Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Maria Stuart
Maria Stuart. Diese durch ihr unglückliches Schicksal so bekannte Königin von Schottland aus dem Hause Stuart, eine Tochter Jacobs V. welcher acht Tage nach ihrer Geburt starb und ihr die Schottländische Krone hinterließ, war i. J. 1542 geboren. Sie wurde von allen, die sie sahen, als ein vollendetes Meisterstück weiblicher Schönheit bewundert; hiermit verband sie einen hohen Geist, ein äußerst angenehmes Betragen und große Kenntnisse in den Wissenschaften der damahligen Zeit. Allein jugendlicher Leichtsinn, Ehrgeitz, Heftigkeit und Unbeständigkeit verleiteten sie oft zu großen Fehlern; und Ausschweifungen in der Liebe, größten Theils durch eine unglückliche Heirath veranlaßt, stürzten sie ins äußerste Elend herab, das je eine Königin vor Marien Antoinetten von Frankreich erlitt. Ihre ganze Regierung, ja ihr ganzes Leben war eine ununterbrochene Kette von Widerwärtigkeiten. Sie wurde in der katholischen Lehre erzogen, und blieb ihr unaufhörlich treu. Im sechsten Jahre ihres Alters wurde sie während der unruhigen vormundschaftlichen Regierung an den Französischen Hof geschickt, und daselbst i. J. 1558 mit dem Dauphin vermählt, der im folgenden Jahre unter dem Namen Franz II. König von Frankreich ward, aber schon 1560 starb; worauf sie wieder in ihr Vaterland zurückkehrte, wo sie, ob sie gleich die hier ein-————
geführte protestantische Lehre bestätigte, dennoch durch die Beibehaltung des katholischen Glaubens für ihre Person vielen mißfällig ward. Als Elisabeth, welche eifrig protestantisch war, im J. 1558 die Regierung in England erhielt, war Maria mit ihren Ansprüchen auf die Krone, vermöge welcher sie nach Elisabeths Tode die einzige Erbin Englands war, schon jetzt hervorgetreten, und hatte diese als eine in den Bann gethane Ketzerin des Throns für verlustig erklärt; allein ohne Erfolg, denn sie mußte Elisabeth als rechtmäßige Königin erkennen. Dieses war ein Hauptgrund, daß sich zwischen beiden Königinnen eine unauslöschliche Feindschaft entspann, jedoch nicht der einzige. Da die eifrig katholisch gesinnte Maria die Katholiken in England unterstutzte und zu Empörungen reitzte, so fürchtete Elisabeth wenigstens nach ihrem Tode die völlige Unterdrückung des Protestantismus; sie half daher, um sich an Marien zu rächen, den Protestanten in Schottland aus nichtigen Rechtsgründen gegen ihre Königin, und Maria correspondirte indessen mit Englands Feinden. Noch kam bei Elisabeth eine geheime Triebfeder des Hasses dazu: sie war schön und gelehrt; aber Maria besaß beide Eigenschaften in einem höhern Grade, wodurch sich Elisabeths Ehrsucht aufs äußerste gekränkt sah, Zwar ließ sie die ersten Jahre nach Mariens Rückkehr in ihr Vaterland äußerlich gute Gesinnungen gegen
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dieselbe blikken; allein sie arbeitete ihr nicht nur stets in Geheim entgegen, sondern benutzte auch die nachherige unglückliche Katastrophe Mariens, sich ihr öffentlich als Feindin zu zeigen. Maria hatte sich aus Liebe zu den Ständen mit einem Stuart, Heinrich Darnley, vermählt, welcher nun den Titel König Heinrich annahm, fand ihn aber bald wegen mehrerer schlechter Eigenschaften ihrer Liebe unwerth, und pflog vertrauten Umgang mit ihrem Secretair Rizzio, einem ehemahligen Musiker. Ob dieser Umgang allzu vertraut gewesen, findet man wegen Rizzioʼs mehr häßlicher als einnehmender Gestalt zweifelhaft; auch beleidigte er jedermann durch seinen Stolz. Heinrich ließ denselben in Mariens Zimmer, wo sie mit ihm und einigen andern Personen zur Tafel saß, meuchelmörderisch umbringen (1566). Die Königin kochte Rache; sie entfernte ihren Gemahl aus ihrem Pallast in einen Winkel der Residenzstadt, und unterhielt unterdessen neue Intriguen mit einem gewissen Grafen von Bothwell, einem Manne, der viel Schlauheit besaß, aber eine sehr ausschweifende Lebensart geführt hatte und schon ziemlich bei Jahren war. Heinrich verfiel jetzt in eine Krankheit, die man beigebrachtem Gifte zuschrieb, und bezog ein Landhaus unweit Edinburg, wohin ihm Maria folgte. In der Nacht vom 10. Februar 1567. wo eben die Königin wegen einer Hochzeit, die sie ausrichtete, auswärts schlief, wurde dieses
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Landhaus in die Luft gesprengt; und der König kam jämmerlich dabei ums Leben. Jedermann hielt Bothwell und die Königin für die Urheber dieser That, und laut äußerte man seinen Unwillen darüber. Indeß hat Bothwell die Unschuld der Königin nachher eingestanden; und was zwingt uns zu glauben, daß der Niederträchtige diese That nicht allein ausgeführt habe? Als aber Maria Bothwelln gegen alle nicht ungegründete Beschuldigungen des Mords, die von jeder Seite auf ihn herzuströmten, in Schutz nahm, und sich sogar öffentlich mit ihm vermählte; so brach der Unwille des Volks in laute Empörung aus. Bothwell entkam, und floh endlich, nachdem er sich auf den Orkney-Inseln eine Zeit lang von Seeräuberei genährt hatte, nach Dänemark, wo er nach einer zehnjährigen Gefangenschaft des Verstandes beraubt starb. Maria mußte indeß die Krone an ihren einjährigen Sohn, Jacob VI. (der nachher unter dem Namen Jacobs I. den Englischen Thron bestieg) abtreten, und wurde als Mitschuldige am Tode des Königs zur Gefangenschaft verdammt. Mit Hülfe eines jungen Edelmanns, Namens Douglas, entkam sie zwar sehr bald aus dem Gefängnisse: sie brachte auch in kurzer Zeit mehrere Truppen zusammen, wurde aber (1568) bei Glosgow von dem Grafen Murray, der die Regentschaft führte und ihr Todtfeind war, geschlagen; worauf sie nach England floh und bei Elisabeth Schutz suchte, ohne
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zu ahnen, daß sie dort nach einer achtzehnjährigen Gefangenschaft ihr Leben auf dem Schaffot werde verbluten müssen. Elisabeth weigerte sich sie zu sprechen, ehe sie sich wegen des angeschuldigten Mords König Heinrichs gereinigt habe. Maria erklärte, sie wolle ihr Betragen bei der Königin rechtfertigen und sich der Entscheidung ihrer Freundin unterwerfen; allein Elisabeth mißbrauchte diese freundschaftlichen Aeußerungen und setzte ein förmliches Gericht nieder, vor welchem der Regent als Ankläger auftrat. Allein die Weigerungen von Mariens Sachwaltern, auf irgend etwas zu antworten, wodurch die Ehre der Königin beleidigt werden könnte, hob diese Untersuchung bald auf; und Maria wurde nun nach der Grafschaft Stafford in enge Verwahrung gebracht. Die Katholischen in England nahmen einen großen Antheil an ihrem traurigen Geschick; und von dieser Seite hatte Elisabeth in Ansehung der gefangenen Königin allerdings etwas zu befürchten. Es brachen auch wirklich von Zeit zu Zeit mehrere Verschwörungen aus, welche die Befreiung der Maria zur Absicht hatten; unter andern machte der Herzog von Norfolk, der sie heirathen wollte, gleich im Anfange ihrer Gefangenschaft einen Versuch, sie zu befreien. Freilich wurden aber auch sehr viele falsche Gerüchte ausgestreut, besonders von einem allgemeinen verabredeten Plan zur Ausrottung der Protestanten, am welchem
