Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Kuhblattern, Die
Die Kuhblattern, Kuhpocken, Schutzpocken, (engl. Cow Pox, ital. vaccine etc.) – Jahrhunderte hindurch hatten nun schon die Pocken, diese scheußlichste der Krankheiten, und zwar seit 1572 auch bei uns, wie Furien gewüthet, und Menschen nicht blos in Masse dahin gerafft, sondern auch aufs schändlichste verunstaltet. Nur erst der letzten Hälfte des verflossenen Jahrhunderts war es vorbehalten, einen wichtigen Schritt zur Ausrottung dieses schrecklichen Uebels zu thun. Seit einer Reihe von Jahren beobachtete man an den Eutern der Kühe in England einen, den Blattern ähnlichen, Ausschlag, dessen Eiter bei Menschen, auf von der Oberhaut entblößte Stellen gebracht, ähnliche Blattern bewirkte. Ein halbes Säculum nachher, im Anfang der Neunziger des 18. Jahrhunderts, zog diese Begebenheit die Aufmerksamkeit vieler Aerzte, besonders des Doct. Jenners, auf sich. Nemlich Eduard Jenner, Erfinder der Kuhpockenimpfung, Arzt zu Berkley in Glocestershire in England, untersuchte diese Krankheit bei den Kühen, und bei den Menschen durch zufällige Ansteckung entstanden, genau. Hierauf impfte er Menschen, die theils kürzlich, theils vor 15, 20 und mehreren Jahren die Kuhblattern gehabt hatten, den Eiter von Menschenblattern ein, und keiner bekam sie. Um von der Güte des Menschenblatterneiters überzeugt zu sein, impfte er
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andere, welche die Kuhblattern nicht gehabt, und diese bekamen allerdings die Blattern. Bald waren mehrere, ja bis 15 tausend Personen jedes Geschlechts und Alters geimpft. Bei 5000 wurde die Impfung der Kinderblattern, aber vergebens und ohne alle Wirkung, versucht. Durch Ballhorn und Hoschirurgus Strohmeyer in Hannover kam das erste Kuhblatterngift nach Deutschland, und in Hannover wurde mit glücklichem Erfolge geimpft. Von hier aus zog sie Doct. Heineke nach Halberstadt, worauf sich die Einimpfung immer mehr, mit vielem guten Erfolg, verbreitete.
Nachdem nun Jenner, der in der Folge blos mit Beobachtungen über den Verlauf dieser Krankheit, auch in andern Gegenden, sich beschäftigte, durch sein Buch über die Kuhblattern die Aufmerksamkeit des Publikums gereizt hatte, machte auch sein Freund, D. Woodwille (spr. Wuhdwill), bei dem Impfungs- Hospital zu London 1799 die ersten großen Versuche. Die große Schwierigkeit, Kuhblattergift zu erhalten, erledigte sich dadurch, daß die Kuhblattern in einem Stalle epidemisch wurden, und hier nahm Woodwille in Gegenwart vieler Aerzte und Naturforscher die Materie von dem inficirten Vieh und impfte 200 Personen damit, welche gut durchkamen. – Viel wurde über die Sache satyrisirt, gespöttelt, gestritten u. s. f., allein die Sache selbst hat doch einen großen wohlthäti-
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gen Einfluß, und es bedarf jetzt wohl keines Zweifels, daß durch die Invculation die vielen schrecklichen Folgen, die die Menschenblattern nach sich ziehen, aufgehoben werden. Denn daß die Kuhblattern dem Leben nicht gefährlich sind, keine Verunstaltungen nach sich ziehen, – nicht durch Ausdünstung, sondern nur durch unmittelbare Berührung des Eiters auf Stellen, von der Oberhaut entblößt, gebracht anstecken, – ist durch tausendfache Beobachtungen dargethan. Die Erfahrung hat ferner bewiesen, daß das Eiter von gutartigen Kinderblattern, die zuvor durch Kuhblattermaterie erregt worden sind, die Stelle der wirklich englischen Schutzblattermaterie, von den Eutern der Kühe erhalten, völlig vertritt. Daher man sich auch jetzt häufig dieser bedient. Nach und nach hat sich die Impfung in mehrere Welttheile verbreitet, welches durch Briefe aus den entferntesten Gegenden bestätiget worden ist. – In Frankreich erklärte zwar ein Pariser Arzt Baume sich am heftigsten darwider; allein der günstige Erfolg der Impfung durch die Versuche, welche Woodwille mit der Kuhpocken, Materie erst in Boulogne und dann in Paris machte, sprachen zu laut wider alle Anfechtungen. Ein gleiches war denn auch der Fall in Deutschland, wo auch schon wohl ein halb Jahrhundert vorher die Einimpfung der wirklichen Pocken Wurzel faßte; und man zählte nach einer zuverlässigen Berechnung im Jahr 1806 in Bay-
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ern auf 20,000, in Böhmen 13,500, in Ober- und Unteröstreich 45,000, in Schweden 25,000, in Dänemark an 20,000 Kinder, welchen die Schutzblattern eingeimpft worden waren. In Italien wurde diese wohlthärige Erfindung, da die Prinzessin von Lucca selbst an ihrem Kinde das erste Beispiel gab, schnell verbreitet. – In Asien sollen, nach einer Angabe des Doct. Carro, im Jahre 1806 auf 880,000 Kinder vaccinirt worden sein.
