Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Hessen, Die Landgrafschaft
Die Landgrafschaft Hessen, eine Landschaft im Oberrheinischen Kreise, welche hin und wieder bergig auch sandig ist, jedoch mehrere fruchtbare Thäler besitzt, und in Ober- und Niederhessen (das erstere ist der südliche, das zweite der nördliche Theil) eingetheilt wird. Dieses Land, dessen älteste Einwohner die Katten sind, an deren Stelle nachher die Hessen traten, ist seit den ältesten Zeiten wegen der Tapferkeit seiner Einwohner berühmt (ein Ruhm, den es bis auf den heutigen Tag behauptet); und seine Fürsten gehören unter die wichtigsten Deutschen Reichsstände. Vorzüglich hat sich unter den Hessischen Fürsten Philipp der Großmüthige ausgezeichnet (s. dies. Art.), welcher ganz Hessen wieder vereinigte und der Stifter des ganzen jetzigen Hauses ist. Es theilt sich das Haus Hessen jetzt in zwei regierende Häuser, in Hessen-Cassel und Hessen-Darmstadt. Außer diesen giebt es noch drei abgefundene Hessische Linien, die Philippthalische, die Rheinfelsische oder Rothenburgische, und die Homburgische, wovon die letztere eine Nebenlinie von Darmstadt ist, die beiden erstern Nebenlinien von Cassel sind, und welche verglichene Rechte, aber keine Landeshoheit, haben. I. Zu Hessen-Cassel gehört Niederhessen (hier ist Cassel) mit dem Fürstenthum Hirsfeld, worin die Philippthalische Linie das Schloß Philippsthal besitzt; von Oberhes-————
sen das ehemahls so genannte Land oder die Grafschaft an der Lahn (hier ist Marpurg); die niedere Grafschaft Katzenellbogen (welche nebst einem Theil der Herrschaft Plesse die Hessen-Rheinfels Rothenburgische Linie unter Hessen-Casselscher Hoheit besitzt, und wo die Bäder Schwalbach und Schlangenbad sind); ferner, im Oberrheinischen Kreise die Grafschaft Hanau-Münzenberg (hier ist die schöne Stadt Hanau und das berühmte Wilhelmsbad); im Fränkischen die Herrschaft Schmalkalden, und im Westphälischen der größte Theil der Grafschaft Schaumburg (wo Rinteln liegt). Alle diese Lande, welche zusammen einen Flächeninhalt von ungefähr 260 geographischen Quadratmeilen ausmachen, hatten i. J. 1789 450,890 Einwohner. Sie liegen an verschiedenen großen und schiffbaren Flüssen, durch welche die meisten Landschaften, welche übrigens zu zerstreut aus einander liegen und in Kriegszeiten schwer zu decken sind, eine sehr gute Communication sowohl unter sich als mit den Benachbarten haben. Auch sind die Landstraßen sehr gut, welches dem sehr beträchtlichen Landtransito sehr zu Staaten kommt. Ein großer Theil der Hessen-Casselschen Länder ist bergig, und hat im Ganzen genommen keine vorzügliche Fruchtbarkeit, aber vortreffliche Gegenden. Mineralien und Holz gehören unter die Hauptproducte der Hessischen Länder. Der Ackerbau könnte durch ver-
————
mehrte Bevölkerung und Erleichterung der Bewohner des platten Landes von den schweren Abgaben sehr gehoben werden; auch das Manufacturwesen ist sehr zurück. Ueberhaupt bedarf Hessen-Cassel einer weisen Pflege, welches den Schaden vom dreißigjährigen Kriege noch nicht verblutet, durch den siebenjährigen und den Amerikanischen Krieg (in welchem letztern so viele Mannschaft in Englischen Sold gegeben wurde) von neuen gelitten hat, und unter vielen und schweren Abgaben leidet. Die sämmtlichen Einkünfte von Hessen-Cassel betragen nach Einigen 2,100,000 Rthlr. nach Andern 2,700,000 Gulden Rheinisch; und der jetzt regierende Landgraf, Wilhelm IX. (dessen Vater Friedrich II. bei seinem Tode, ungeachtet der großen Ausgaben, die er auf prächtige Anlagen, Künste und Wissenschaften verwendet hat, einen Schatz von 56 Millionen Gulden hinterlassen haben soll), ist gewiß einer der reichsten Fürsten in Deutschland. II. Hessen-Darmstadt besitzt den größten Theil von Oberhessen (worin Gießen) mit der einverleibten Grafschaft Nidda und Herrschaft Itter, die obere Grafschaft Katzenellbogen (worin Darmstadt) und die Herrschaft Hanau-Lichtenberg (die aber größten Theils im obern Elsaß liegt). – Unter Hessen-Darmstädtischer Hoheit besitzt Hessen-Homburg die Stadt und das dazu gehörige Amt Homburg an der Höhe. – Die sämmtlichen Hessen-Darmstädtischen Besitzun-
————
gen enthalten im Flächeninhalt ungefähr 100 Quadratmeilen und eine Bevölkerung von ungefähr 300,000 Einwohnern. Im Ganzen genommen sind die Hessen- Darmstädtischen Lande weit besser angebaut und bevölkert, haben auch weit mehr Industrie und Manufacturen als die Hessen-Casselschen; die Einwohner sind weit wohlhabender, thätiger und munterer als in den letztern. Die Einkünste aus diesen sämmtlichen Besitzungen werden von Einigen auf eine Million, von Andern auf 1,150,000 Gulden Rheinisch angegeben, von welchen aber ein ansehnlicher Theil zu Verinteressirung und Tilgung alter Schulden nothwendig ist, wozu seit einiger Zeit die ernstlichsten Maßregeln getroffen werden.
