Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Berlin
Berlin, die unmittelbare Hauptstadt, Residenz und erste Stadt aller königl. Prenß. und churfürstl. Brandenburgischen Lande, in Churbrandenburg, eine der schönsten Städte in Europa. Alle Gassen sind, wenige ausgenommen, breit und gerade, und die Anzahl der schönen Häuser ist überaus beträchtlich. Berlin hat 15 meist schön gebaute Thore, 268 Straßen und Plätze, 36 Brücken und 33 Kirchen. Der ganze Umfang beträgt 2 1/3 Deutsche Meilen. Zu Ende des Jahres 1785 beliefen sich die Vorderhäuser oder eigentlichen Häuser auf 6644, ohne die öffentlichen Gebäude. Die Stadt besteht aus folgenden Theilen: 1) Berlin mit seinen Vorstädten; 2) Cölln an der Spree, nebst Neu- Cölln und der Cöllnischen oder Köpenicker Vorstadt; 3) der Friedrichswerder, zwischen zwei Armen der Spree; 4) die Dorotheen oder Neustadt; 5) die Friedrichsstadt. Vorzüglich merkwürdig sind: der königl. Pallast; die lange Brücke, mit der Bildsäule Churfürst Friedrich Wilhelms, in Cölln; das Zeughaus, eines der schönsten Gebäude in Europa, in dessen Hofe, anstatt der Schlußsteine, die ein und zwanzig Schlüterschen Larven, welche so viel Gesichter sterbender Personen vorstellen, stehen; das königl. Gießhaus (in Friedrichswerder); die königl. Ritterakademie; das Cadettenhaus; die Parochialkirche; die Garnisonkirche, in welcher vier schöne Gemählde von B. Rode sind; das————
Invalidenhaus (in Berlin); das Opernhaus; die neue Bibliothek, deren Baukosten 180000 Thl. betrugen (in Neustadt); die Porzellan-Fabrik; der Wilhelmsplatz, mit den marmornen Bildsäulen der berühmten Preußischen Feldherren und Krieger; das National- Theater; die Französische Kirche, mit ihren von Friedrich II. erbauten schönen Thürmen (in Friedrichsstadt); ferner die königl. Akademie der Wissenschaften; das königl. medicinisch-chirurgische Collegium; und die Gymnasien. Unter den wissenschaftlichen Anstalten sind merkwürdig: die königl. und die mit derselben verbundene Spanhemische Bibliothek, wo auch Otto Guerikeʼs erste Luftpumpe verwahrt wird; die k. Kunst und Naturalien Kammer; die k. Gemählde-Sammlung auf dem Schlosse; das königl. Münzcabinet; D. Biochs Fisch-Sammlung (unter den Sammlungen); der königl. Thiergarten, in welchem der Churfürstenplatz oder der Zirkel der Hauptversammlungs-Ort ist (unter den Spaziergängen). In Ansehung der Bevölkerung ist Berlin die zweite Stadt in ganz Deutschland; es zählt gegen 112000 Menschen, die Garnison nebst ihren Weibern und Kindern, die man über 32000 schätzt, ungerechnet. – (Beschreibung der königl. Residenz Städte Berlin und Potsdam und aller daselbst befindlichen Merkwürdigkeiten. Neue Auflage. 2 B. 8. von Herrn Nicolai.
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* Berlin ist allerdings eine der schönsten Städte Deutschlands, wenn gleich in der schlechtesten Gegend gelegen. Die Ursache dieser schlechten Lage ist folgende: Als im 12ten Jahrhundert die Dämme Hollands fürchterlich von dem Weltmeere durchbrochen wurden, verließen Tausende ihr Vaterland, um in den Staaten Albrechts des Bären sich niederzulassen. An Meergegenden gewöhnet, fanden sie ihre verlassenen Sümpfe in denen der Syree wieder, trockneten sie aus und baueten ihre Hütten auf Pfählen: so entstand Cölln oder Pfahlstadt, der älteste Theil Berlins. So kann man sich erklären, warum diese Gegend gewählt wurde, dessen Sümpfe die Menschen mehr abzuschrecken hätten scheinen sollen. Noch im 16ten Jahrhundert gingen die Hofleute hier auf Stelzen nach der churfürstlichen Burg. Nur rastlose Thätigkeit der Menschen hat es endlich zu dem gemacht, was es nachher wurde. Freilich hat die Stadt auch in dem neuesten französisch-preußischen Kriege seit dem October 1806 sehr viel gelitten. Vieles ist hinweggeführt worden, z. B. die in dem Hauptartikel aufgeführte königliche Bibliothek wurde aller in derselben befindlichen Festungsrisse, Plans und Platten zu Landkarten entblößt, und nebst der Luftpumpe von Guerike nach Paris geführt; das Brandenburger Thor, eines der schönsten und trefflichsten, die es gab, wurde seiner
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schönsten Zierde, der Victoria mit dem Viergespann, entnommen u. s. f., indessen fängt man nach hergestelltem Frieden wieder an, sich zu erholen, und der König, der seit jener Zeit mit seiner Gemahlin und ganzen Familie die Residenz verlassen hatte, und sich gegenwärtig noch in Königsberg befindet, wird nun wieder mit großer Sehnsucht erwartet. Unter den neuesten hier errichteten Instituten verdienen wohl auch das Werkmeisterische Museum, so wie das von Kuhn errichtete, Erwähnung.
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Ansicht: Berlin