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andere, welche die Kuhblattern nicht gehabt, und diese bekamen allerdings die Blattern. Bald waren mehrere, ja bis 15 tausend Personen jedes Geschlechts und Alters geimpft. Bei 5000 wurde die Impfung der Kinderblattern, aber vergebens und ohne alle Wirkung, versucht. Durch Ballhorn und Hoschirurgus Strohmeyer in Hannover kam das erste Kuhblatterngift nach Deutschland, und in Hannover wurde mit glücklichem Erfolge geimpft. Von hier aus zog sie Doct. Heineke nach Halberstadt, worauf sich die Einimpfung immer mehr, mit vielem guten Erfolg, verbreitete.
Nachdem nun Jenner, der in der Folge blos mit Beobachtungen über den Verlauf dieser Krankheit, auch in andern Gegenden, sich beschäftigte, durch sein Buch über die Kuhblattern die Aufmerksamkeit des Publikums gereizt hatte, machte auch sein Freund, D. Woodwille (spr. Wuhdwill), bei dem Impfungs- Hospital zu London 1799 die ersten großen Versuche. Die große Schwierigkeit, Kuhblattergift zu erhalten, erledigte sich dadurch, daß die Kuhblattern in einem Stalle epidemisch wurden, und hier nahm Woodwille in Gegenwart vieler Aerzte und Naturforscher die Materie von dem inficirten Vieh und impfte 200 Personen damit, welche gut durchkamen. – Viel wurde über die Sache satyrisirt, gespöttelt, gestritten u. s. f., allein die Sache selbst hat doch einen großen wohlthäti-
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gen Einfluß, und es bedarf jetzt wohl keines Zweifels, daß durch die Invculation die vielen schrecklichen Folgen, die die Menschenblattern nach sich ziehen, aufgehoben werden. Denn daß die Kuhblattern dem Leben nicht gefährlich sind, keine Verunstaltungen nach sich ziehen, – nicht durch Ausdünstung, sondern nur durch unmittelbare Berührung des Eiters auf Stellen, von der Oberhaut entblößt, gebracht anstecken, – ist durch tausendfache Beobachtungen dargethan. Die Erfahrung hat ferner bewiesen, daß das Eiter von gutartigen Kinderblattern, die zuvor durch Kuhblattermaterie erregt worden sind, die Stelle der wirklich englischen Schutzblattermaterie, von den Eutern der Kühe erhalten, völlig vertritt. Daher man sich auch jetzt häufig dieser bedient. Nach und nach hat sich die Impfung in mehrere Welttheile verbreitet, welches durch Briefe aus den entferntesten Gegenden bestätiget worden ist. – In Frankreich erklärte zwar ein Pariser Arzt Baume sich am heftigsten darwider; allein der günstige Erfolg der Impfung durch die Versuche, welche Woodwille mit der Kuhpocken, Materie erst in Boulogne und dann in Paris machte, sprachen zu laut wider alle Anfechtungen. Ein gleiches war denn auch der Fall in Deutschland, wo auch schon wohl ein halb Jahrhundert vorher die Einimpfung der wirklichen Pocken Wurzel faßte; und man zählte nach einer zuverlässigen Berechnung im Jahr 1806 in Bay-
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ern auf 20,000, in Böhmen 13,500, in Ober- und Unteröstreich 45,000, in Schweden 25,000, in Dänemark an 20,000 Kinder, welchen die Schutzblattern eingeimpft worden waren. In Italien wurde diese wohlthärige Erfindung, da die Prinzessin von Lucca selbst an ihrem Kinde das erste Beispiel gab, schnell verbreitet. – In Asien sollen, nach einer Angabe des Doct. Carro, im Jahre 1806 auf 880,000 Kinder vaccinirt worden sein.