Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Gyges
Gyges war ein Günstling des Königs von Lydien, Kandaules. Dieser, von der Schönheit seiner Gemahlin höchst eingenommen, verschaffte jenem die Gelegenheit, sie beim Niederlegen ganz in ihrer Schönheit zu sehen. Die Königin hatte es bemerkt, und über diese Beschimpfung höchst entrüstet, ließ sie den andern Tag den Gyges zu sich kommen, und gab ihm die Wahl, entweder mit dem Tode seine strafbare Neugierde zu büßen, oder ihren Gemahl zu ermorden und sich selbst zum Könige von Lydien und zu ihrem neuen Gemahl zu machen. Da keine Vorstellungen etwas fruchteten, so wählte Gyges freilich lieber das Letztere, ermordete den König im Schlafe, heirathete die Königin und setzte sich auf den Thron. Zwar empörten sich die Lydier; jedoch schlug Gyges ihnen vor, das delphische Orakel über die Rechtmäßigkeit seiner Herrschaft entscheiden zu lassen: dieses bestätigte den neuen König, und aus Dankbarkeit schickte dieser dem Orakel ein außerordentlich kostbares Geschenk, worunter sich unter andern sechs goldene Trinkschalen, 30 Talente werth, befanden. – Besonders fabelte man auch von dem Ringe des Gyges, den er als Hirt in einer unterirdischen Höhle gefunden haben sollte, daß er die Kraft gehabt habe, seinen Besitzer unsichtbar zu machen, sobald man den Stein desselben einwärts kehre. Eben
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durch diesen Ring sollte er die Umarmungen der Königin genossen und seinen Herrn ermordet haben. Man brauchte dann in der Folge das Sprichwort: den Ring des Gyges besitzen von sehr glücklichen Menschen, die alles, was sie sich wünschen, erlangen; aber eben so brauchte man es auch von wankelmüthigen, boshaften und listigen Leuten.
Gyges war ein Günstling des Königs von Lydien, Kandaules. Dieser, von der Schönheit seiner Gemahlin höchst eingenommen, verschaffte jenem die Gelegenheit, sie beim Niederlegen ganz in ihrer Schönheit zu sehen. Die Königin hatte es bemerkt, und über diese Beschimpfung höchst entrüstet, ließ sie den andern Tag den Gyges zu sich kommen, und gab ihm die Wahl, entweder mit dem Tode seine strafbare Neugierde zu büßen, oder ihren Gemahl zu ermorden und sich selbst zum Könige von Lydien und zu ihrem neuen Gemahl zu machen. Da keine Vorstellungen etwas fruchteten, so wählte Gyges freilich lieber das Letztere, ermordete den König im Schlafe, heirathete die Königin und setzte sich auf den Thron. Zwar empörten sich die Lydier; jedoch schlug Gyges ihnen vor, das delphische Orakel über die Rechtmäßigkeit seiner Herrschaft entscheiden zu lassen: dieses bestätigte den neuen König, und aus Dankbarkeit schickte dieser dem Orakel ein außerordentlich kostbares Geschenk, worunter sich unter andern sechs goldene Trinkschalen, 30 Talente werth, befanden. – Besonders fabelte man auch von dem Ringe des Gyges, den er als Hirt in einer unterirdischen Höhle gefunden haben sollte, daß er die Kraft gehabt habe, seinen Besitzer unsichtbar zu machen, sobald man den Stein desselben einwärts kehre. Eben
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durch diesen Ring sollte er die Umarmungen der Königin genossen und seinen Herrn ermordet haben. Man brauchte dann in der Folge das Sprichwort: den Ring des Gyges besitzen von sehr glücklichen Menschen, die alles, was sie sich wünschen, erlangen; aber eben so brauchte man es auch von wankelmüthigen, boshaften und listigen Leuten.