Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Gerade, Die
Die Gerade heißt in den deutschen Rechten der Inbegriff gewisser durch Gesetz und Herkommen bestimmter beweglicher Sachen, welche in dem Eigenthum und der Gewahrsam eines Frauenzimmers sich befinden, und nach ihrem Tode blos nur auf Frauenzimmer vererbt werden können: dahin gehören die Kleider, der Schmuck, gewisser Hausrath etc., jedoch pflegt man sich immer meistentheils in Bestimmung derselben, und was alles zur Gerade gehört, nach jedes Orts Statuten zu richten. Sie wird in Wittwen- und Niftelgerade eingetheilt: jene, wenn nach des Mannes Tode die Wittwe die zur Gerade gehörigen Stücke von der übrigen Verlassenschaft absondert und als ihr Eigenthum hinwegnimmt; diese, wenn nach dem Tode einer Weibsperson deren nächste weibliche Verwandte (Niftel) die Gerade erbt. (Eine andere Eintheilung in adeliche und bürgerliche Gerade beruht blos auf einem Irrthum und kommt hier nicht weiter in Anschlag.) Ob nun zwar gleich eigentlich nur Frauenzimmer die Gerade erben können, so giebt es doch Ausnahmen, wo theils nach besondern Statuten auch der Ehemann entweder ganz oder zum Theil geradeerbfähig ist (z. B. in Leipzig), theils auch nach gemeinen sächsischen Rechten gewisse Personen, z. B. die Geistlichen1 die Gerade erben können.————
Fußnoten
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1 Warum die Geistlichen? wird man mit Recht fragen. Die Ursache ist diese: Bei den alten Deutschen folgten ehedem die Söhne allein in die Allodial-Grundstücke (s. Allodium in den Nachtr.) sowohl als in die Lehen: mit diesen waren auch zugleich alle Waffen als Pertinenz-Stücke der Aecker verbunden (daher das Heergeräthe – m. s. dies. Art. i. d. Nachtr.). Da nun aber diejenigen Söhne, welche sich dem geistlichen Stande widmeten, keine Waffen führen durften (weil die Kirche niemals nach Blut dürsten darf (eclesia non sitit sanguinem), folglich auch keine Erbschaft darin Statt finden konnte, so mußten sie doch einige Entschädigung dafür genießen, und man gab ihnen das Recht, mit den Weibern in – die Gerade zu succediren.
Die Gerade heißt in den deutschen Rechten der Inbegriff gewisser durch Gesetz und Herkommen bestimmter beweglicher Sachen, welche in dem Eigenthum und der Gewahrsam eines Frauenzimmers sich befinden, und nach ihrem Tode blos nur auf Frauenzimmer vererbt werden können: dahin gehören die Kleider, der Schmuck, gewisser Hausrath etc., jedoch pflegt man sich immer meistentheils in Bestimmung derselben, und was alles zur Gerade gehört, nach jedes Orts Statuten zu richten. Sie wird in Wittwen- und Niftelgerade eingetheilt: jene, wenn nach des Mannes Tode die Wittwe die zur Gerade gehörigen Stücke von der übrigen Verlassenschaft absondert und als ihr Eigenthum hinwegnimmt; diese, wenn nach dem Tode einer Weibsperson deren nächste weibliche Verwandte (Niftel) die Gerade erbt. (Eine andere Eintheilung in adeliche und bürgerliche Gerade beruht blos auf einem Irrthum und kommt hier nicht weiter in Anschlag.) Ob nun zwar gleich eigentlich nur Frauenzimmer die Gerade erben können, so giebt es doch Ausnahmen, wo theils nach besondern Statuten auch der Ehemann entweder ganz oder zum Theil geradeerbfähig ist (z. B. in Leipzig), theils auch nach gemeinen sächsischen Rechten gewisse Personen, z. B. die Geistlichen1 die Gerade erben können.————
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1 Warum die Geistlichen? wird man mit Recht fragen. Die Ursache ist diese: Bei den alten Deutschen folgten ehedem die Söhne allein in die Allodial-Grundstücke (s. Allodium in den Nachtr.) sowohl als in die Lehen: mit diesen waren auch zugleich alle Waffen als Pertinenz-Stücke der Aecker verbunden (daher das Heergeräthe – m. s. dies. Art. i. d. Nachtr.). Da nun aber diejenigen Söhne, welche sich dem geistlichen Stande widmeten, keine Waffen führen durften (weil die Kirche niemals nach Blut dürsten darf (eclesia non sitit sanguinem), folglich auch keine Erbschaft darin Statt finden konnte, so mußten sie doch einige Entschädigung dafür genießen, und man gab ihnen das Recht, mit den Weibern in – die Gerade zu succediren.