Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Gluck, Christoph von
Christoph von Gluck, Ritter vom goldnen Sporn und kaiserl. königl. Pensionair zu Wien. Dieser so berühmte Tonkünstler, den man – wohl nicht mit Unrecht – den Reformator der dramatischen Musik in Frankreich nennt, wurde 1714 auf einem Dorfe an der Böhmischen Gränze geboren, und legte den Grund zur Musik zuerst in Prag; er ging alsdann nach Italien, 1745 nach England, und zeichnete sich schon hier seinen eignen Weg, indem er von dem gewöhnlichen Italiänischen Schlendrian abging, und seine Musik von den zeitherigen die Handlung unterbrechenden Schwierigkeiten zu entfernen und zu vereinfachen suchte. In Wien, welches er sich nachher zum immerwährenden Aufenthalt wählte, bewegte ihn ein Französischer Dichter, der Bailli de Roulet seine Iphigenie en Anlide fürs Pariser Theater in Musik zu setzen. Dieß geschah: Gluck reiste selbst damit 1774 nach Paris, um es aufzuführen; und sein Ruhm war nun in Frankreich auf immer gegründet (Iphigenie wurde in Paris binnen einigen Jahren auf 170 Mahl gegeben). Die Pariser wurden auf einmahl ihrem sonst so vergötterten Lully und Rameau untreu; und man wollte nichts als Gluckische Opern hören, deren er nachher mehrere aufs Pariser Theater brachte, und die ihm ein ungeheueres Vermögen verschafften, so daß er bei seinem Tode (welcher 1787 d. 15. Nov.————
erfolgte) an 300,000 Gulden hinterließ. – Ueber seine Verdienste sind die Deutschen Kunstrichter sehr getheilter Meinung: man scheint ihm fast durchgängig contrapunktische und andere außerordentliche musikalische Kenntnisse abzusprechen; dennoch kann man Glucks Opern große Wirkungen bei einer gewissen Simplicität und natürlich gutem Ausdruck unmöglich absprechen. Zu merkwürdig ist übrigens die Aeußerung, welche Leclerc in seinem Essai sur la propagation de la Musique en France etc. über die Wirkung der Gluckischen Musik und ihren Einfluß auf die jetzige Französische Revolution macht, als daß sie nicht hier eine Stelle verdienen sollte, obgleich nicht Jeder die Richtigkeit derselben unbedingt unterschreiben dürfte. »Nicht ohne Grund« sagt er »kann man behaupten, daß die durch Gluck bewirkte Revolution die Regierung hätte zittern machen sollen: seine kräftigen Accorde erweckten die Französische Großmuth; die Seelen gewannen wieder Festigkeit, und zeigten eine Energie, die bald nachher in Thaten ausbrach. Der Thron wurde erschüttert: jetzt bedienten sich auch die Freunde der Freiheit der Musik; sie ließ die mächtigen Töne hören, an die der Deutsche Componist sie gewöhnt hatte. Das Marsfeld wurde beim Schall der Trompeten erbauet; die Bürgergesänge lehrten das Volk, daß es ein Vaterland habe; und Freiheitsliebe ward Gesin-
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nung« etc. Glucks Nichte, Maria Anna von Gluck (geb. zu Wien 1759) eine der trefflichsten Sängerinnen (ob sie gleich ihr Onkel in einer seiner Launen in ihrem eilsten Jahre aufgegeben hatte), deren Geist eben so sehr als ihr edles Herz geschätzt wurde, starb zum allgemeinen Bedauern schon in ihrem 17. Jahre zu Wien, 1776.
Christoph von Gluck, Ritter vom goldnen Sporn und kaiserl. königl. Pensionair zu Wien. Dieser so berühmte Tonkünstler, den man – wohl nicht mit Unrecht – den Reformator der dramatischen Musik in Frankreich nennt, wurde 1714 auf einem Dorfe an der Böhmischen Gränze geboren, und legte den Grund zur Musik zuerst in Prag; er ging alsdann nach Italien, 1745 nach England, und zeichnete sich schon hier seinen eignen Weg, indem er von dem gewöhnlichen Italiänischen Schlendrian abging, und seine Musik von den zeitherigen die Handlung unterbrechenden Schwierigkeiten zu entfernen und zu vereinfachen suchte. In Wien, welches er sich nachher zum immerwährenden Aufenthalt wählte, bewegte ihn ein Französischer Dichter, der Bailli de Roulet seine Iphigenie en Anlide fürs Pariser Theater in Musik zu setzen. Dieß geschah: Gluck reiste selbst damit 1774 nach Paris, um es aufzuführen; und sein Ruhm war nun in Frankreich auf immer gegründet (Iphigenie wurde in Paris binnen einigen Jahren auf 170 Mahl gegeben). Die Pariser wurden auf einmahl ihrem sonst so vergötterten Lully und Rameau untreu; und man wollte nichts als Gluckische Opern hören, deren er nachher mehrere aufs Pariser Theater brachte, und die ihm ein ungeheueres Vermögen verschafften, so daß er bei seinem Tode (welcher 1787 d. 15. Nov.————
erfolgte) an 300,000 Gulden hinterließ. – Ueber seine Verdienste sind die Deutschen Kunstrichter sehr getheilter Meinung: man scheint ihm fast durchgängig contrapunktische und andere außerordentliche musikalische Kenntnisse abzusprechen; dennoch kann man Glucks Opern große Wirkungen bei einer gewissen Simplicität und natürlich gutem Ausdruck unmöglich absprechen. Zu merkwürdig ist übrigens die Aeußerung, welche Leclerc in seinem Essai sur la propagation de la Musique en France etc. über die Wirkung der Gluckischen Musik und ihren Einfluß auf die jetzige Französische Revolution macht, als daß sie nicht hier eine Stelle verdienen sollte, obgleich nicht Jeder die Richtigkeit derselben unbedingt unterschreiben dürfte. »Nicht ohne Grund« sagt er »kann man behaupten, daß die durch Gluck bewirkte Revolution die Regierung hätte zittern machen sollen: seine kräftigen Accorde erweckten die Französische Großmuth; die Seelen gewannen wieder Festigkeit, und zeigten eine Energie, die bald nachher in Thaten ausbrach. Der Thron wurde erschüttert: jetzt bedienten sich auch die Freunde der Freiheit der Musik; sie ließ die mächtigen Töne hören, an die der Deutsche Componist sie gewöhnt hatte. Das Marsfeld wurde beim Schall der Trompeten erbauet; die Bürgergesänge lehrten das Volk, daß es ein Vaterland habe; und Freiheitsliebe ward Gesin-
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nung« etc. Glucks Nichte, Maria Anna von Gluck (geb. zu Wien 1759) eine der trefflichsten Sängerinnen (ob sie gleich ihr Onkel in einer seiner Launen in ihrem eilsten Jahre aufgegeben hatte), deren Geist eben so sehr als ihr edles Herz geschätzt wurde, starb zum allgemeinen Bedauern schon in ihrem 17. Jahre zu Wien, 1776.