Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Forster
Johann Georg Adam Forster (gewöhnlich schrieb er sich bloß Georg). Dieser überaus schätzbare, aber wegen der letzten Auftritte seines thatenvollen Lebens so sehr verläumdete Gelehrte war 1754 zu Nassenhuben bei Danzig geboren, und begleitete als Jüngling seinen Vater, den berühmten Weltumsegler Johann Reinhold Forster, auf der großen Reise in die Südsee, die Cook (s. Cook) 1772 bis 1775 unternahm. Er lebte dann zu London, reiste nach Frankreich, und erwarb sich daselbst Büffons Freundschaft. Im J. 1779 ward er Professor der Naturgeschichte am Carolinum zu Cassel, erhielt hierauf 1784 zu Wilna eben dieselbe Professur mit dem Charakter eines geheimen Raths, verließ aber diesen Posten nach einigen Jahren wieder, und würde noch eine Reise um die Welt unternommen haben, wenn nicht Catharina II. die dieselbe 1787 veranstalten wollte, an der Ausführung ihres Plans durch den Türkenkrieg verhindert worden wäre. Bald darauf wurde er nach Mainz als Professor und Bibliothekar mit dem Titel eines Hofraths berufen; und hier war es, wo ihn sein Enthusiasmus für Freiheit, der aber freilich nicht immer von kalter und unbefangener Ueberlegung unterstützt wurde, zu Fehltritten verleitete, die dem Neide Stoff genug zur Verläumdung gegeben haben, aber, genau betrachtet, seinen Charakter eher in ein vortheilhaftes als in ein————
nachtheiliges Licht setzen. Er sah nehmlich zu Mainz das schändliche Betragen der Emigranten, und empfand den Druck, den die Stadt durch sie litt, nur zu lebhaft; der glänzende Anfang der Revolution in Frankreich begeisterte ihn so sehr, daß er alles bürgerliche Gute bloß von einer durch die Neufranken bewirkten Staatsveränderung erwartete, und sich bald an die zahlreichen Anhänger derselben in jener Stadt anschloß. Viele Freunde riethen ihm, Mainz in einem so kritischen Zeitpunkte zu verlassen: allein er hatte zu wenig Entschlossenheit, um einen festen Plan zu fassen; und es hielt ihn theils die Noth seiner Familie, die bei Niederlegung seiner Stelle wenig Unterhalt gehabt haben würde, theils der Wunsch, seinen Mitbürgern einige Dienste erweisen zu können, in der bedrängten Stadt bis zum Einmarsch der Republikaner zurück. Nun konnte er nicht mehr neutral bleiben; er erklärte sich also, da er durch seine Fertigkeit in der Französischen Sprache bald mit der Generalität vertraut worden war, ganz für die Revolution, ward Clubist, und nahm an den in Mainz gemachten Aenderungen den lebhaftesten Antheil. Er brachte den Bürgern, besonders aber der Universität, einige Vortheile zuwege, und war auch bei andern Geschäften der Franzosen, für die er sich mit dem lebhaftesten Eifer interessirte, sehr thätig; z. B. er nahm die Grafen von Leiningen gefangen. Er wandte sich 1793 als Clubist
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nebst einigen andern Anhängern der Neufranken nach Paris, ganz begeistert von der Hoffnung, in dieser Stadt wahre Freiheit und wahres Bürgerglück zu finden. Aber plötzlich verschwand der schöne Traum; die Gironde war hier eben gestürzt worden, ganz Frankreich beugte sich unter das Joch des Tyrannen Robespierre, und die Grausamkeiten des Bergs ließen nie den Gedanken an Erlangung der Freiheit Wurzel schlagen. Er sah, daß er hier nichts zur Beförderung des Menschenwohls thun könne, bereute seinen Uebertritt, und schilderte die traurige Stimmung seiner Seele in vielen lesenswürdigen Briefen, die wir in den Friedenspräliminarien lesen. Nur selten dämmerte ihm ein Strahl der Hoffnung; der Kummer raubte ihm bald seine Gesundheit, und schon im 39. Lebensjahre, am 11. Jan. 1794 (22. Nivose), endigte ein scorbutisches Fieber seine Tage, die er vielleicht, wenn er länger gelebt hätte, noch unter der Guillotine hätte beschließen müssen. Forster ist ohne Zweifel einer der geistvollsten Schriftsteller unserer Nation. Seine Ansichten vom Niederrhein, von Brabant, Flandern, Holland, England und Frankreich und seine kleinen Schriften, ein Beitrag zur Völker- und Länderkunde, Naturgeschichte und Philosophie des Lebens, verbürgen dieses Urtheil. Sein Leben von seinem Vater steht in Jacobs philosophischen Annalen.
