Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Calonne
Calonne. In London, wohin Calonne flüchten mußte, suchte er sich auf alle Art wichtig zu machen: er wurde sehr vertraut mit Pitt, war so zu reden Premierminister der emigrirten Französischen Prinzen, und hatte mehrere Zeitungsschreiber in seinem Solde; auch machte er einen überaus großen Aufwand, legte eine Bibliothek und Bildergallerie an u. s. w. Da er aber nach einigen Jahren entweder wirklich fand, daß er zu viel aufgewendet habe – und zwar vergebens – oder sich doch wenigstens gegen die zudringlichen Forderungen der Französischen Prinzen sichern zu müssen glaubte: so fing er i. J. 1793 an, die Rolle eines genügsamen Philosophen zu spielen; und i. J. 1794 reiste er nach Italien und Rußland, während in London seine Sachen verkauft wurden.————————
Herr von Calonne, einer der berühmtesten Französischen Finanzminister, der in den Jahren 1783 – 1787 die Finanzen verwaltete, und durch die leichtsinnige Verschwendung, welcher er sich schuldig machte, die nachherige Revolution herbei führen half. Er verband mit einigen Kenntnissen ungemein viel höfische Geschmeidigkeit, und wußte sich jedem Verhältnisse gehörig anzupassen. Aber das Volk haßte ihn schon vor seiner Erhebung zum Minister als einen Günstling der Königin und der Familie Polignac, und wurde noch heftiger gegen ihn erbittert, da er seine Operationen mit der Wiedereinsetzung der verhaßten Generalpächter begann, die sein Vorfahrer im Finanzdepartement, dʼOrmesson, abgeschafft hatte. Calonne fand in dem königlichen Schatz einen beträchtlichen Ueberschuß, den man der öconomischen Verwaltung Neckers verdankte. Dieser Ueberschuß, der durch neue Auflagen jährlich um ein beträchtliches vermehrt wurde, hätte zur Tilgung der Staatsschulden angewendet werden sollen; aber Calonne, der, unbekümmert für die Zukunft, bloß dem Bedürfniß des Augenblicks abhelfen wollte, fand es für rathsamer, neue Anlehen zu eröffnen, um sich ansehnliche Summen in barem Gelde zu verschaffen, dessen man am Hofe sehr benöthigt war. Das Mittel gelang, und der größte Theil der Hofleute staunte die angebliche Weisheit des Finanzmini-
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sters an, der zu einer Zeit Rath zu schaffen wußte, wo alle Hülfsquellen zu versiegen schienen. Niemand hatte aber wohl ein größeres Geldbedürfniß als Calonne selbst. Sein eigenes Vermögen hatte er längst durchgebracht, und noch überdieß große Schulden gemacht. Je empfindlicher er also selbst den Geldmangel fühlte, desto williger suchte er den Forderungen der Höflinge Gnüge zu leisten, die sich mit ihm beinahe alle in gleichem Verhältnisse befanden. Das aufgebrachte Geld wurde auf die unverantwortlichste Weise verschwendet, und der Hof schwamm im Ueberflusse, während daß das Volk im tiefsten Elend schmachtete. Calonne war so freigebig, daß er im Anfange des Jahres 1786 einer seiner Geliebten eine Schachtel voll Bergamottentäfelchen schenkte, wovon jedes einzelne in eine Banknote von 1000 Livres gewickelt war. Doch gegen das Ende des Jahres 1786 fingen alle Hülfsquellen an auf einmal zu verschwinden, der Credit der Regierung war gänzlich dahin, und Calonne wußte nicht mehr, woher er neue Summen auftreiben sollte. In dieser verzweifelten Lage bewog er den König, die Notabeln zu versammeln. Sie eröffneten ihre Sitzungen den 22. Febr. 1787, verwarfen aber alle Projecte des Finanzministers, der nur mit neuen Geldspeculationen beschäftigt war. Seine schändlichen Operationen wurden nun allgemein bekannt; er erhielt, ungeachtet einiger wirklich nützli-
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chen Einrichtungen, die er in der letzten Zeit seines Ministeriums gemacht hatte, die Dimission den 8. April 1787, und mußte sich nach England flüchten, um der Wuth des Volks zu entgehen. Ein ansehnlicher Geldvorrath, den er mit sich genommen hatte, machte es ihm möglich, hier seine Verschwendung fortzusetzen, und der Revolution von ferne ruhig zuzusehen. Neuerlich hat er eine Schrift über Frankreichs Finanzen herausgegeben, worin er die großen Hülfsquellen, die diesem Lande, selbst bei dem gänzlichen Mißcredit der Assignaten übrig bleiben, bemerklich macht. Ob diese Schrift durch Anregung des Brittischen Cabinets veranlaßt worden ist, oder ob der große Finanzkünstler Calonne sich dadurch der herrschenden Partei hat empfehlen wollen, kann wohl nicht ganz gewiß bestimmt werden.
