Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
d'Estaing, Johann Baptiste Carl Graf
Johann Baptiste Carl Graf dʼEstaing, königlich französischer Admiral und Generallieutenant, einer der verdienstvollsten französischen Krieger, welcher sich im nordamerikanischen Kriege großen Ruhm erwarb, zu Ravel in Auvergne ungefähr 1730 geboren, stammte aus einem alten Geschlechte, von welchem einer in der Schlacht bei Bouvines in Flandern (1214) dem Könige von Frankreich, Philipp August, das Leben gerettet hatte. Er nahm zeitig Kriegsdienste und eröffnete seine Laufbahn unter dem Generallieutenant de Lally in Ostindien, wurde aber von den Engländern gefangen und da er, seines Versprechens ungeachtet, vor seiner Auswechselung wieder Kriegsdienste nahm, und von neuem gefangen wurde, warf man ihn in Portsmouth ins Gefängniß. Aus Rache über diese Behandlung schwur er den Engländern ewigen Haß. Er stieg seit 761 zum Mareschal de Camp, Generallieutenant, und wurde 1763 Gouverneur von St. Domingo, wo er sich durch seine militairische Strenge verhaßt machte. Auch zeigte er hier schon seine Rache gegen die Engländer, indem er 1764 auf einer der sogenannten Caiken oder Turksinseln in Westindien, welcher zum Theil die Fahrt nach St. Domingo beherrschen können, ein Fort anlegen lassen wollte. Da die Engländer dieses nicht zugeben wollten, weil die Inseln, vermöge der abgeschlossenen————
Tractaten, nicht angebauet werden, sondern jeder Nation, um dort Salz zu holen, offen stehen sollten, dʼEstaing aber ihrem Widerstand ebenfalls Widerstand entgegen setzte; so kam es zwischen ihnen zu Thätlichkeiten, und dʼEstaing bemächtigte sich der englischen Fregatte und Mannschaft, brachte sie nach Cap François auf Domingo und entließ sie am andern Tage, mit dem Verbote, nicht wieder auf diese Insel zu kommen. Auf Englands Beschwerden darüber mißbilligte der französische Hof dʼEstaings Verfahren und versprach jenen vollen Schadenersatz. Auch wurde endlich dʼEstaing, da seine Strenge einen Aufstand auf Domingo verursachte, 1766 nach Frankreich zurückberufen. Man hatte ihn als einen tapfern und unternehmenden Mann kennen lernen, und übertrug ihm daher, nach Ausbruch des Seekrieges zwischen England und Frankreich, 1778 das Commando der Touloner Flotte, welche nach den Antillen segelte. Anfangs war er nicht glücklich, indem er mit den Truppen, die er zu Wiedereroberung der von den Engländern (12. Dec. 1778) weggenommenen französ. Insel St. Lucie an das Land setzte, am 16. Dec. zurückgeschlagen wurde und sich wieder einschiffen mußte. Desto rühmlicher war für ihn das folgende Jahr. Denn am 4. Juli eroberte er die Insel Grenada ohne Kanonen, und schlug den englischen Admiral Byron, der am 6. Juli die Insel wieder wegnehmen
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wollte, zurück. Im J. 1787 ward er bei der Zusammenberufung der Notablen Mitglied derselben und 1789 Commandant der Nationalgarde, wahrscheinlich aber mehr, um der königlichen Familie zu dienen, als um an den Revolutionsgräueln Antheil zu nehmen. Da sich das Gerücht von der bevorstehenden Flucht des Königs verbreitete, widerrieth er am 14. Sept. der Königin dieses Vorhaben in einem Briefe, brachte es auch dahin, daß am 18. Sept. die Municipalität von Versailles das Regiment Flandern dahin kommen ließ, um Unruhen, die er von den französischen Garden befürchtete, zu verhüten. Indeß macht man ihm alles dies, so wie den Umstand, daß er sich am 5. Oct. der Wegführung des Königs nach Versailles nicht widersetzt, daß er der Königin gerathen, durch Herablassung einen Theil der Nationalversammlung auf ihre Seite zu bringen, und daß er demungeachtet 1791 dieser seine Ergebenheit versichert, zum Vorwurf. Allein vielleicht geschah alles dies und selbst seine Aussage als Zeuge gegen die Königin (daß er nichts gegen sie vorzubringen wisse, sich aber für seine Person über sie zu beklagen habe), blos deswegen, um in so kritischen Zeitpunkten zwar sich selbst zu retten, aber doch auch der königlichen Familie nicht schädlich zu sein. Wenigstens schildern mehrere Schriftsteller dʼEstaing als einen Mann von festem und gutem Charakter, welchen der Herzog von Orleans vergebens in
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sein Interesse zu ziehen gesucht und deshalb seinen Tod beschleunigt habe. Im J. 1792 wurde er noch zum Admiral von Frankreich ernannt; allein am 28. April 1794 verlor er sein Leben unter der Guillotine.
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Ansicht: d'Estaing, Johann Baptiste Carl Graf