Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Cagliostro, Graf
Graf Cagliostro, oder, wie sein eigentlicher Name war, Joseph Balsamo, wurde am 8. Juni 1743 zu Palermo geboren. Da sein Vater frühzeitig starb, so übernahmen die mütterlichen Verwandten seine Erziehung, und brachten ihn in den Orden der barmherzigen Brüder, welche sich vorzüglich die Verpflegung der Kranken angelegen sein lassen. Balsamo fand hier Gelegenheit, sein Talent für medicinische Wissenschaften, mit denen er in der Folge so viel Aufsehen machte, zu entwickeln, zeigte aber zugleich großen Hang zu Ausschweifungen, und beging verschiedene Excesse, weßwegen man sich genöthigt sah, ihn bald wieder aus dem Orden zu entfernen, weil sein Beispiel den übrigen Brüdern hätte sehr gefährlich werden können. Er kehrte nach Palermo zurück, und täuschte daselbst einige leichtgläubige Personen mit so genannten Zauberkünsten und mit Schatzgraben. Ueberdieß spielte er noch andere Betrügereien, und machte besonders von seiner schädlichen Geschicklichkeit, alle Handschriften täuschend nachzuahmen, Gebrauch. Er wollte sich durch Verfälschung eines Documents in den Besitz eines streitigen Grundstücks setzen; aber seine Betrügerei kam an Tag, und er sah sich genöthigt, heimlich die Flucht zu nehmen, um einer nachdrücklichen Ahndung der Justiz zu entgehen. Jetzt wollte er sich nach Rom begeben; aber auf————
seiner Durchreise durch Calabrien machte er eine Entdeckung, welche ihm in der Folge weit vortheilhafter und einträglicher ward, als seine medicinische Praxis und angebliche Schwarzekunst bis jetzt gewesen war. Er lernte nehmlich ein junges Mädchen, die Tochter eines Gürtlers, kennen. Sie schien ihm zur Ausführung seiner Plane, welche auf Gelderwerb und Betrügereien abgesehen waren, vorzüglich geschickt. Er verband sich dahero mit ihr, und zwang sie bald darauf, seine schändlichen Absichten mit dem Verlust ihrer eigenen Tugend befördern zu helfen. Nun nahmen seine Wanderschaften, auf welchen er sich zu mehrerer Empfehlung hohe Titel beilegte, und erst unter dem Namen des Marchese Pellegrini, und dann des Grafen Cagliostro auftrat, ihren Anfang. Er durchzog als wahrer Vagabund mehrere Länder Europens, verweilte in den Hauptstädten derselben, und verschaffte sich durch die Gefälligkeit seiner Frau, die er alle weibliche Sprödigkeit zu verläugnen genöthigt hatte, beträchtliche Summen. Wir finden unsern Helden in Madrit, Lissabon, Paris, London und einer Menge anderer Städte; überall weiß er fein zu betrügen, und immer ist er so glücklich, sich noch zeitig genug durch die Flucht zu retten, wenn zuweilen einem oder dem andern Betrogenen die Augen aufgegangen waren, und die wachende Gerechtigkeit den Betrüger zu entlarven drohte. Auffindung des Steines
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der Weisen, Zubereitung einer köstlichen Lebenstinctur, und andere treffliche Universalessenzen, welche nur durch geheime Operationen hervorgebracht werden können, waren immer der Ball, womit Cagliostro seine leichtgläubigen Jünger um eine verhältnißmäßige Einlage an barem Gelde spielen ließ. Manche wollten sich nicht gerade von ihm in die Tiefen der Magie einweihen lassen, sondern begnügten sich, für ansehnliche Summen andere Arzneimittel zu erhandeln, unter denen sich besonders ein Schönheitswasser befand, womit Cagliostro alle alte Damen von den fatalen Runzeln im Gesicht zu befreien versprach. Dieß einträgliche Handwerk trieb unser Held mehrere Jahre. Da aber mit der abnehmenden Schönheit seiner Frau, viele einträgliche Hülfsquellen für ihn zu versiegen anfingen, und der Handel mit den Medicamenten auch zu stocken begann: so beschloß er als Stifter einer neuen und geheimen Secte sein Glück zu versuchen, ließ sich deßwegen bei seinem zweiten Aufenthalt in London zum Freimaurer aufnehmen, und spielte seitdem die Rolle eines Wunderthäters und Magiers, worin er die Augen aller schwärmerischen Köpfe Europens auf sich zog. Die Gräfin Cagliostro blieb ihrer Seits auch nicht unthätig: sie war die erste und gelehrigste Schülerin ihres Mannes, und spielte nunmehro die Rolle einer Priesterin der geheimen Weisheit eben so meisterhaft, als sie vorher die Priesterin einer ge-
