Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Geßner, Salomo
Salomo Geßner, ein bekannter Lieblings-Schriftsteller unserer Nation, welcher mit Recht einen Platz unter den vorzüglichsten Dichtern Deutschlands verdient. Er war zu Zürich 1736 geboren, wo er nachher Buchhändler und Rathsherr ward, und 1788 starb. Sein Charakter, den uns Bertola in seiner auf ihn verfertigten Lobschrift mit den lebhaftesten Farben schildert, war sehr edel. Er erfüllte seine Pflichten als Richter und Privatmann mit der ungeheucheltsten Treue, war der theilnehmendste Freund, der angenehmste Gesellschafter, der anspruchloseste Gelehrte, und genoß als Gatte einer edeln und vortrefflichen Gemahlin die reinsten Freuden des häuslichen Lebens. Seine erste Erziehung bei seinem Vater und auf der Züricher Schule war sehr sclavisch und ganz seiner Denkungsart zuwider; er lernte daher in der alten Literatur fast gar nichts: und erst als ihn sein Vater zu einem Landgeistlichen brachte, entwickelten sich seine Dichteranlagen. Der Reitz der schönen Natur wirkte hier so mächtig auf ihn, daß er schon damahls einige glückliche Versuche im Schäfergedicht wagte, worin er nachher sich vorzüglich hervor that. Die Liebe zur Natur bildete ihn auch zum Landschaftsmahler; auch brachte er es in seiner Kunst ziemlich weit: und wenn gleich seine Gemählde und Zeichnungen nicht allemahl nach Regeln entworfen sind, so————
athmen sie doch ein reines und verfeinertes Naturgefühl, und sind so einnehmend als seine Gedichte, die er jedoch nicht in Versen sondern in Prosa schrieb. In beiden Fächern würde er jedoch vielleicht noch weit mehr geleistet haben, wenn er nicht durch schlechte Erziehung vernachlässigt und aller Mittel, sich gründliche Kenntnisse in Wissenschaften und Künsten zu verschaffen, beraubt worden wäre. Nie hat wohl ein Deutscher mit solchem Gefühl das Hirtenleben besungen, nie einer den schuldlosen, von allem Zwange der bürgerlichen Gesellschaft entfesselten Menschen so treffend und schön geschildert als er; wer wird nicht von seinen Idyllen hingerissen? Sein Tod Abels ist ein Lieblingsgedicht der Engländer, und ist oft in England gedruckt worden. Späterhin lieferte er auch landschaftliche Gemählde, welche größten Theils nach England gegangen sind. Seine Schriften, die er selbst mit von ihm gestochenen Vignetten herausgegeben hat, sind in alle Sprachen Europens, und durch Herrn Huber mit unnachahmlicher Schönheit ins Französische übersetzt worden. Auserlesene Idyllen von ihm und den ersten Schiffer hat Ramler in herametrische Verse gebracht (ein Unternehmen, über dessen Zweckmäßigkeit sich vielleicht manches erinnern ließe); und noch 1796 hat Geßner an Hottingern einen sehr würdigen Biographen erhalten.
Salomo Geßner, ein bekannter Lieblings-Schriftsteller unserer Nation, welcher mit Recht einen Platz unter den vorzüglichsten Dichtern Deutschlands verdient. Er war zu Zürich 1736 geboren, wo er nachher Buchhändler und Rathsherr ward, und 1788 starb. Sein Charakter, den uns Bertola in seiner auf ihn verfertigten Lobschrift mit den lebhaftesten Farben schildert, war sehr edel. Er erfüllte seine Pflichten als Richter und Privatmann mit der ungeheucheltsten Treue, war der theilnehmendste Freund, der angenehmste Gesellschafter, der anspruchloseste Gelehrte, und genoß als Gatte einer edeln und vortrefflichen Gemahlin die reinsten Freuden des häuslichen Lebens. Seine erste Erziehung bei seinem Vater und auf der Züricher Schule war sehr sclavisch und ganz seiner Denkungsart zuwider; er lernte daher in der alten Literatur fast gar nichts: und erst als ihn sein Vater zu einem Landgeistlichen brachte, entwickelten sich seine Dichteranlagen. Der Reitz der schönen Natur wirkte hier so mächtig auf ihn, daß er schon damahls einige glückliche Versuche im Schäfergedicht wagte, worin er nachher sich vorzüglich hervor that. Die Liebe zur Natur bildete ihn auch zum Landschaftsmahler; auch brachte er es in seiner Kunst ziemlich weit: und wenn gleich seine Gemählde und Zeichnungen nicht allemahl nach Regeln entworfen sind, so————
athmen sie doch ein reines und verfeinertes Naturgefühl, und sind so einnehmend als seine Gedichte, die er jedoch nicht in Versen sondern in Prosa schrieb. In beiden Fächern würde er jedoch vielleicht noch weit mehr geleistet haben, wenn er nicht durch schlechte Erziehung vernachlässigt und aller Mittel, sich gründliche Kenntnisse in Wissenschaften und Künsten zu verschaffen, beraubt worden wäre. Nie hat wohl ein Deutscher mit solchem Gefühl das Hirtenleben besungen, nie einer den schuldlosen, von allem Zwange der bürgerlichen Gesellschaft entfesselten Menschen so treffend und schön geschildert als er; wer wird nicht von seinen Idyllen hingerissen? Sein Tod Abels ist ein Lieblingsgedicht der Engländer, und ist oft in England gedruckt worden. Späterhin lieferte er auch landschaftliche Gemählde, welche größten Theils nach England gegangen sind. Seine Schriften, die er selbst mit von ihm gestochenen Vignetten herausgegeben hat, sind in alle Sprachen Europens, und durch Herrn Huber mit unnachahmlicher Schönheit ins Französische übersetzt worden. Auserlesene Idyllen von ihm und den ersten Schiffer hat Ramler in herametrische Verse gebracht (ein Unternehmen, über dessen Zweckmäßigkeit sich vielleicht manches erinnern ließe); und noch 1796 hat Geßner an Hottingern einen sehr würdigen Biographen erhalten.