Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Coriolanus, Cajus Marcius
Cajus Marcius Coriolanus, einer der vorzüglichsten Helden der ältesten Römischen Republik, erwarb seinem Vaterlande anfänglich die ausgezeichnetsten Vortheile, und brachte es nachher an den Rand des Abgrunds. Sein Charakter enthält ein sonderbares Gemisch von edlen und verabscheuungswerthen Eigenschaftten; denn er verband mit Uneigennützigkeit, Muth, Klugheit, Standhaftigkeit und beispielloser Tapferkeit eine grenzenlose Rachgier, war jähzornig, unbiegsam, ehrgeitzig und gegen seine Feinde unerbittlich. Er eroberte als gemeiner Soldat im Jahr 261 nach Erbauung Roms (493 vor christlicher Zeitrechnung), da schon fast alle Römer flohen, die Festung Corioli, und schlug gleich darauf ein zum Entsatz derselben herbei eilendes Heer. Als er wegen dieser verdienstvollen That den Beinamen Coriolan erhielt, bekam sein Ehrgeitz neue Nahrung, und er glaubte nun, jede Ehrenstufe ersteigen zu können; er hielt daher im folgenden Jahre um das Consulat an, ward aber, weil er dabei durch seinen Stolz das wählende Volk beleidigte, nicht dazu ernannt. Von dem Augenblicke an beseelte ihn ein unauflöslicher Haß gegen das Volk und dessen Stellvertreter (Tribunen); er verband sich genauer noch, als vorher, mit den Patriciern oder dem Adel, zu dem er selbst gehörte, und bald fand er Gelegenheit zur Befriedigung seiner Rach-————
sucht. Er schlug nehmlich bei einer langwierigen Getreidetheuerung vor, dem Volke, dem sie am drückendsten war, unter keiner andern Bedingung Getreide zu reichen, als wenn es seine Vorrechte aufgeben wollte. Allein sogleich klagten ihn die Tribunen, denen er ohnehin als Aristokrat verhaßt war, des Verbrechens der Tyrannei und der beleidigten Volksmajestät an; und er ward nach gehaltenem Gericht, bei dem die Triubnen alle Künste der Verläumdung anwandten, aus dem Vaterlande verwiesen. Wüthend vor Zorn und Verzweiflung überredete er den König der angrenzenden Volsker, Tullus, die Römer zu bekriegen, erhielt selbst ein Heer, eroberte viele Plätze und nahte sich schon den Mauern der zitternden Hauptstadt. Gesandte der Römer baten ihn um Frieden, allein umsonst! Priester selbst nahten sich ihm und flehten um Schonung, allein er wieß sie zurück; das Volk wollte das verdammende Urtheil widerrufen, allein er lachte über ein solches Anerbieten. Endlich ging seine Mutter, begleitet von seiner Gemahlin und Kindern, zu ihm ins Lager, stellte ihm das Schändliche seiner That vor, und hörte nicht auf, ihn um Rettung Roms zu bitten. Nun erst erwachte in seiner Seele die längst schlafende Anhänglichkeit an sein Vaterland und seine Familie: er gab der Mutter Bitten Gehör, und ließ, von Gewissensbissen gepeinigt, das Heer zurück ziehen. Sein ferneres Schicksal ist unge-
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wiß: einige sagen, Tullus habe ihn, da er durch den Rückzug auch an ihn zum Verräther geworden sei, umbringen lassen; nach andern Nachrichten soll er bis ins späteste Alter als Verwiesener ein elendes Leben geführt haben. Diese Härte des Schicksals traf ihn nicht unverdient: denn wenn er gleich wegen seiner ehemaligen Verdienste mit etwas mehr Nachsicht hätte behandelt werden sollen, und wenn auch sein Uebergang zu den Volskern Folge der Uebereilung und Leidenschaft war; so bleibt doch die Art, wie er sich an seinem Vaterlande rächte, höchst ungerecht und verabscheuungswerth.