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wissen andern Göttin gespielt hatte. Das System, wodurch Cagliostro einen alten Egyptischen Orden, dessen Stifter Enoch und Elias gewesen sein sollten, wieder herstellen wollte, war ein Lehrgebäude der abgeschmacktesten Träumereien und des aberwitzigsten Unsinns; aber der Anstrich des Ueberirdischen und Geheimnißvollen, womit es übertüncht war, und die täuschende Wunderkraft seines Urhebers, welcher bald mit der anscheinlichsten Uneigennützigkeit Kranke unentgeldlich curirte, bald als großer Cophta (diesen Namen hatte er sich als Wiederhersteller der Egyptischen Maurerei beigelegt) die Geheimnisse der Zukunft offenbarte, erwarben ihm viel Freunde und Beförderer. Cagliostro durchstreifte abermals Europa, und machte besonders in Mitau, Straßburg, Lyon und Paris ungemeines Aufsehen. Bei seinem Aufenthalt in der letzt genannten Stadt (1785) hatte er das Unglück, in die berüchtigte Halsbandgeschichte verwickelt zu werden, wurde als ein Vertrauter des Cardinal Rohan zugleich mit ihm in die Bastille gesetzt, und erhielt endlich einen königlichen Befehl, Frankreich zu verlassen. Seine zahlreichen Anhänger suchten ihn zwar zu retten, aber vergebens; die königliche Gewalt drang durch, Cagliostro begab sich wieder nach London, und erließ mehrere Sendschreiben an seine Anhänger, worin er sich über die in Frankreich erlittne Beschimpfung bitter beklagte, und den Französischen
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Hof mit den schwärzesten Farben schilderte. Von London, wo er sich auch nicht lange halten konnte, reiste er nach Basel und in andre Städte der dasigen Gegend, gab aber endlich den wiederholten Bitten seiner Frau und anderer Freunde Gehör, und kehrte im Frühling 1789 nach Rom zurück, wo er sich mit der Maurerei beschäftigte, aber entdeckt und den 27. Dec. 1789 auf die Engelsburg gebracht wurde. Man instruirte einen Prozeß gegen ihn, und er wurde, zu Folge eines päpstlichen Definitiv-Erkenntnisses vom 7. April 1791, als ein Erzketzer und der römisch-katholischen Religion höchst gefährlicher Mann zu lebenslänglicher Haft verurtheilt. Die Inquisition ließ, ganz wider ihre Gewohnheit, einen Auszug aus den Prozeßacten bekannt machen, und glaubte dadurch das Publicum über den wahren Charakter dieses Betrügers hinlänglich aufgeklärt zu haben: aber es sind noch manche Dunkelheiten in seiner Geschichte übrig geblieben; und selbst über die eigentliche Ursache seines Verhafts wird viel gestritten. Einige hielten ihn für einen geheimen Emissar der Jesuiten, den man, da man ihn nicht länger brauchen konnte, in Sicherheit gebracht habe, um sich seines Stillschweigens zu versichern; andere glaubten, daß er das Oberhaupt eines großen unsichtbaren Bundes gewesen wäre, der den Umsturz aller Monarchien beabsichtigen soll. Man erweist ihn aber vielleicht zu viel Ehre, indem man ihm
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so tief durchdachte Plane zuschreibt. Höchst wahrscheinlich war er nur ein feiner Betrüger, der allen Parteien dienre, und deswegen bei den Protestanten für einen Beförderer des Katholicismus gehalten wurde, bei den Katholiken aber für einen Beschützer des Protestantismus galt. Sein Tod machte alle fernern geheimen Machinationen überflüssig; er starb im Sommer 1795 im Gefängnisse zu St. Leo, einer kleinen Stadt im Kirchenstaate.
seiner Durchreise durch Calabrien machte er eine Entdeckung, welche ihm in der Folge weit vortheilhafter und einträglicher ward, als seine medicinische Praxis und angebliche Schwarzekunst bis jetzt gewesen war. Er lernte nehmlich ein junges Mädchen, die Tochter eines Gürtlers, kennen. Sie schien ihm zur Ausführung seiner Plane, welche auf Gelderwerb und Betrügereien abgesehen waren, vorzüglich geschickt. Er verband sich dahero mit ihr, und zwang sie bald darauf, seine schändlichen Absichten mit dem Verlust ihrer eigenen Tugend befördern zu helfen. Nun nahmen seine Wanderschaften, auf welchen er sich zu mehrerer Empfehlung hohe Titel beilegte, und erst unter dem Namen des Marchese Pellegrini, und dann des Grafen Cagliostro auftrat, ihren Anfang. Er durchzog als wahrer Vagabund mehrere Länder Europens, verweilte in den Hauptstädten derselben, und verschaffte sich durch die Gefälligkeit seiner Frau, die er alle weibliche Sprödigkeit zu verläugnen genöthigt hatte, beträchtliche Summen. Wir finden unsern Helden in Madrit, Lissabon, Paris, London und einer Menge anderer Städte; überall weiß er fein zu betrügen, und immer ist er so glücklich, sich noch zeitig genug durch die Flucht zu retten, wenn zuweilen einem oder dem andern Betrogenen die Augen aufgegangen waren, und die wachende Gerechtigkeit den Betrüger zu entlarven drohte. Auffindung des Steines
