Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Costnitzer, Das
Das Costnitzer Concilium ist eine der merkwürdigsten Kirchenversammlungen, welche von 1414 (4. Nov.) bis 1418 (22. April) zu Costnitz1 gehalten wurde. Der Kaiser, der Papst, 26 Fürsten, 140 Grafen, mehr als 20 Cardinäle, 7 Patriarchen, 20 Erzbischöfe, 92 Bischöfe, 600 Prälaten und Doctoren und gegen 4000 Priester erschienen auf derselben, zu welcher die Zerrüttungen und Streitigkeiten in Kirchensachen die Veranlassung gaben. Zwei und siebenzig Jahre hindurch, von 1305 bis 1377, hatten die Päpste in Avignon ihre Residenz gehabt, als endlich Gregor XI. sie 1378 wieder nach Rom verlegte, aber auch gleich darauf starb. Da nun die italiänischen und französischen Cardinäle sich über den zu wählenden Papst nicht vereinigen konnten, so wählte jede Parthei ihren eignen, so daß durch diese Wahl zweier Päpste 40 Jahre lang ein Schisma (s. dies. Artik.) entstand; ja, als Kaiser Siegmund 1411 den Kaiserthron bestieg, waren sogar drei Päpste, welche einander wechselsweise in den Bann thaten. Um diesen Unordnungen und der Verbreitung der Lehre Huß ein Ende zu machen, reisete Kaiser Siegmund in Person nach Italien, Frankreich, Spanien und England, und berief – wie Kaiser Maximilian I. im Scherze zu sagen pflegte, als des römischen Reichs Büttel – eine allgemeine Kirchenversammlung zusammen. Auf dieser————
wurden Wiclefs und Hussens angebliche Ketzereien verdammt, und dieser, des ihm gegebenen kaiserlichen sichern Geleites ungeachtet, am 6 Juli 1415, sein Freund und Gefährte, Hieronymus von Prag, aber am 30. Mai 1416 zum Scheiterhaufen verurtheilet und verbrannt. Nachdem man durch diesen doppelten Mord der Verbreitung der Ketzereien hinlänglich vorgebaut zu haben glaubte, schritt man zur Absetzung der drei Päpste, Johannʼs XXII. (oder auch XXIII.), Gregorʼs XII. und Benedietʼs XIII. Johann, der selbst auf dem Concilio gegenwärtig war, mußte in seine Absetzung willigen. Zwar entfloh er in Soldatenkleidern, durch Hülfe Herzog Friedrichs von Oestreich, der darüber in Acht und Bann fiel und einen großen Theil seiner Lande verlor; allein endlich unterwarf sich Friedrich, lieferte Johann selbst an das Concilium und ins Gefängniß, und dieser ließ sich endlich mit der bloßen Cardinalswürde begnügen. Eben dies that Gregor XII., der jedoch selbst resignirte. Benedict XIII. behielt zwar noch einige Zeit in Spanien den päpstlichen Titel, wurde aber nicht geachtet. Dagegen wurde Martin V. als nunmehriger rechtmäßiger Papst gewählt. Siegmund glaubte nun eine gänzliche Verbesserung der kirchlichen Angelegenheiten bewirken zu können; allein da der neue Papst wider des Kaisers Willen sich nach Italien begab, so ging die ganze Kirchenversammlung auseinander, ohne daß der Zweck
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derselben erreicht worden war. Dieses geschah erst im Jahr 1431 auf dem Concilium zu Basel, auf welchem man den Papst den Aussprüchen eines Conciliums unterwarf, und Hussens Anhängern den Genuß des Abendmahls unter beiderlei Gestalt erlaubte.
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Fußnoten
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1 Cosinitz oder Costanz, eine Stadt am Bodensee, welche (von 800 Häusern und ungefähr 4500 Einwohnern, sich besonders durch Cattunfabriken und Handel mit Wein und Gartenfrüchten nähren) mit einem akademischen Gymnasium und Lyceum, war ehedem eine freie Reichsstadt; allein da sie das Interim (s d. Art.) nicht annehmen wollte, wurde sie vom Kaiser Carl v. in die Acht erklärt, und kam unter östreichische Oberherrschaft, durch den Presburger Friedrn 1805 aber an das Großherzogthum Baden.
