Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Mainzer Clubisten, Die
Die Mainzer Clubisten gehörten zu den ersten und eifrigsten Freiheitspredigern in Deutschland. Man sah unter ihnen Männer aus verschiedenen Ständen, welche sich schwerlich so brüderlich vertragen haben würden, wenn nicht die Ideen der Freiheit und Gleichheit, die sich ihrer auf eine schwärmerische Art bemächtigt hatten, das Andenken an ihren vorigen Stand vertilgt und sie alle unter dem gemeinschaftlichen Panier des Jacobinismus vereinigt hätten. Durch Cüstineʼs Einfall in Mainz wurde der Revolutionsgeist in den Deutschen Landen am Rhein zuerst in Thätigkeit gesetzt. Einer der ersten, welcher alle seine Kräfte aufbot, um Cüstineʼs prahlerischen Freiheitsversprechungen Eingang zu verschaffen, war Georg Wilhelm Böhmer, Professor und protestantischer Geistlicher zu Worms. Dieser Mann empfand eine so tiefe Hochachtung für Cüstine, daß er seine akademische Lehrstelle niederlegte und ihm als Secretair folgte. Cüstüine zog von seinen mannigfaltigen Kenntnissen große Vortheile, und ertheilte ihm deßwegen in den Berichten, die er nach Paris schickte, ungemeine Lobsprüche. Am 23. Oct. 1792 wurde in Mainz der Club der Freunde der Freiheit und Gleichheit feierlich eröffnet. Seiner innern Einrichtung nach glich er durchgängig dem Pariser Jacobinerclub, mit dem er sich auch am 3. Dec. 1792 verbrüderte. Unter die vorzüglich-————
sten Mitglieder desselben gehörten folgende Männer, unter denen sich einige als Schriftsteller und Gelehrte vormahls rühmlichst bekannt gemacht hatten: die Professoren in Mainz, Metternich, Westhofen, Hoffmann und Blau, der churfürstliche Leibarzt George Wedekind (den Cüstine zum Feldarzt mit 2000 Gulden jährlichen Gehalt berief) der churfürstl. Bibliothekar George Forster, und Anton Joseph Dorsch, der ehemahls katholischer Priester und Professor in Mainz gewesen, allein nach dem Ausbruche der Revolution nach Frankreich ausgewandert und in Straßburg Kommissair der Gesellschaft der Constitutions-Freunde geworden war. Unter diesen Männer trieb keiner seinen Haß gegen die vorige churfürstliche Regierung in Mainz so weit und erlaubte sich so viele persönliche Anzüglichkeiten gegen den abwesenden Churfürsten, als Georg Forster (man vergl. diesen Art.). Cüstine überließ den Clubisten die Einrichtung der provisorischen Regierung des Mainzer Landes; und sie suchten es dahin zu bringen, daß die bisher bestandene Verfassung aufgehoben und ein National-Convent zusammenberufen werden möchte. Um den Willen der Einwohner zu erfahren, brachte Böhmer am 6 Nov. 1792 ein rothes und ein schwarzes Buch in den Club, und verlangte, daß alle Bürger angehalten werden sollten, ihre Namen in eins dieser Bücher zu schreiben, je nachdem sie für die neue Französische oder
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ehemahlige churfürstliche Regierung stimmen würden. Allein der größte Theil der Einwohner erklärte sich für die alte Verfassung; und die Clubisten konnten es weder durch Drohungen noch durch offenbare Gewalt so weit bringen, daß alle Bürger den Eid der Freiheit und Gleichheit geschworen hätten. Am 13. Januar 1793 wurde zwar ein Freiheitsbaum mit großem Gepränge aufgepflanzt, aber die Zahl der dabei anwesenden Bürger war sehr gering. Die Clubisten brachten es endlich doch so weit, daß in Mainz ein National-Convent errichtet wurde, wozu der ganze Strich Landes von Bingen bis Landau Abgeordnete schicken sollte. Es erschienen aber nur wenige, und der ganze Convent war von kurzer Dauer; am 17. März 1793 war er eröffnet worden, und schon in dem darauf folgenden Monath wurde er aufgehoben, weil sich die Preußischen Heere näherten, um Mainz zu belagern. Cüstine verließ bekanntlich um diese Zeit Mainz, und zog sich mit einer Abtheilung seiner Armee nach Landau zurück; mehrere Clubisten folgten ihm, geriethen aber den Preußen in die Hände, die sie über Frankfurt nach der Festung Königstein abführen ließen. Auf diesem Marsch wurden die Clubisten von den Einwohnern der Städte und Dörfer empfindlich verhöhnt und gemißhandelt. Man hielt sie für Verräther und Nichtswürdige, welche mit dem Feinde gemeinschaftliche Sache gemacht hätten, um sich
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ihrer rechtmäßigen Obrigkeit entziehen und überall Unheil anstiften zu konnen. In Worms wurden die gefangenen Clubisten ohne Unterschied des Standes und der Aemter, die sie ehedem bekleidet hatten, genöthigt, das Schloß und die Straßen zu reinigen; wer zu dieser ekelhaften Beschäftigung nicht freiwillig erschien, der wurde in Fesseln dazu geschleppt. Den angesehensten Mainzer Clubisten war es aber doch geglückt, nach Frankreich zu entwischen. Forster und Luchs, ein ehemahliger Gelehrter und nachher Pachter zu Kostheim, befanden sich bei der Deputation des Rheinisch-Deutschen National-Convents, welche nach Paris ging, um die Einverleibung mit Frankreich zu bewirken. Forster starb am 11. Januar 1794 zu Paris aus Gram; Luchs wurde eben daselbst am 4. November 1793 guillotinirt, weil er sich als einen warmen Vertheidiger der Charlotte Corday gezeigt hatte. Blau und Dorsch befinden sich gegenwärtig noch in Paris, und sind in dem Büreaux für die Fremden angestellt. Hoffmann sitzt im Büreaux der Polizei, und ist darin einer der besten Arbeiter. Böhmer hat unlängst eine Broschüre über die Rheingränze der Französischen Republik herausgegeben. Alle drei gaben gemeinschaftlich eine Deutsche Zeitung, der Pariser Zuschauer, heraus; allein sie hörte auf, sobald Böhmer als Civil- und Criminal-Richter in Luxemburg angestellt wurde. (Man vergl. den Art.
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Club.)
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