Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Howard, John
John Howard, (sprich Hauerd) einer der edelsten und thätigsten Menschenfreunde unsers Jahrhunderts, welcher sein ganzes Leben mit dem unermüdetsten Eifer der Verringerung des menschlichen Elends widmete, wurde 1725 zu Lower Clapton in der Englischaft Grafschaft Middleser geboren. Er erlernte anfänglich auf Antrieb seines Vaters die Handlung, verließ sie aber, als er durch dessen frühzeitigen Tod in den Besitz eines sehr ansehnlichen Vermögens gesetzt wurde. Er studirte zu seinem Vergnügen Physik, besonders Medicin, und erleichterte schon als Jüngling durch Geld und andere Unterstützung die Noth seiner Mitbürger so sehr, als es sein kleiner Wirkungskreis nur immer zuließ. Die Begierde, das von dem bekannten fürchterlichen Erdbeben zerstörte Lissabon zu sehen, bewog ihn 1756 zu einer Reise dahin; sein Schiff fiel einem Französischen Kaper in die Hände, und er mußte einige Monathe lang zu Brest und Cadir als Gefangener in den abscheulichsten Kerkern schmachten. Nach seiner Zurückkunft faßte er den originellen und von der reinsten Menschenliebe geleiteten Entschluß, über Gefängnisse und Gefangenpflege in allen Staaten Europens sich durch eigne Erfahrungen zu belehren, und seine Beobachtungen nebst den Mitteln zur Verbesserung des Schicksals der Eingekerkerten der Welt bekannt zu machen. Nachdem er————
durch Vorstellungen bei dem Parlamente die Englischen Gefängnisse aufs vortrefflichste verbessert, und zum Theil die Freilassung, wenigstens die Erhaltung der Gesundheit und Moralität der Gefangenen bewirkt hatte, unternahm er von 1775 an 11 Jahre lang mehrere Reisen durch Frankreich, Spanien, Portugal, die Schweiz, die Niederlande, Deutschland, Dänemark, Schweden, Rußland und Pohlen, besuchte überall die Gefängnisse, und machte sich mit ihrem Zustande aufs genaueste bekannt. Er erbot sich einst, da er die Gefangenzimmer der Inquisition zu Madrid nicht zu sehen bekommen konnte, selbst einen Monath daselbst eingekerkert zu bleiben, um seine edle Wißbegierde zu befriedigen, erhielt aber abschlägliche Antwort. Nach seiner Rückkehr theilte er die Resultate seiner Bemerkungen dem Publicum in einer vortrefflichen mehrmahls aufgelegten Schrift, über die Englischen und ausländischen Gefängnisse und Zuchthäuser, in Englischer Sprache mit (Deutsch, im Auszuge, mit Anmerkungen, von Köster, Leipzig 1780. 8.), und bewirkte dadurch in vielen Europäischen Staaten, besonders in Deutschland, die Errettung Tausender, die außerdem in den schrecklichsten Kerkern verschmachtet oder an Geist und Herzen verdorben worden wären. Nicht zufrieden, sich auf diese Art unsterblich verdient gemacht zu haben, schuf er einen andern eben so edlen Plan. Er beschloß nehmlich,
————
Pest und Kerkerfieber in den Europäischen Staaten so viel als möglich auszurotten, besuchte daher auf einer neuen Reise die Pesthäuser und Läzarethe in Frankreich, Italien und der Türkei theils als Arzt, theils als Privatmann; er schonte weder Geld noch Mühe, um sich befriedigende Kenntnisse von dem Zustande dieser Anstalten zu verschaffen, half den Kranken so sehr als es in seinen Kräften stand, und setzte sich nicht selten der Gefahr aus, von den tödtlichsten Seuchen angesteckt zu werden. Nachdem er in sein Vaterland zurückgekehrt war, lieferte er eine ungemein schätzbare Schrift über die vorzüglichsten Lazarethe in Europa, und wagte sogar noch eine Reise in gleicher Absicht; er wollte nicht nur Europa sondern selbst Asien durchreisen, um die Pest ganz kennen zu lernen. Er verließ daher 1789 im Sommer sein Vaterland, und – – sah es nicht wieder! denn in Cherson in der Krim wurde er ein Opfer seines rastlosen Eifers. Er besuchte hier als Arzt ein Frauenzimmer, das an einem epidemischen Fieber krank lag, wurde angesteckt und starb den 20. Januar 1790. Das merkwürdige Leben dieses edlen und in seiner Art einzigen Märtyrers für Menschenwohl hat unter andern sein Freund Aikin in Englischer Sprache beschrieben, und wir haben davon Leipzig 1792 eine Deutsche Uebersetzung erhalten.
Sie können einen Link zu dem Wort setzen

Ansicht: Howard, John