Das Costnitzer Concilium ist eine der merkwürdigsten Kirchenversammlungen, welche von 1414 (4. Nov.) bis 1418 (22. April) zu Costnitz1 gehalten wurde. Der Kaiser, der Papst, 26 Fürsten, 140 Grafen, mehr als 20 Cardinäle, 7 Patriarchen, 20 Erzbischöfe, 92 Bischöfe, 600 Prälaten und Doctoren und gegen 4000 Priester erschienen auf derselben, zu welcher die Zerrüttungen und Streitigkeiten in Kirchensachen die Veranlassung gaben. Zwei und siebenzig Jahre hindurch, von 1305 bis 1377, hatten die Päpste in Avignon ihre Residenz gehabt, als endlich Gregor XI. sie 1378 wieder nach Rom verlegte, aber auch gleich darauf starb. Da nun die italiänischen und französischen Cardinäle sich über den zu wählenden Papst nicht vereinigen konnten, so wählte jede Parthei ihren eignen, so daß durch diese Wahl zweier Päpste 40 Jahre lang ein Schisma (s. dies. Artik.) entstand; ja, als Kaiser Siegmund 1411 den Kaiserthron bestieg, waren sogar drei Päpste, welche einander wechselsweise in den Bann thaten. Um diesen Unordnungen und der Verbreitung der Lehre Huß ein Ende zu machen, reisete Kaiser Siegmund in Person nach Italien, Frankreich, Spanien und England, und berief – wie Kaiser Maximilian I. im Scherze zu sagen pflegte, als des römischen Reichs Büttel – eine allgemeine Kirchenversammlung zusammen. Auf dieser————
wurden Wiclefs und Hussens angebliche Ketzereien verdammt, und dieser, des ihm gegebenen kaiserlichen sichern Geleites ungeachtet, am 6 Juli 1415, sein Freund und Gefährte, Hieronymus von Prag, aber am 30. Mai 1416 zum Scheiterhaufen verurtheilet und verbrannt. Nachdem man durch diesen doppelten Mord der Verbreitung der Ketzereien hinlänglich vorgebaut zu haben glaubte, schritt man zur Absetzung der drei Päpste, Johannʼs XXII. (oder auch XXIII.), Gregorʼs XII. und Benedietʼs XIII. Johann, der selbst auf dem Concilio gegenwärtig war, mußte in seine Absetzung willigen. Zwar entfloh er in Soldatenkleidern, durch Hülfe Herzog Friedrichs von Oestreich, der darüber in Acht und Bann fiel und einen großen Theil seiner Lande verlor; allein endlich unterwarf sich Friedrich, lieferte Johann selbst an das Concilium und ins Gefängniß, und dieser ließ sich endlich mit der bloßen Cardinalswürde begnügen. Eben dies that Gregor XII., der jedoch selbst resignirte. Benedict XIII. behielt zwar noch einige Zeit in Spanien den päpstlichen Titel, wurde aber nicht geachtet. Dagegen wurde Martin V. als nunmehriger rechtmäßiger Papst gewählt. Siegmund glaubte nun eine gänzliche Verbesserung der kirchlichen Angelegenheiten bewirken zu können; allein da der neue Papst wider des Kaisers Willen sich nach Italien begab, so ging die ganze Kirchenversammlung auseinander, ohne daß der Zweck
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derselben erreicht worden war. Dieses geschah erst im Jahr 1431 auf dem Concilium zu Basel, auf welchem man den Papst den Aussprüchen eines Conciliums unterwarf, und Hussens Anhängern den Genuß des Abendmahls unter beiderlei Gestalt erlaubte.
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Fußnoten
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1 Cosinitz oder Costanz, eine Stadt am Bodensee, welche (von 800 Häusern und ungefähr 4500 Einwohnern, sich besonders durch Cattunfabriken und Handel mit Wein und Gartenfrüchten nähren) mit einem akademischen Gymnasium und Lyceum, war ehedem eine freie Reichsstadt; allein da sie das Interim (s d. Art.) nicht annehmen wollte, wurde sie vom Kaiser Carl v. in die Acht erklärt, und kam unter östreichische Oberherrschaft, durch den Presburger Friedrn 1805 aber an das Großherzogthum Baden.