sen das ehemahls so genannte Land oder die Grafschaft an der Lahn (hier ist Marpurg); die niedere Grafschaft Katzenellbogen (welche nebst einem Theil der Herrschaft Plesse die Hessen-Rheinfels Rothenburgische Linie unter Hessen-Casselscher Hoheit besitzt, und wo die Bäder Schwalbach und Schlangenbad sind); ferner, im Oberrheinischen Kreise die Grafschaft Hanau-Münzenberg (hier ist die schöne Stadt Hanau und das berühmte Wilhelmsbad); im Fränkischen die Herrschaft Schmalkalden, und im Westphälischen der größte Theil der Grafschaft Schaumburg (wo Rinteln liegt). Alle diese Lande, welche zusammen einen Flächeninhalt von ungefähr 260 geographischen Quadratmeilen ausmachen, hatten i. J. 1789 450,890 Einwohner. Sie liegen an verschiedenen großen und schiffbaren Flüssen, durch welche die meisten Landschaften, welche übrigens zu zerstreut aus einander liegen und in Kriegszeiten schwer zu decken sind, eine sehr gute Communication sowohl unter sich als mit den Benachbarten haben. Auch sind die Landstraßen sehr gut, welches dem sehr beträchtlichen Landtransito sehr zu Staaten kommt. Ein großer Theil der Hessen-Casselschen Länder ist bergig, und hat im Ganzen genommen keine vorzügliche Fruchtbarkeit, aber vortreffliche Gegenden. Mineralien und Holz gehören unter die Hauptproducte der Hessischen Länder. Der Ackerbau könnte durch ver-
————
mehrte Bevölkerung und Erleichterung der Bewohner des platten Landes von den schweren Abgaben sehr gehoben werden; auch das Manufacturwesen ist sehr zurück. Ueberhaupt bedarf Hessen-Cassel einer weisen Pflege, welches den Schaden vom dreißigjährigen Kriege noch nicht verblutet, durch den siebenjährigen und den Amerikanischen Krieg (in welchem letztern so viele Mannschaft in Englischen Sold gegeben wurde) von neuen gelitten hat, und unter vielen und schweren Abgaben leidet. Die sämmtlichen Einkünfte von Hessen-Cassel betragen nach Einigen 2,100,000 Rthlr. nach Andern 2,700,000 Gulden Rheinisch; und der jetzt regierende Landgraf, Wilhelm IX. (dessen Vater Friedrich II. bei seinem Tode, ungeachtet der großen Ausgaben, die er auf prächtige Anlagen, Künste und Wissenschaften verwendet hat, einen Schatz von 56 Millionen Gulden hinterlassen haben soll), ist gewiß einer der reichsten Fürsten in Deutschland. II. Hessen-Darmstadt besitzt den größten Theil von Oberhessen (worin Gießen) mit der einverleibten Grafschaft Nidda und Herrschaft Itter, die obere Grafschaft Katzenellbogen (worin Darmstadt) und die Herrschaft Hanau-Lichtenberg (die aber größten Theils im obern Elsaß liegt). – Unter Hessen-Darmstädtischer Hoheit besitzt Hessen-Homburg die Stadt und das dazu gehörige Amt Homburg an der Höhe. – Die sämmtlichen Hessen-Darmstädtischen Besitzun-
————
gen enthalten im Flächeninhalt ungefähr 100 Quadratmeilen und eine Bevölkerung von ungefähr 300,000 Einwohnern. Im Ganzen genommen sind die Hessen- Darmstädtischen Lande weit besser angebaut und bevölkert, haben auch weit mehr Industrie und Manufacturen als die Hessen-Casselschen; die Einwohner sind weit wohlhabender, thätiger und munterer als in den letztern. Die Einkünste aus diesen sämmtlichen Besitzungen werden von Einigen auf eine Million, von Andern auf 1,150,000 Gulden Rheinisch angegeben, von welchen aber ein ansehnlicher Theil zu Verinteressirung und Tilgung alter Schulden nothwendig ist, wozu seit einiger Zeit die ernstlichsten Maßregeln getroffen werden.