Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Böhmen
Böhmen, ein Königreich, zu welchem ehedem auch die Ober- und Niederlausitz und Schlesien gehörte. Es ist mit dem Marggrafthum Mähren verknüpft, und gränzt gegen Westen an den Fränkischen Kreis und die Oberpfalz, gegen Osten an Mähren und Schlesien, gegen Norden an die Lausitz und an Meißen, und gegen Süden an Oestreich und Bayern. Die Zahl der Einwohner beträgt etwas über 2500000 Menschen. Dieses Königreich gehört dem Hause Oestreich, und der König von Böhmen ist zugleich Churfürst und Erzschenk des Römischen Reichs. Die Erbfolge erstreckt sich auch auf die weiblichen Nachkommen, welche auch die Churstimme führen dürfen. Die katholische Religion ist die herrschende. Die Leibeigenschaft ist in Böhmen noch nicht ganz aufgehoben. Ein großer Theil der Bürger und die niedern Stände sprechen Böhmisch, welches ein Dialect des Slavischen ist; die höhern Stände sprechen Deutsch oder Französisch. Der Versuch im J. 1765, überall Deutsche Lehrer anzustellen und das Böhmische nach und nach ganz abzuschaffen, ließ sich nicht ausführen. Merkwürdig ist der den Böhmen angeborne Hang zur Musik. Durch die Natur und Regierung unterstützt, haben auch die Böhmen seit etlichen dreißig Jahren viele Fortschritte in Rücksicht auf Manufacturen und Fabriken gemacht.————————
* Böhmen hat seinen Namen von den Bojern, einer uralten celtischen Völkerschaft: diese kamen 600 Jahr vor Christus aus Gallien dahin, wurden aber von den Markomannen verjagt und unterjocht. Böhmen blieb lange Zeit ziemlich unbekannt, und man weiß nur ihre bestimmte und feste Regierung unter den Herzogen, die von 375 nach Christus anfängt. In der Mitte des 6ten Jahrhunderts wurden sie von Zekko überzogen und unterworfen, der das Land auch urbar machte, und dessen Abkömmlinge sich, trotz der vielen Einfälle der Slaven, die sich auch hier festsetzten, dennoch erhielten. Einer der ersten von ihnen, die bekannter geworden sind, war Przemislas, eigentlich ein Bauer, welchem aber 632 die Fürstin Libussa ihre Hand und den Thron gab. – Dann findet man Böhmen unter den Staaten Carls des Großen, bis im J. 840 die Herzogthümer Böhmen, Mähren, Schlesien frei und von ihren eignen Fürsten regiert wurden. Böhmens Herzoge erhielten 1061 vom Kaiser Heinrich IV. den Titel König, welchen Wratislav zuerst führte: und nach und nach erlangte Böhmen bis in die erste Hälfte des 13ten Jahrhunderts ein großes Ansehen unter den europäischen Mächten, besonders unter König Przemislas oder Ottokar I. Nach Herzog Heinrichs von Kärnthen Tode gaben die Böhmen Johann von Luxemburg die Krone (1310), und in der Folge wurde
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diese (1378 bis 1440) von den Königen Carl IV., Wenzeslas und Sigismund, die zugleich Kaiser waren, mit der Krone des deutschen Reichs vereinigt, von welchem sie aber unter Ladislas, König von Hungarn, getrennt und erst 1528 wieder durch Ferdinand von Oestreich damit verbunden wurde. Letzterer machte Böhmen zu einem Wahlreiche, und nach seinem Tode fiel die Wahl auf seinen Sohn Maximilian. So blieb es, bis denn unter Ferdinand III. die böhmische Krone durch den westphälischen Frieden (1648) im Hause Oestreich erblich wurde.
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Böhmen – dessen ansehnlichste Flüsse die Elbe, Moldau und Eger sind, und welches an Getreide aller Art, besonders an Hopfen, Küchen- und Gartengewächsen, Wein (wohin der bekannte Melnicker rothe Wein gehört), Obst, auch guter Viehzucht gesegnet ist, auch im Mineralreiche Gold, Silber, Kupfer, Eisen etc. hervorbringt (daher auch der Bergbau stark betrieben wird), und sich nicht minder der treflichsten Gesundheitsbäder und Brunnen (Carlsbad, Töplitz, Eger) erfreut – enthält nach der 1787 geendigten Vermessung ungefähr 900 Quadratmeilen (wiewohl die neuesten Angaben sie auf 950 setzen) und an Einwohnern im J. 1805 waren 3,263,981 Seelen. Es wird übrigens in die Stadt Prag und 16 Kreise getheilt.
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