Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Göttingen
Göttingen, eine schöne Stadt mit einer berühmten Universität, im südlichen Fürstenthume Calenberg (in den Chur-Braunschweig-Lüneburgischen Landen) an der falschen Leine, in einem fruchtbaren und angenehmen Thale. Im J. 1734 stiftete Georg II. König von Großbritannien, die dasige Universität; die Geschichte dieser Stiftung hat Heumann in einem Fragmente von 8 – 10 Bogen hinterlassen, welches mehrerer Anekdoten wegen sehr angenehm zu lesen ist. Seit dieser Zeit hat sich Göttingen nicht nur einen außerordentlichen gelehrten Ruf erworben, sondern sich auch so verschönert und bevölkert (vor Errichtung der Universität war es ein höchst elender Ort), daß es jetzt mit unter die schönsten Städte Niedersachsens gehört, und gegenwärtig auf 11,000 Einwohner zählt. Obgleich die dasigen Einwohner größten Theils von der Universität leben, so haben sie doch nicht unbedeutende Wollmanufacturen; die wichtigsten Producte aber, die sie ausführen, sagt Schlözer in seinen Vorlesungen, sind Mettwürste und – Compendien. Als Universität ist Göttingen, in Rücksicht auf Gelehrsamkeit betrachtet, vielleicht der erste Ort in der Welt: es faßt eine Menge der größten Gelehrten aus allen Fächern in sich, deren Geist eben so sehr durch angemessene Besoldungen als durch Denk- und Preßfreiheit und durch gegenseitige Rivalität in reger Thätigkeit erhal-————
ten wird; es besitzt eine herrliche Bibliothek, welche jetzt nach einer zuverlässigen Berechnung mehr denn 150,000 Bände enthält und, unter nothwendigen doch nichts weniger als drückenden Einschränkungen, einem Jeden frei steht (es werden sogar seltne Bücher daraus mit lobenswürdiger Bereitwilligkeit ins Ausland versendet), und mehrere andre vortreffliche Anstalten. Seit dem J. 1784 wird jährlich von jeder der vier Facultäten eine Preisfrage für die Studirenden daselbst bekannt gemacht, deren beste Beantwortung mit einer goldnen, 25 Ducaten schweren, Medaille belohnt wird. Auch werden die Collegia daselbst selten versäumt; unter diesen zeichnen sich, weil sie auf andern Universitäten theils selten theils weniger gut gelesen werden, Heyneʼs Vorlesungen über die Archäologie, Beckmanns über die Oekonomie, Schlözers Zeitungs-, Wrisbergs (welcher eine überaus große Sammlung von Reisebeschreibungen und mehr denn 6000 Landkarten besitzt) Reisecollegium, und Gatterers Vorlesungen über die Diplomatik aus. Es giebt schöne romantische Gegenden um Göttingen; die Vergnügungen in der Stadt scheinen den Bedürfnissen der Studirenden weniger angemessen zu sein. Fast alle Studirende von Göttingen besuchen in den Ferien Cassel, welches fünf Meilen davon liegt, und wenigstens ein Mahl den Harz. Im fünften Theile der Reisenden für Länder- und Völkerkunde findet man eine
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Skizze einer Reise von Göttingen auf den Harz und zurück, die man bequem in 12 – 14 Tagen zurücklegen kann; auch hat Herr Gatterer, Sohn des berühmten Gatterers in Göttingen, eine Anleitung zu einer Harzreise herausgegeben.
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*Göttingen. Bei den bekannten und merkwürdigen Veränderungen und Erschütterungen, welche Anfangs des 19. Jahrhunderts auch Hannover (s. den Nachtr. zu dies. Art.) erfuhr, wurde, bei der französischen Besitznahme 1803, diese Stadt und Akademie Anfangs verschont; allein in der Folge mußte sie doch auch Besatzungen einnehmen. Bei der nachherigen Besetzung des Landes von den Preußen wurde die Universität immer besonders berücksichtiget, und selbst bei dem bald darauf erfolgten Ausbruche eines neuen Kriegs vorzüglich geschont. Merkwürdig sind Napoleons Worte, als die Deputirten der Universität ihm diese empfahlen: »Das war nicht nöthig, sagte er: jede Regierung wird die Universität Göttingen in ihrem Flor erhalten, denn sie gehört der Welt an« Jetzt gehört sie zum Königreich Westphalen, und zwar zu dem Depart. der Leine.
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