Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Gleichen, Ernst Graf von
Ernst Graf von Gleichen (nach Andern Ludwig). Man erzählt von diesem Grafen, aus einem ehedem sehr berühmten jetzt aber erloschenen Deutschen Geschlecht, folgende merkwürdige Geschichte. Er wurde auf einem Kreuzzuge in einer Schlacht wider die Türken gefangen in die Türkei geführt und hart gehalten. Eines Tages erblickt ihn auf einem Spaziergange, wo er arbeitet, die Tochter des Sultans, verliebt sich in ihn, und verspricht ihn zu befreien, wenn er sie mit sich nehmen und sie heirathen wolle. Ich habe Frau und Kinder, war seine Antwort. Die Prinzessin, an die Türkische Sitte gewöhnt, daß ein Mann mehrere Weiber haben dürfe, stößt sich nicht hieran; der Graf, ebenfalls nicht eigensinnig, giebt ihr sein Wort: sie befreit ihn, beide gehn zu Schiffe, und kommen glücklich in Venedig an. Hier erfährt der Graf, daß sich seine Gemahlin und Kinder wohl befinden; er eilt nach Rom, und erhält von dem Papst förmlich die Erlaubniß, beide Gemahlinnen zu haben. Bei der Ankunft in Deutschland erweist die Gemahlin des Grafen der Türkischen Dame, welche ihr ihren Gemahl zurück bringt, tausend Liebkosungen: beide Gemahlinnen vertragen sich auf das beste; und ob gleich die Türkin unfruchtbar bleibt, so liebt sie dennoch die Kinder der Deutschen Gräfin aufs zärtlichste. Es ist hier nicht der Ort, historische Untersuchungen über————
diese Geschichte anzustellen, welche man in Galettiʼs Thüringischer Geschichte und in einer unlängst erschienenen kleinen Schrift eines gelehrten Kloster-Bibliothekars in Erfurt findet; genug, daß man noch des Grafen Begräbniß auf dem Petersberge zu Erfurt zeigt, wo er mit seinen beiden Gemahlinnen auf dem Leichensteine abgebildet ist. Auch soll auf dem Thüringischen Schlosse Gleichen noch das Bette befindlich sein, in welchem der Graf mit seinen zwei Gemahlinnen geschlafen haben soll.
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Ansicht: Gleichen, Ernst Graf von