Einfalt der Wilden mit den angenehmsten Farben geschildert, und die Grausamkeit und Bekehrungswuth der Spanischen Abenteurer sehr wahr und erschütternd dargestellt wird. Im Belisaire wollte der Verfasser hauptsächlich den Fürsten einige Belehrung mittheilen; allein die Einförmigkeit der Erzählung macht die Lectüre dieses Buchs etwas trocken, und erweckt wenig Interesse für die handelnden Personen. Marmontel war Mitglied der Französischen Akademie und in den letzten Zeiten ihres Daseins beständiger Secretair derselben; man konnte es ihm also nicht ganz verdenken, daß ihm die im Jahre 1790 bewirkte Aufhebung aller Akademien in Frankreich empfindlich schmerzte, und daß er überhaupt mit der ganzen————
Revolution sehr unzufrieden war. Der Titel eines Historiographen Frankreichs, den er schon lange geführt hatte, ging nun auch für ihn verloren; und es blieb ihm nichts übrig, als sich auf ein Landgut zurückzuziehen, das er in der Nähe von Paris besitzt. Er wurde zwar 1796 zum Associirten des neu angelegten National-Instituts ernannt; allein bis jetzt hat er sich noch nicht als thätiges Mitglied gezeigt, und entsagt unstreitig aus Liebe zur Einsamkeit und Ruhe in seinem hohen Alter freiwillig der Ehre, unter den neuen Literatoren des republikanischen Frankreichs eine Stelle einzunehmen. Er erschien aber dessen ungeachtet 1797 als Mitglied des Rathes der Alten, wozu ihn sein Departement erwählt hatte. So groß auch immer die Achtung war, welche man ihm als einem Veteranen der Französischen Literatur bezeugen zu müssen glaubte; so konnten sich doch die republikanischen Mitglieder des Conseils nicht enthalten, ihre Unzufriedenheit mit ihm öffentlich zu bekennen, da seine Grundsätze royalistisch waren, und er sich mit dem Feuereifer eines Zeloten der katholischen Religion annahm, über deren Despotie er in seinen Schriften sonst heftig geklagt und Toleranz vor allen andern Tugenden anempfohlen hatte. Er war aber doch so glücklich, nicht mit in dem Artest-Decrete vom 4. Sept. 1797 begriffen zu sein, weil das Directorium wahrscheinlich sein Alter und seine ehemahligen Ver-
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dienste ehren wollte. Indessen wurde Marmontel doch am 30. Jan. 1798 in St. Anbin für Gallien (im Depart. der Eure) ergriffen und in das Gefängniß nach Verneuil abgeführt, aber kurz darauf wieder in Freiheit gesetzt, weil seine Angeber sich in der Person geirrt hatten.
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Fußnoten
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1 Von denen uns Herr Hofrath Schütz eine meisterhafte Uebersetzung liefert, wovon bis jetzt zwei Theile erschienen sind.
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* Marmontel, (1719 im Städtchen Bort im Limousin geboren), hatte die Veranlassung zu seinem schriftstellerischen Ruhme dem Voltaire zu verdanken. Seine Studien fing er in einem Jesuiter-Collegium an, und, ob gleich zur Handlung bestimmt, brachte er es doch dahin, daß er den geistlichen Stand wählen durfte. Anfangs versuchte er sein Heil in Preisgedichten; der erste Versuch mißlang – dies feuerte ihn nur noch mehr an. Er schickte seine Arbeiten an Voltaire, und von diesem aufgemuntert, erlangte er nun in der Folge fast alle Preise bei der Akademie. Er verließ endlich den geistlichen Stand, kam nach Paris, und, ob gleich Anfangs in mißlicher Lage, wurde er dennoch, durch Voltaires Empfehlung, in mehrere ansehnliche Häuser eingeführt, ward als Theaterdichter gleich durch sein erstes Trauerspiel: Denis le Tyran, welches unerhörten Beifall erhielt, berühmt, bekam durch Begünstigung der Marquise von Pompadour eine Stelle als Sekretair beim Bauwesen zu Versailles, dann die Redaction vom Mercure de France – nach Düclos Tode die Stelle als Historiograph von Frankreich, und zuletzt nach dʼAlemberts Tode 1783 die eines Sekretairs der französischen Akademie etc. – Er starb zu Abbeville bei Gallion (Depart. der unt. Seine) am 31. Dec. 1799, dürftig und in der Einsamkeit, vom Schlage getroffen.
