Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Marat, Johann Paul
Johann Paul Marat. Dieser nichtswürdige Mensch verdient nur darum eine Erwähnung, weil es eben so wichtig ist die Ungeheuer zu kennen, welche die Menschheit erniedrigen, als sich durch die Betrachtung der Rechtschaffnen zu beleben, welche sie zieren. Marat redete und handelte gewöhnlich so toll und unsinnig, daß man zu seiner Entschuldigung die Meinung derer annehmen möchte, die ihn für verrückt hielten. Er war aus einem Dorfe unweit Neufchatel gebürtig, hatte medicinische und naturhistorische Wissenschaften studirt, und lebte in Paris und Versailles auf Unkosten derer, die zu seinen gar nicht wohlfeilen Heilungsmitteln Zutrauen hatten. Die Naturlehre glaubte er mit wichtigen Entdeckungen bereichert zu haben. Er buhlte mit neidischer Eitelkeit um einen Lobspruch der Akademie, war aber nie so glücklich, einen zu erhalten. Bei dem Ausbruche der Revolution verließ er die Laufbahn des Arztes, und suchte durch die Herausgabe von politischen Flugschriften seinen Unterhalt zu verdienen und Aufsehn zu machen: unter diesen wurde das periodische Blatt lʼami du peuple (der Volksfreund) am berüchtigsten und zog seinem Verfasser einige Mahl gerichtliche Anklagen zu; allein er war zu fest in dem Besitze der Volksgunst, als daß er sich dadurch hätte irre machen und auf bessere Gesinnungen bringen lassen————
sollen. Nachdem Petion Maire von Paris geworden war, konnte Marat unter seinem Schutz ganz ungehindert zum Mord und zur Plünderung auffordern und die Abschlagung von 300,000 Köpfen verlangen: niemand kam es in den Sinn, ihn über solche unerhörte Vorschläge zur Rechenschaft zu fordern; man hielt sie für verzweifelte Mittel der Nothwendigkeit, und die Meisten bedauerten bloß die Unmöglichkeit ihrer Ausführung. An der Verbreitung der Septemberscenen hatte Marat sehr thätigen Antheil, und pries die durch die Mörder begangenen Frevel und Grausamkeiten als edle Rache eines beleidigten und tief gekränkten Volks. Man sieht leicht ein, wie angenehm dieser Mann den Jacobinern sein mußte, ob er gleich zuweilen den Royalismus zu Gunsten Orleans vertheidigt und einmahl sogar öffentlich einen Dictator für Frankreich verlangt hatte. Auf der Rednerbühne nahm sich Marat, wo möglich, noch schlechter aus als Carrier: seine körperliche Bildung war der Niedrigkeit seines Charakters vollkommen angemessen; er war ein kleines, übel gebautes Geschöpf mit graugelben Augen und einer krächzenden Stimme. Gewöhnlich ging er in schmutzigen und zerrißnen Kleidern einher; aber bei der Verdammung des Königs zum Tode glaubte er etwas feierlicher erscheinen zu müssen, um seine Freude über diese Begebenheit öffentlich an den Tag zu legen. Sinnliche Ausschweifungen
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hatten ihn schon an den Rand des Grabes gebracht, als ihn die bekannte Charlotte Corday (m. s d. Art.) am 17. Jul. 1793 ermordete. Seinen Gebeinen wurde das Pantheon damahls zuerkannt; aber zum Triumph der wiederkehrenden Vernunft wurden sie im Anfange des Jahres 1795 wieder heraus geschafft, und seitdem deckt Schmach und Verachtung das Andenken dieses ehemahligen Revolutionshelden.
Johann Paul Marat. Dieser nichtswürdige Mensch verdient nur darum eine Erwähnung, weil es eben so wichtig ist die Ungeheuer zu kennen, welche die Menschheit erniedrigen, als sich durch die Betrachtung der Rechtschaffnen zu beleben, welche sie zieren. Marat redete und handelte gewöhnlich so toll und unsinnig, daß man zu seiner Entschuldigung die Meinung derer annehmen möchte, die ihn für verrückt hielten. Er war aus einem Dorfe unweit Neufchatel gebürtig, hatte medicinische und naturhistorische Wissenschaften studirt, und lebte in Paris und Versailles auf Unkosten derer, die zu seinen gar nicht wohlfeilen Heilungsmitteln Zutrauen hatten. Die Naturlehre glaubte er mit wichtigen Entdeckungen bereichert zu haben. Er buhlte mit neidischer Eitelkeit um einen Lobspruch der Akademie, war aber nie so glücklich, einen zu erhalten. Bei dem Ausbruche der Revolution verließ er die Laufbahn des Arztes, und suchte durch die Herausgabe von politischen Flugschriften seinen Unterhalt zu verdienen und Aufsehn zu machen: unter diesen wurde das periodische Blatt lʼami du peuple (der Volksfreund) am berüchtigsten und zog seinem Verfasser einige Mahl gerichtliche Anklagen zu; allein er war zu fest in dem Besitze der Volksgunst, als daß er sich dadurch hätte irre machen und auf bessere Gesinnungen bringen lassen————
sollen. Nachdem Petion Maire von Paris geworden war, konnte Marat unter seinem Schutz ganz ungehindert zum Mord und zur Plünderung auffordern und die Abschlagung von 300,000 Köpfen verlangen: niemand kam es in den Sinn, ihn über solche unerhörte Vorschläge zur Rechenschaft zu fordern; man hielt sie für verzweifelte Mittel der Nothwendigkeit, und die Meisten bedauerten bloß die Unmöglichkeit ihrer Ausführung. An der Verbreitung der Septemberscenen hatte Marat sehr thätigen Antheil, und pries die durch die Mörder begangenen Frevel und Grausamkeiten als edle Rache eines beleidigten und tief gekränkten Volks. Man sieht leicht ein, wie angenehm dieser Mann den Jacobinern sein mußte, ob er gleich zuweilen den Royalismus zu Gunsten Orleans vertheidigt und einmahl sogar öffentlich einen Dictator für Frankreich verlangt hatte. Auf der Rednerbühne nahm sich Marat, wo möglich, noch schlechter aus als Carrier: seine körperliche Bildung war der Niedrigkeit seines Charakters vollkommen angemessen; er war ein kleines, übel gebautes Geschöpf mit graugelben Augen und einer krächzenden Stimme. Gewöhnlich ging er in schmutzigen und zerrißnen Kleidern einher; aber bei der Verdammung des Königs zum Tode glaubte er etwas feierlicher erscheinen zu müssen, um seine Freude über diese Begebenheit öffentlich an den Tag zu legen. Sinnliche Ausschweifungen
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hatten ihn schon an den Rand des Grabes gebracht, als ihn die bekannte Charlotte Corday (m. s d. Art.) am 17. Jul. 1793 ermordete. Seinen Gebeinen wurde das Pantheon damahls zuerkannt; aber zum Triumph der wiederkehrenden Vernunft wurden sie im Anfange des Jahres 1795 wieder heraus geschafft, und seitdem deckt Schmach und Verachtung das Andenken dieses ehemahligen Revolutionshelden.