Cajus Marcius Coriolanus, einer der vorzüglichsten Helden der ältesten Römischen Republik, erwarb seinem Vaterlande anfänglich die ausgezeichnetsten Vortheile, und brachte es nachher an den Rand des Abgrunds. Sein Charakter enthält ein sonderbares Gemisch von edlen und verabscheuungswerthen Eigenschaftten; denn er verband mit Uneigennützigkeit, Muth, Klugheit, Standhaftigkeit und beispielloser Tapferkeit eine grenzenlose Rachgier, war jähzornig, unbiegsam, ehrgeitzig und gegen seine Feinde unerbittlich. Er eroberte als gemeiner Soldat im Jahr 261 nach Erbauung Roms (493 vor christlicher Zeitrechnung), da schon fast alle Römer flohen, die Festung Corioli, und schlug gleich darauf ein zum Entsatz derselben herbei eilendes Heer. Als er wegen dieser verdienstvollen That den Beinamen Coriolan erhielt, bekam sein Ehrgeitz neue Nahrung, und er glaubte nun, jede Ehrenstufe ersteigen zu können; er hielt daher im folgenden Jahre um das Consulat an, ward aber, weil er dabei durch seinen Stolz das wählende Volk beleidigte, nicht dazu ernannt. Von dem Augenblicke an beseelte ihn ein unauflöslicher Haß gegen das Volk und dessen Stellvertreter (Tribunen); er verband sich genauer noch, als vorher, mit den Patriciern oder dem Adel, zu dem er selbst gehörte, und bald fand er Gelegenheit zur Befriedigung seiner Rach-————
sucht. Er schlug nehmlich bei einer langwierigen Getreidetheuerung vor, dem Volke, dem sie am drückendsten war, unter keiner andern Bedingung Getreide zu reichen, als wenn es seine Vorrechte aufgeben wollte. Allein sogleich klagten ihn die Tribunen, denen er ohnehin als Aristokrat verhaßt war, des Verbrechens der Tyrannei und der beleidigten Volksmajestät an; und er ward nach gehaltenem Gericht, bei dem die Triubnen alle Künste der Verläumdung anwandten, aus dem Vaterlande verwiesen. Wüthend vor Zorn und Verzweiflung überredete er den König der angrenzenden Volsker, Tullus, die Römer zu bekriegen, erhielt selbst ein Heer, eroberte viele Plätze und nahte sich schon den Mauern der zitternden Hauptstadt. Gesandte der Römer baten ihn um Frieden, allein umsonst! Priester selbst nahten sich ihm und flehten um Schonung, allein er wieß sie zurück; das Volk wollte das verdammende Urtheil widerrufen, allein er lachte über ein solches Anerbieten. Endlich ging seine Mutter, begleitet von seiner Gemahlin und Kindern, zu ihm ins Lager, stellte ihm das Schändliche seiner That vor, und hörte nicht auf, ihn um Rettung Roms zu bitten. Nun erst erwachte in seiner Seele die längst schlafende Anhänglichkeit an sein Vaterland und seine Familie: er gab der Mutter Bitten Gehör, und ließ, von Gewissensbissen gepeinigt, das Heer zurück ziehen. Sein ferneres Schicksal ist unge-
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wiß: einige sagen, Tullus habe ihn, da er durch den Rückzug auch an ihn zum Verräther geworden sei, umbringen lassen; nach andern Nachrichten soll er bis ins späteste Alter als Verwiesener ein elendes Leben geführt haben. Diese Härte des Schicksals traf ihn nicht unverdient: denn wenn er gleich wegen seiner ehemaligen Verdienste mit etwas mehr Nachsicht hätte behandelt werden sollen, und wenn auch sein Uebergang zu den Volskern Folge der Uebereilung und Leidenschaft war; so bleibt doch die Art, wie er sich an seinem Vaterlande rächte, höchst ungerecht und verabscheuungswerth.