Revolution sehr unzufrieden war. Der Titel eines Historiographen Frankreichs, den er schon lange geführt hatte, ging nun auch für ihn verloren; und es blieb ihm nichts übrig, als sich auf ein Landgut zurückzuziehen, das er in der Nähe von Paris besitzt. Er wurde zwar 1796 zum Associirten des neu angelegten National-Instituts ernannt; allein bis jetzt hat er sich noch nicht als thätiges Mitglied gezeigt, und entsagt unstreitig aus Liebe zur Einsamkeit und Ruhe in seinem hohen Alter freiwillig der Ehre, unter den neuen Literatoren des republikanischen Frankreichs eine Stelle einzunehmen. Er erschien aber dessen ungeachtet 1797 als Mitglied des Rathes der Alten, wozu ihn sein Departement erwählt hatte. So groß auch immer die Achtung war, welche man ihm als einem Veteranen der Französischen Literatur bezeugen zu müssen glaubte; so konnten sich doch die republikanischen Mitglieder des Conseils nicht enthalten, ihre Unzufriedenheit mit ihm öffentlich zu bekennen, da seine Grundsätze royalistisch waren, und er sich mit dem Feuereifer eines Zeloten der katholischen Religion annahm, über deren Despotie er in seinen Schriften sonst heftig geklagt und Toleranz vor allen andern Tugenden anempfohlen hatte. Er war aber doch so glücklich, nicht mit in dem Artest-Decrete vom 4. Sept. 1797 begriffen zu sein, weil das Directorium wahrscheinlich sein Alter und seine ehemahligen Ver-
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dienste ehren wollte. Indessen wurde Marmontel doch am 30. Jan. 1798 in St. Anbin für Gallien (im Depart. der Eure) ergriffen und in das Gefängniß nach Verneuil abgeführt, aber kurz darauf wieder in Freiheit gesetzt, weil seine Angeber sich in der Person geirrt hatten.
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1 Von denen uns Herr Hofrath Schütz eine meisterhafte Uebersetzung liefert, wovon bis jetzt zwei Theile erschienen sind.
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* Marmontel, (1719 im Städtchen Bort im Limousin geboren), hatte die Veranlassung zu seinem schriftstellerischen Ruhme dem Voltaire zu verdanken. Seine Studien fing er in einem Jesuiter-Collegium an, und, ob gleich zur Handlung bestimmt, brachte er es doch dahin, daß er den geistlichen Stand wählen durfte. Anfangs versuchte er sein Heil in Preisgedichten; der erste Versuch mißlang – dies feuerte ihn nur noch mehr an. Er schickte seine Arbeiten an Voltaire, und von diesem aufgemuntert, erlangte er nun in der Folge fast alle Preise bei der Akademie. Er verließ endlich den geistlichen Stand, kam nach Paris, und, ob gleich Anfangs in mißlicher Lage, wurde er dennoch, durch Voltaires Empfehlung, in mehrere ansehnliche Häuser eingeführt, ward als Theaterdichter gleich durch sein erstes Trauerspiel: Denis le Tyran, welches unerhörten Beifall erhielt, berühmt, bekam durch Begünstigung der Marquise von Pompadour eine Stelle als Sekretair beim Bauwesen zu Versailles, dann die Redaction vom Mercure de France – nach Düclos Tode die Stelle als Historiograph von Frankreich, und zuletzt nach dʼAlemberts Tode 1783 die eines Sekretairs der französischen Akademie etc. – Er starb zu Abbeville bei Gallion (Depart. der unt. Seine) am 31. Dec. 1799, dürftig und in der Einsamkeit, vom Schlage getroffen.