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der Weisen, Zubereitung einer köstlichen Lebenstinctur, und andere treffliche Universalessenzen, welche nur durch geheime Operationen hervorgebracht werden können, waren immer der Ball, womit Cagliostro seine leichtgläubigen Jünger um eine verhältnißmäßige Einlage an barem Gelde spielen ließ. Manche wollten sich nicht gerade von ihm in die Tiefen der Magie einweihen lassen, sondern begnügten sich, für ansehnliche Summen andere Arzneimittel zu erhandeln, unter denen sich besonders ein Schönheitswasser befand, womit Cagliostro alle alte Damen von den fatalen Runzeln im Gesicht zu befreien versprach. Dieß einträgliche Handwerk trieb unser Held mehrere Jahre. Da aber mit der abnehmenden Schönheit seiner Frau, viele einträgliche Hülfsquellen für ihn zu versiegen anfingen, und der Handel mit den Medicamenten auch zu stocken begann: so beschloß er als Stifter einer neuen und geheimen Secte sein Glück zu versuchen, ließ sich deßwegen bei seinem zweiten Aufenthalt in London zum Freimaurer aufnehmen, und spielte seitdem die Rolle eines Wunderthäters und Magiers, worin er die Augen aller schwärmerischen Köpfe Europens auf sich zog. Die Gräfin Cagliostro blieb ihrer Seits auch nicht unthätig: sie war die erste und gelehrigste Schülerin ihres Mannes, und spielte nunmehro die Rolle einer Priesterin der geheimen Weisheit eben so meisterhaft, als sie vorher die Priesterin einer ge-
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wissen andern Göttin gespielt hatte. Das System, wodurch Cagliostro einen alten Egyptischen Orden, dessen Stifter Enoch und Elias gewesen sein sollten, wieder herstellen wollte, war ein Lehrgebäude der abgeschmacktesten Träumereien und des aberwitzigsten Unsinns; aber der Anstrich des Ueberirdischen und Geheimnißvollen, womit es übertüncht war, und die täuschende Wunderkraft seines Urhebers, welcher bald mit der anscheinlichsten Uneigennützigkeit Kranke unentgeldlich curirte, bald als großer Cophta (diesen Namen hatte er sich als Wiederhersteller der Egyptischen Maurerei beigelegt) die Geheimnisse der Zukunft offenbarte, erwarben ihm viel Freunde und Beförderer. Cagliostro durchstreifte abermals Europa, und machte besonders in Mitau, Straßburg, Lyon und Paris ungemeines Aufsehen. Bei seinem Aufenthalt in der letzt genannten Stadt (1785) hatte er das Unglück, in die berüchtigte Halsbandgeschichte verwickelt zu werden, wurde als ein Vertrauter des Cardinal Rohan zugleich mit ihm in die Bastille gesetzt, und erhielt endlich einen königlichen Befehl, Frankreich zu verlassen. Seine zahlreichen Anhänger suchten ihn zwar zu retten, aber vergebens; die königliche Gewalt drang durch, Cagliostro begab sich wieder nach London, und erließ mehrere Sendschreiben an seine Anhänger, worin er sich über die in Frankreich erlittne Beschimpfung bitter beklagte, und den Französischen
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Hof mit den schwärzesten Farben schilderte. Von London, wo er sich auch nicht lange halten konnte, reiste er nach Basel und in andre Städte der dasigen Gegend, gab aber endlich den wiederholten Bitten seiner Frau und anderer Freunde Gehör, und kehrte im Frühling 1789 nach Rom zurück, wo er sich mit der Maurerei beschäftigte, aber entdeckt und den 27. Dec. 1789 auf die Engelsburg gebracht wurde. Man instruirte einen Prozeß gegen ihn, und er wurde, zu Folge eines päpstlichen Definitiv-Erkenntnisses vom 7. April 1791, als ein Erzketzer und der römisch-katholischen Religion höchst gefährlicher Mann zu lebenslänglicher Haft verurtheilt. Die Inquisition ließ, ganz wider ihre Gewohnheit, einen Auszug aus den Prozeßacten bekannt machen, und glaubte dadurch das Publicum über den wahren Charakter dieses Betrügers hinlänglich aufgeklärt zu haben: aber es sind noch manche Dunkelheiten in seiner Geschichte übrig geblieben; und selbst über die eigentliche Ursache seines Verhafts wird viel gestritten. Einige hielten ihn für einen geheimen Emissar der Jesuiten, den man, da man ihn nicht länger brauchen konnte, in Sicherheit gebracht habe, um sich seines Stillschweigens zu versichern; andere glaubten, daß er das Oberhaupt eines großen unsichtbaren Bundes gewesen wäre, der den Umsturz aller Monarchien beabsichtigen soll. Man erweist ihn aber vielleicht zu viel Ehre, indem man ihm
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so tief durchdachte Plane zuschreibt. Höchst wahrscheinlich war er nur ein feiner Betrüger, der allen Parteien dienre, und deswegen bei den Protestanten für einen Beförderer des Katholicismus gehalten wurde, bei den Katholiken aber für einen Beschützer des Protestantismus galt. Sein Tod machte alle fernern geheimen Machinationen überflüssig; er starb im Sommer 1795 im Gefängnisse zu St. Leo, einer kleinen Stadt im Kirchenstaate.