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Maria Theil haben sollte, welche dazu dienten, das Englische Volk immer mehr aufzubringen und die Lage der Maria, welche mit leeren Versprechungen einer baldigen Aenderung ihres Schicksals hingehalten wurde, zu verschlimmern. Mehrere Versuche, welche von Katholiken auf das Leben der Elisabeth gemacht wurden, veranlaßten den Parlamentsschluß 1585, »daß diejenige Person, durch oder für welche das Leben der Elisabeth in Gefahr gesetzt würde, der Thronfolge verlustigt sein und bis auf den Tod verfolgt werden solle.« Nun wurde 1586 die Verschwörung eines gewissen Babington entdeckt, welcher den Plan entworfen hatte, nach der Ermordung der Elisabeth die Schottische Königin auf den Thron zu setzen und die katholiche Religion wieder einzuführen. Da nun Maria an dieser Verschwörung, die durch einen Mitverschwornen entdeckt worden war, selbst Antheil haben sollte, so wurde sie sofort nach Fotheringay, einem festen Schlosse in Nordhamptonshire, abgeführt. Laut forderte jetzt das Volk ihren Tod; und Elisabeth sah diese Stimmung desselben mit Wohlgefallen. Es wurde ein Gericht von fünf und vierzig der Vornehmsten in England niedergesetzt, um ihr förmlich den Proceß zu machen; und ob sich gleich Maria anfangs weigerte, dieses Tribunal anzuerkennen, so erschien sie doch endlich, jedoch mit Vorbehaltung ihrer Souverainität. Die Anklage betraf bloß die letzte
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Verschwörung. Es wurden ihr mehrere Briefe, die sie an die Verschwornen geschrieben haben sollte, die Bekenntnisse, die diese auf der Folter gethan hatten, und die Aussagen Einiger von ihren Secretairen als Beweisstücke vorgelegt. Maria läugnete den Babington zu kennen; sie läugnete, daß diese Briefe von ihr geschrieben wären, und bat vergeblich, daß die Secretaire mit ihr confrontirt würden. Auch ist es nunmehr durch Whitaker, den neuesten Schriftsteller über diese Geschichte, völlig außer Zweifel gesetzt, daß die wichtigsten Actenstücke, deren man sich gegen sie bedient hat, unecht seien. – Nachdem das Verhör nur zwei Tage gedauert hatte, wurde Maria einer Verschwörung gegen das Leben der Elisabeth schuldig erklärt und zum Tode verurtheilt. An allen Europäischen Höfen machte dieser Vorfall ein außerordentliches Aufsehen; Jacob VI. der bisher sehr gleichgültig gegen das Schicksal seiner Mutter gewesen war, wurde dadurch so aufgebracht, daß er die heftigsten Drohungen gegen die Königin von England ausstieß, welche aber bei der Ohnmacht seiner Kräfte kein Gewicht hatten. Elisabeth unterschrieb das Todesurtheil, als man das Gerücht von neuen Verschwörungen verbreitete. Ihre geheimen Räthe sorgten nun dafür, daß es der Maria bekannt gemacht wurde, welche es mit Gelassenheit und unter Betheuerung ihrer Unschuld anhörte. Den Rest dieses Tages brachte sie mit An-
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ordnung ihrer Angelegenheiten und mit Briefschreiben zu. Nach dem rührendsten Abschiede von ihren Bedienten und unter anhaltendem Beten bestieg sie am folgenden Tage (d. 8. Febr. 1587) früh um 8 Uhr das Schaffot, welches in der Halle des Schlosses Fortheringay errichtet wurde, und empfing in ihrem 45. Jahre den Todesstreich. Elisabeth stellte sich bei der Nachricht von ihrer Hinrichtung ganz wüthend, und wollte glauben machen, daß alles ohne ihren Willen geschehen sei.
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Ansicht: Maria Stuart