Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Gretry, Andreas Emil
Andreas Emil Gretry, geb. zu Lüttich 1741, geheimer Rath des Fürstbischofs von Lüttich, vorher königl. Französ. Kammer-Compositeur, jetzt Mitglied des National-Instituts der Wissenschaften und Künste, dritte Classe, zu Paris. Schon in seiner frühen Jugend hatte er außerordentlichen Hang zur Musik, der weder durch unangenehme Zufälle noch durch die Härte seiner Lehrer erstickt werden konnte. An dem Tage, wo er zum ersten Mahle das Nachtmahl genoß, und wo er, voll andächtiger Schwärmerei, lieber zu sterben gewünscht hatte, wenn er nicht ein rechtschaffner und sich auszeichnender Mann werden sollte, fiel ihm ein Balken auf den Kopf, der ihn dem Tode nahe brachte. »Ich bin nicht gestorben! – rief er, als er wieder von der Ohnmacht zu sich kam – ich werde ein rechtschaffner Mann und ein guter Tonkünstler werden!« Er hielt Wort. Trotz allen Schwierigkeiten bekam er immer mehr Geschmack für Musik; und nachdem er schon als Chorknabe durch seine Stimme aller Bewunderung auf sich gezogen hatte, kam er endlich im 18. Jahre nach Rom, wählte sich den Casali zum Lehrer, und erntete schon durch seine ersten Versuche Beifall ein. 1767 ging er nach Genf, gewöhnte sich hier an den Französischen Geschmack, erwarb sich Voltaireʼs Freundschaft, und kam endlich nach Paris, wo zwar seine erste theatrali-————
sche Composition durch Cabale fiel, er aber bald durch Marmontels Verwendung zu gefallen anfing, und nun für immer in Paris zu bleiben bewogen wurde. Für die Pariser Bühne lieferte er nun jährlich mehrere Operetten, von welchen der größte Theil auch ins Deutsche übersetzt und, besonders Zemire und Azor, so wie unter seinen neuern Richard Löwenherz, mit vielem Beifall aufgenommen worden sind. Als er 1782 seine Vaterstadt Lüttich besuchte, wurde er mit den außerordentlichsten Ehrenbezeugungen aufgenommen. Gegenwärtig, wo er nicht mehr so viel und auch nicht mit dem vorigen Glück zu componiren scheint, beschäftigt er sich, nachdem er schon in seinen Memoiren – einem Gegenstück zu den Goldonischen – den denkenden Künstler gezeigt hat, mit einem Werke über die Musik der Franzosen, dem man sehr sehnlich entgegen sieht.
Andreas Emil Gretry, geb. zu Lüttich 1741, geheimer Rath des Fürstbischofs von Lüttich, vorher königl. Französ. Kammer-Compositeur, jetzt Mitglied des National-Instituts der Wissenschaften und Künste, dritte Classe, zu Paris. Schon in seiner frühen Jugend hatte er außerordentlichen Hang zur Musik, der weder durch unangenehme Zufälle noch durch die Härte seiner Lehrer erstickt werden konnte. An dem Tage, wo er zum ersten Mahle das Nachtmahl genoß, und wo er, voll andächtiger Schwärmerei, lieber zu sterben gewünscht hatte, wenn er nicht ein rechtschaffner und sich auszeichnender Mann werden sollte, fiel ihm ein Balken auf den Kopf, der ihn dem Tode nahe brachte. »Ich bin nicht gestorben! – rief er, als er wieder von der Ohnmacht zu sich kam – ich werde ein rechtschaffner Mann und ein guter Tonkünstler werden!« Er hielt Wort. Trotz allen Schwierigkeiten bekam er immer mehr Geschmack für Musik; und nachdem er schon als Chorknabe durch seine Stimme aller Bewunderung auf sich gezogen hatte, kam er endlich im 18. Jahre nach Rom, wählte sich den Casali zum Lehrer, und erntete schon durch seine ersten Versuche Beifall ein. 1767 ging er nach Genf, gewöhnte sich hier an den Französischen Geschmack, erwarb sich Voltaireʼs Freundschaft, und kam endlich nach Paris, wo zwar seine erste theatrali-————
sche Composition durch Cabale fiel, er aber bald durch Marmontels Verwendung zu gefallen anfing, und nun für immer in Paris zu bleiben bewogen wurde. Für die Pariser Bühne lieferte er nun jährlich mehrere Operetten, von welchen der größte Theil auch ins Deutsche übersetzt und, besonders Zemire und Azor, so wie unter seinen neuern Richard Löwenherz, mit vielem Beifall aufgenommen worden sind. Als er 1782 seine Vaterstadt Lüttich besuchte, wurde er mit den außerordentlichsten Ehrenbezeugungen aufgenommen. Gegenwärtig, wo er nicht mehr so viel und auch nicht mit dem vorigen Glück zu componiren scheint, beschäftigt er sich, nachdem er schon in seinen Memoiren – einem Gegenstück zu den Goldonischen – den denkenden Künstler gezeigt hat, mit einem Werke über die Musik der Franzosen, dem man sehr sehnlich entgegen sieht.