Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Karillon, Das
Das Karillon (spr. Karilliong), Glockenspiel, ohne Zweifel eine gothische Erfindung (gemeiniglich setzt man die erste Verfertigung desselben zu Alost in Flandern ins Jahr 1487), steht vorzüglich in den Niederlanden in sehr großem Ansehen. Es giebt deren mancherlei Gattungen: sie sind zum Theil mit Walzen, und fangen nach abgemessener Zeit von selbst, wie die Uhren, an, zu spielen, da sie denn Tag und Nacht jede Stunde, ja wohl gar alle Viertelstunden, zwei, drei, vier Monate hindurch ein und eben dasselbe Stück hören lassen: – eine Unterhaltung, die besonders an größern Orten, wie z. B. in Amsterdam, gar oft äußerst lästig wird, da auf den meisten Kirchen sich solche Glockenspiele befinden, die in jeder Viertelstunde dasselbe Stück wiederholen, und wo dann bei der Verschiedenheit der Uhren das Ohr binnen 24 Stunden kaum 5 Minuten lang vor diesem Spielwerk Ruhe hat. Zum Theil aber haben sie auch eine Art Tangenten, welche die Glocken (eben so wie beim Flügel die Saiten) berühren. Diese letzte Art von Glockenspielen, welche die ganze Scale ganzer und halber Töne enthalten, wird von einem besondern Glockenspieler (Carillonneur), und zwar mit der Faust geschlagen, der einen ledernen Ueberzug über den Finger an jeder Hand hat, weil er sonst unmöglich die Schläge auf jede Taste mit der gehörigen————
Stärke thun könnte, um von der ganzen Stadt gehört zu werden Doch besitzen diese Carillonneurs, oder Kampanisten, wie sie auch heißen, ungeachtet der Schwere in der Behandlungsart, mitunter große Fertigkeit, indem sie dreistimmige Sätze recht gut ausführen, ja auch Läufer, Triller und sogar Arpeggios herausbringen. Die Niederländer legen einen großen Werth auf diese Glockenspiele, und die Einwohner einer jeden Stadt suchen eine besondere Ehre darinnen, einem jeden Fremden zu erzählen, daß ihr Glockenspiel und ihr Carillonneur besser sei, als alle übrigen. Burney erzählt sogar einen großen Wettkampf, der zu Löwen von einem Carillonneur, Namens Scheppen, mit einem der stärksten Violinspieler dasiger Gegend angestellt wurde, wo er denn eines der schwersten Solos, die dieser für sein Instrument, die Violine, gesetzt hatte, auf den Glocken dergestalt ausführte, daß er die Wette gewann. Einer der berühmtesten der Art ist auch Potthof, Organist an der alten Kirche und Kampanist auf dem Rathhausthurme zu Amsterdam, der, obgleich seit seinem 7. Jahre blind, doch schon im 31. Jahre diese Stelle erhielt, und in der Folge sein Werk, wovon jede Taste, um sie niederzudrücken, ein Gewicht von zwei Pfund erforderte, mit einer Leichtigkeit, gleich als auf einem Flügel, behandelte und sich vor Burney im Jahre 1772 mit einigen Fugen darauf hören ließ.
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Noch verdient ein anderes, der Harmonika ähnliches Instrument, das auch den Namen Karillon führt, hier Erwähnung. Es wurde dies im Jahr 1740 auf Kosten des Grafen von Brühl in Dresden von den Tonkünstlern Kummer und Petzig (nachher zu Berlin) aus porcellanenen Bechern und Schaalen, welche in Meißen gefertiget wurden, zusammengesetzt. Sie machten vier volle Octaven aus und wurden mit 6 Zoll langen hölzernen, mit Scharlach überzogenen Stäbchen geschlagen. Leider ward dies kostbare Instrument bei einem Brande zu Stade (1767) ein Raub der Flammen!
Das Karillon (spr. Karilliong), Glockenspiel, ohne Zweifel eine gothische Erfindung (gemeiniglich setzt man die erste Verfertigung desselben zu Alost in Flandern ins Jahr 1487), steht vorzüglich in den Niederlanden in sehr großem Ansehen. Es giebt deren mancherlei Gattungen: sie sind zum Theil mit Walzen, und fangen nach abgemessener Zeit von selbst, wie die Uhren, an, zu spielen, da sie denn Tag und Nacht jede Stunde, ja wohl gar alle Viertelstunden, zwei, drei, vier Monate hindurch ein und eben dasselbe Stück hören lassen: – eine Unterhaltung, die besonders an größern Orten, wie z. B. in Amsterdam, gar oft äußerst lästig wird, da auf den meisten Kirchen sich solche Glockenspiele befinden, die in jeder Viertelstunde dasselbe Stück wiederholen, und wo dann bei der Verschiedenheit der Uhren das Ohr binnen 24 Stunden kaum 5 Minuten lang vor diesem Spielwerk Ruhe hat. Zum Theil aber haben sie auch eine Art Tangenten, welche die Glocken (eben so wie beim Flügel die Saiten) berühren. Diese letzte Art von Glockenspielen, welche die ganze Scale ganzer und halber Töne enthalten, wird von einem besondern Glockenspieler (Carillonneur), und zwar mit der Faust geschlagen, der einen ledernen Ueberzug über den Finger an jeder Hand hat, weil er sonst unmöglich die Schläge auf jede Taste mit der gehörigen————
Stärke thun könnte, um von der ganzen Stadt gehört zu werden Doch besitzen diese Carillonneurs, oder Kampanisten, wie sie auch heißen, ungeachtet der Schwere in der Behandlungsart, mitunter große Fertigkeit, indem sie dreistimmige Sätze recht gut ausführen, ja auch Läufer, Triller und sogar Arpeggios herausbringen. Die Niederländer legen einen großen Werth auf diese Glockenspiele, und die Einwohner einer jeden Stadt suchen eine besondere Ehre darinnen, einem jeden Fremden zu erzählen, daß ihr Glockenspiel und ihr Carillonneur besser sei, als alle übrigen. Burney erzählt sogar einen großen Wettkampf, der zu Löwen von einem Carillonneur, Namens Scheppen, mit einem der stärksten Violinspieler dasiger Gegend angestellt wurde, wo er denn eines der schwersten Solos, die dieser für sein Instrument, die Violine, gesetzt hatte, auf den Glocken dergestalt ausführte, daß er die Wette gewann. Einer der berühmtesten der Art ist auch Potthof, Organist an der alten Kirche und Kampanist auf dem Rathhausthurme zu Amsterdam, der, obgleich seit seinem 7. Jahre blind, doch schon im 31. Jahre diese Stelle erhielt, und in der Folge sein Werk, wovon jede Taste, um sie niederzudrücken, ein Gewicht von zwei Pfund erforderte, mit einer Leichtigkeit, gleich als auf einem Flügel, behandelte und sich vor Burney im Jahre 1772 mit einigen Fugen darauf hören ließ.
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Noch verdient ein anderes, der Harmonika ähnliches Instrument, das auch den Namen Karillon führt, hier Erwähnung. Es wurde dies im Jahr 1740 auf Kosten des Grafen von Brühl in Dresden von den Tonkünstlern Kummer und Petzig (nachher zu Berlin) aus porcellanenen Bechern und Schaalen, welche in Meißen gefertiget wurden, zusammengesetzt. Sie machten vier volle Octaven aus und wurden mit 6 Zoll langen hölzernen, mit Scharlach überzogenen Stäbchen geschlagen. Leider ward dies kostbare Instrument bei einem Brande zu Stade (1767) ein Raub der Flammen!