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*Herr von Calonne. – Bei dem bereits im 2ten Theil S. 454 befindlichen Zusatz bemerken wir nur noch, daß dieser Minister, dessen Geburtsort Douay war, im Jahr 1802 die Erlaubniß erhielt, wieder nach Frankreich zurückzukehren, daß aber dieser merkwürdige Finanzminister noch in demselben Jahre, den 29. October zu Paris sein Leben beschloß.
Herr von Calonne, einer der berühmtesten Französischen Finanzminister, der in den Jahren 1783 – 1787 die Finanzen verwaltete, und durch die leichtsinnige Verschwendung, welcher er sich schuldig machte, die nachherige Revolution herbei führen half. Er verband mit einigen Kenntnissen ungemein viel höfische Geschmeidigkeit, und wußte sich jedem Verhältnisse gehörig anzupassen. Aber das Volk haßte ihn schon vor seiner Erhebung zum Minister als einen Günstling der Königin und der Familie Polignac, und wurde noch heftiger gegen ihn erbittert, da er seine Operationen mit der Wiedereinsetzung der verhaßten Generalpächter begann, die sein Vorfahrer im Finanzdepartement, dʼOrmesson, abgeschafft hatte. Calonne fand in dem königlichen Schatz einen beträchtlichen Ueberschuß, den man der öconomischen Verwaltung Neckers verdankte. Dieser Ueberschuß, der durch neue Auflagen jährlich um ein beträchtliches vermehrt wurde, hätte zur Tilgung der Staatsschulden angewendet werden sollen; aber Calonne, der, unbekümmert für die Zukunft, bloß dem Bedürfniß des Augenblicks abhelfen wollte, fand es für rathsamer, neue Anlehen zu eröffnen, um sich ansehnliche Summen in barem Gelde zu verschaffen, dessen man am Hofe sehr benöthigt war. Das Mittel gelang, und der größte Theil der Hofleute staunte die angebliche Weisheit des Finanzmini-
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sters an, der zu einer Zeit Rath zu schaffen wußte, wo alle Hülfsquellen zu versiegen schienen. Niemand hatte aber wohl ein größeres Geldbedürfniß als Calonne selbst. Sein eigenes Vermögen hatte er längst durchgebracht, und noch überdieß große Schulden gemacht. Je empfindlicher er also selbst den Geldmangel fühlte, desto williger suchte er den Forderungen der Höflinge Gnüge zu leisten, die sich mit ihm beinahe alle in gleichem Verhältnisse befanden. Das aufgebrachte Geld wurde auf die unverantwortlichste Weise verschwendet, und der Hof schwamm im Ueberflusse, während daß das Volk im tiefsten Elend schmachtete. Calonne war so freigebig, daß er im Anfange des Jahres 1786 einer seiner Geliebten eine Schachtel voll Bergamottentäfelchen schenkte, wovon jedes einzelne in eine Banknote von 1000 Livres gewickelt war. Doch gegen das Ende des Jahres 1786 fingen alle Hülfsquellen an auf einmal zu verschwinden, der Credit der Regierung war gänzlich dahin, und Calonne wußte nicht mehr, woher er neue Summen auftreiben sollte. In dieser verzweifelten Lage bewog er den König, die Notabeln zu versammeln. Sie eröffneten ihre Sitzungen den 22. Febr. 1787, verwarfen aber alle Projecte des Finanzministers, der nur mit neuen Geldspeculationen beschäftigt war. Seine schändlichen Operationen wurden nun allgemein bekannt; er erhielt, ungeachtet einiger wirklich nützli-
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chen Einrichtungen, die er in der letzten Zeit seines Ministeriums gemacht hatte, die Dimission den 8. April 1787, und mußte sich nach England flüchten, um der Wuth des Volks zu entgehen. Ein ansehnlicher Geldvorrath, den er mit sich genommen hatte, machte es ihm möglich, hier seine Verschwendung fortzusetzen, und der Revolution von ferne ruhig zuzusehen. Neuerlich hat er eine Schrift über Frankreichs Finanzen herausgegeben, worin er die großen Hülfsquellen, die diesem Lande, selbst bei dem gänzlichen Mißcredit der Assignaten übrig bleiben, bemerklich macht. Ob diese Schrift durch Anregung des Brittischen Cabinets veranlaßt worden ist, oder ob der große Finanzkünstler Calonne sich dadurch der herrschenden Partei hat empfehlen wollen, kann wohl nicht ganz gewiß bestimmt werden.
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*Herr von Calonne. – Bei dem bereits im 2ten Theil S. 454 befindlichen Zusatz bemerken wir nur noch, daß dieser Minister, dessen Geburtsort Douay war, im Jahr 1802 die Erlaubniß erhielt, wieder nach Frankreich zurückzukehren, daß aber dieser merkwürdige Finanzminister noch in demselben Jahre, den 29. October zu Paris sein Leben beschloß.