Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Göze
Johann August Ephraim Göze, der jüngere Bruder des vorigen, geb. 1731, gest. 1793 als Hofdiaconus der Stiftskirche zu Quedlinburg. In seinen frühern Jahren hatte er die Theologie zu seinem Hauptstudium gemacht, ohne jedoch so heftiger Polemiker zu sein als sein Bruder. In den verschiedenen Streitigkeiten, welche dieser mit den angesehensten Theologen seiner Zeit führte, ergriff er keine Partei, sondern forschte selbst der Wahrheit nach, und warnte seinen Bruder vor den Ausbrüchen einer unmäßigen Hitze. Bald darauf wurde er durch einige zufällige Versuche mit einem Mikroskop veranlaßt, sich mit allem Eifer den naturhistorischen Wissenschaften zu ergeben; und es glückte ihm, darin solche Fortschritte zu machen, daß er bald zu dem Ruhme gelangte, unter die vorzüglichsten Naturhistoriker Deutschlands gezählt zu werden. Wenn man bedenkt, daß er schon über das vierzigste Jahr hinaus war, als er dieses Studium zu treiben anfing; so muß man die ungemeine Thätigkeit und den anhaltenden Fleiß bewundern, wodurch es ihm möglich wurde, diese Wissenschaften nicht nur selbst gründlich zu erlernen, sondern auch darin als geschätzter Schriftsteller aufzutreten. Aber Göze vereinigte auch alle Eigenschaften eines thätigen Mannes in sich; besonders bemerkte man an ihm, außer einer glücklichen Beurtheilungskraft und einem dußerst————
treuen Gedächtniß, eine ungemeine Lebhaftigkeit des Geistes, bei welcher es ihm unmöglich ward, sich von einer einmahl aufgefaßten Idee zu trennen, oder einen angefangenen Plan unvollendet zu lassen. Seine Berufsgeschäfte besorgte er dessen ungeachtet pünktlich, und sein häusliches Leben war der strengsten Ordnung unterworfen. Außer einigen gelehrten Werken, welche seinen Ruhm bei der Nachwelt sichern werden, hat er in einer Reihe von Volksschriften, die unter den Namen des nützlichen Allerleiʼs, Cornelins, Natur Menschenleben und Vorsehung bekannt genug sind, unstreitig das Meiste dazu beigetragen, daß der Glaube an übernatürliche Ereignisse in der Schöpfung und verjährte Vorurtheile im Reiche der Natur immer mehr verschwinden.
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Johann Melchior Göze, ein sehr streitsüchtiger Theologe, und deßwegen den meisten seiner Zeitgenossen verhaßt. Er war 1717 geboren, ward Prediger zu Magdeburg und 1755 Pastor in Hamburg, welche Stelle er bis an seinen Tod 1786 bekleidete. Er wachte unermüdet über die Reinheit des protestantischen Lehrbegriffs nach dem strengsten Sinne der symbolischen Bücher, und witterte daher überall Ketzereien und gefährliche Anschläge gegen das Heil der Kirche. Lessing, Basedow und selbst Göthe (wegen Werthers Leiden) mußten nebst vielen Andern, die er für gefährliche Neologen ansah, mit ihm die Lanze brechen, und sahen sich nicht selten in Gefahr, von dem gewaltigen Geschrei des hitzigen Mannes überwältigt zu werden. Es fehlte ihm übrigens gar nicht an gelehrten Kenntnissen, und seine historischen und kritischen Schriften verdienen alle Achtung. Er wollte aber nun einmahl als Polemiker, beinahe wie Gottsched als Dichter, glänzen, und verlor dadurch den wahren Standpunkt aus den Augen, welcher ihm unfehlbar den Beifall seiner Zeitgenossen und die Achtung der Nachwelt verschafft haben würde.
Johann August Ephraim Göze, der jüngere Bruder des vorigen, geb. 1731, gest. 1793 als Hofdiaconus der Stiftskirche zu Quedlinburg. In seinen frühern Jahren hatte er die Theologie zu seinem Hauptstudium gemacht, ohne jedoch so heftiger Polemiker zu sein als sein Bruder. In den verschiedenen Streitigkeiten, welche dieser mit den angesehensten Theologen seiner Zeit führte, ergriff er keine Partei, sondern forschte selbst der Wahrheit nach, und warnte seinen Bruder vor den Ausbrüchen einer unmäßigen Hitze. Bald darauf wurde er durch einige zufällige Versuche mit einem Mikroskop veranlaßt, sich mit allem Eifer den naturhistorischen Wissenschaften zu ergeben; und es glückte ihm, darin solche Fortschritte zu machen, daß er bald zu dem Ruhme gelangte, unter die vorzüglichsten Naturhistoriker Deutschlands gezählt zu werden. Wenn man bedenkt, daß er schon über das vierzigste Jahr hinaus war, als er dieses Studium zu treiben anfing; so muß man die ungemeine Thätigkeit und den anhaltenden Fleiß bewundern, wodurch es ihm möglich wurde, diese Wissenschaften nicht nur selbst gründlich zu erlernen, sondern auch darin als geschätzter Schriftsteller aufzutreten. Aber Göze vereinigte auch alle Eigenschaften eines thätigen Mannes in sich; besonders bemerkte man an ihm, außer einer glücklichen Beurtheilungskraft und einem dußerst————
treuen Gedächtniß, eine ungemeine Lebhaftigkeit des Geistes, bei welcher es ihm unmöglich ward, sich von einer einmahl aufgefaßten Idee zu trennen, oder einen angefangenen Plan unvollendet zu lassen. Seine Berufsgeschäfte besorgte er dessen ungeachtet pünktlich, und sein häusliches Leben war der strengsten Ordnung unterworfen. Außer einigen gelehrten Werken, welche seinen Ruhm bei der Nachwelt sichern werden, hat er in einer Reihe von Volksschriften, die unter den Namen des nützlichen Allerleiʼs, Cornelins, Natur Menschenleben und Vorsehung bekannt genug sind, unstreitig das Meiste dazu beigetragen, daß der Glaube an übernatürliche Ereignisse in der Schöpfung und verjährte Vorurtheile im Reiche der Natur immer mehr verschwinden.
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Johann Melchior Göze, ein sehr streitsüchtiger Theologe, und deßwegen den meisten seiner Zeitgenossen verhaßt. Er war 1717 geboren, ward Prediger zu Magdeburg und 1755 Pastor in Hamburg, welche Stelle er bis an seinen Tod 1786 bekleidete. Er wachte unermüdet über die Reinheit des protestantischen Lehrbegriffs nach dem strengsten Sinne der symbolischen Bücher, und witterte daher überall Ketzereien und gefährliche Anschläge gegen das Heil der Kirche. Lessing, Basedow und selbst Göthe (wegen Werthers Leiden) mußten nebst vielen Andern, die er für gefährliche Neologen ansah, mit ihm die Lanze brechen, und sahen sich nicht selten in Gefahr, von dem gewaltigen Geschrei des hitzigen Mannes überwältigt zu werden. Es fehlte ihm übrigens gar nicht an gelehrten Kenntnissen, und seine historischen und kritischen Schriften verdienen alle Achtung. Er wollte aber nun einmahl als Polemiker, beinahe wie Gottsched als Dichter, glänzen, und verlor dadurch den wahren Standpunkt aus den Augen, welcher ihm unfehlbar den Beifall seiner Zeitgenossen und die Achtung der Nachwelt verschafft haben würde.