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Johann Reinhold Forster, der Vater, königl. preußischer geheimer Rath und Professor der Naturgeschichte zu Halle, ein gleich berühmter und ausgezeichneter Mann, wie sein Sohn, Joh. Georg Adam Forster. Ursprünglich stammte die Familie aus dem alten Hause der Lords Forester in Schottland ab: die Nachkommen hatten sich nach Polnisch-Preußen geflüchtet, und der eine Nachkomme, Bürgermeister in Dirschau unweit Danzig, war der Vater unsers Forsters, welcher 1729 geboren wurde. Ohne sonderliche Erziehung wuchs dieser herauf, kam im 15. Jahre nach Berlin, wo er mit Resewitz, Pallas und mehreren damals schon viel versprechenden Köpfen auf dem Joachimsthalischen Gymnasium zusammentraf, und schon hier in Sprachen, in Chronologie und Völkerkunde einen tüchtigen Grund legte. 1748 bezog er die Universität Halle, und trieb, da er sich der Theologie widmen sollte, die gelehrten Sprachen, kam dann 1751 nach Danzig und erhielt bald die Predigerstelle zu Nassenhuben (Nassenhof). Sein Amt verwaltete er nur blos, so viel es die Nothdurft heischte, und hing dagegen seinen Lieblingsfächern, Mathematik, Philosophie, Länder- und Völkerkunde, auch alten Sprachen mit voller Seele nach. Seine kleinen Streifereien, die er mit seinen beiden Söhnen, besonders dem nachher so berühmt gewordenen Georg, dem ältesten, für
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die Naturgeschichte, auch öfters in der Jagd machte, und welche ihn in mancherlei Händel verwickelten, erweckten immer mehr seine Reiselust: er kam aber dabei auch immer mehr und mehr von dem, was eigentlich Convention und Etikette in der menschlichen Gesellschaft verlangen, ab, und nahm dagegen eine gewisse Derbheit an, die in dem Umgange mit den Bauern freilich viel Nahrung fand. Der Bauern nahm er sich daher auch bei mehreren Gelegenheiten als kräftiger, muthvoller, thätiger Mann an; leider! aber brachte ihm seine Stelle zu wenig ein, als daß er, zumal bei einer sehr zahlreichen Familie, nicht in Schulden hätte gerathen sollen. Und so kam es denn für ihn sehr willkommen, als ein Mann gesucht wurde, der das Coloniewesen in Saratow, einem asiatischen, zum russischen Reiche gehörigen Gouvernement, untersuchen könne: er nahm den Antrag an, und reiste im März 1765 ab, wobei ihn sein Sohn Georg begleitete. Seine Berichte fielen sehr zur Zufriedenheit aus, und er erhielt nun nach seiner Ankunft in Petersburg von der Kaiserin Katharina II. den Auftrag, mit Zuziehung mehrerer Gelehrten ein Gesetzbuch für diese Colonisten zu fertigen. Allein, leider! erhielt der fleißige Mann für diese seine Arbeiten und Reisen, ja für die nun verlorne Predigerstelle, die man wegen seines langen Außenbleibens unterdessen anderweit besetzt hatte – keine Entschädigung, und er reiste
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ohne die geringste Belohnung im August 1766 nach London ab. Hier erhielt er sich und seinen Sohn theils durch Verkaufung mehrerer von seiner Reise mitgebrachten Seltenheiten, theils durch Uebersetzungen oder eigne Abhandlungen, die er herausgab. Zwar wurden ihm mehrere amerikanische Predigerstellen angetragen; allein er schlug sie aus, indessen sein Sohn Georg im J. 1767 eine Stelle auf einem Comptoir annehmen mußte, wo er aber leider! schon den ersten Grund zu einer Auszehrung legte. Der Bater ging nun als Professor der Naturgeschichte und der französischen und deutschen Sprache nach Warrington, wohin auch seine Frau und zugleich sein Sohn Georg nachfolgten. Er unterrichtete denn hier, auch selbst, als er nachher die Professorstelle niederlegte, die Jugend, und lebte mehrere Jahre in diesen nicht unangenehmen Verhältnissen. Endlich kam der Antrag an ihn, den Capitain Cook bei seiner zweiten Entdeckungsreise als Naturforscher zu begleiten: er bedachte sich nicht lange und ging mit seinem damals 17jährigen Sohne den 26. Jun. 1772 von London ab. (M. s. den Art. Cook.)
  Diese interessante, für die Menschheit und die Wissenschaften ewig verdienstliche Reise, auf welcher sie volle drei Jahre zubrachten, hat der Sohn, Georg Forster (s. diesen Art.), in dem berühmten, zwei Quartbände starken, Werke (London 1777) und
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deutsch, Berlin 1778 u. 80) weitläufig beschrieben, da man den Vater, welchem es zur Bedingung gemacht worden war, nichts für sich von dieser Reise drucken zu lassen, durch elende Kabalen um seinen Antheil an der englischen Prachtausgabe dieser Reise gebracht hatte. Der Vater selbst gab nachher seine Bemerkungen über Gegenstände der physischen Erdbeschreibung, Naturgeschichte und Philosophie, auf seiner Reise um die Welt gesammlet, zu London 1778 in 4. (nachher verdeutscht von seinem Sohn zu Berlin 1783 in 8.) – gewiß eine der ideenreichsten Schriften – heraus. Belohnungen wurden übrigens dem braven Manne so wenig zu Theil, daß er vielmehr nach und nach, bei seiner zahlreichen Familie, in seinen ökonomischen Verhältnissen zurückgekommen, eine Zeitlang im Schuldthurme schmachten mußte, bis ihn endlich Friedrich der Große 1780 gleichsam dem Kerker abkaufte und mit dem Geheimenrathstitel als Professor der Naturgeschichte nach Halle berief, wohin denn Forster mit Weib und Kindern zog und 18 Jahre, bis an seinen Tod, eine der höchsten Zierden dieser Akademie ausmachte. Auch hier schrieb er wieder sehr fleißig, und war vorzüglich mit Uebersetzung der neuesten Reisen aus mehreren Sprachen – unter welche vorzüglich auch die von Cooks dritter Reise gehört – beschäftiget. Freilich blieb er auch hier nicht ganz ohne Verdrießlichkeiten, welche ihm oft
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seine Heftigkeit, seine Geradheit und sein offenes Herz zuzogen; besonders aber setzten ihn theils sein Hang zum Spielen, theils die Begierde, seine Sammlungen um jeden Preis zu vermehren, sehr oft in große Verlegenheit. Der endliche Verlust seines edlen Sohnes, Georg (s. d. Art.), und der eines zweiten Sohnes, eines geschickten Arztes, vermehrten diese Leiden noch weit mehr. Engbrüstigkeit, Brustkrampf, und was damit verbunden, brachten ihn immer mehr seinem Ende näher, welches den 9. Dec. 1798 erfolgte, das er aber mit der Größten Ruhe und mit wahrer Verklärung erwartete.
  Scharfsinn und schnelle Fassungskraft waren bei diesem merkwürdigen Manne zugleich mit dem bewundernswürdigsten Gedächtniß verbunden. Siebenzehn lebendige und todte Sprachen redete oder schrieb er großentheils1. Er besaß eine höchst seltene Kenntniß der Literatur jeden Fachs; in der Geschichte der Botanik und Zoologie wird er immer mit seinem Sohne als einer der ersten Entdecker des verflossenen Jahrhunderts glänzen. Obgleich von heftigem aufbrausenden Temperamente, hatte er dennoch so viel ungeheuchelte Gutmüthigkeit, daß diese oft jenes wieder gut machte. Er war ausnehmend gefällig und dienstfertig; auch dem fremden Verdienste ließ er volle Gerechtigkeit widerfahren. Ein heiterer Humor und eine unerschütterlich frohe Laune gaben seinem
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Umgange ein eignes Interesse. In seinen ungeheuer zahlreichen Schriften – unter denen seine oben erwähnten Beobachtungen auf einer Reise um die Welt, seine Geschichte der Schiffahrten und Entdeckungen im Norden, so wie sein antiquarischer Versuch über den Byssus der Alten die ersten Stellen einnehmen – war sein Styl zwar kräftig und lebhaft, aber, wenigstens der deutsche, nicht ganz correct.
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Fußnoten
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1 Von der bewundernswürdigen Art, wie Forster sich so ganz verschiedene Mundarten eigen gemacht hatte, nur Ein Beispiel: Ein verlaufener Knabe, der mit einem russischen Schiffe nach Deutschland und endlich nach Halle gekommen war, wurde zu Forstern geführt, und nach mancherlei Versuchen brachte dieser endlich heraus, daß der Knabe aus Kurdistan, einer persischen Provinz, gebüttig sei.
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