Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch
Arnold, Johann
Johann Arnold, Müller in der Neumark, auf einem Gute des Grafen von Schmettau. Die bekannte Geschichte dieses Mannes, welche jedoch damahls, nach dem Urtheil Mösers, in Deutschland nicht den Eindruck machte, den sie in England oder Frankreich gemacht haben würde, enthält den sprechendsten Beweis von der Gerechtigkeitsliebe Friedrichs des zweiten, bietet aber auch zu gleicher Zeit ein trauriges Beispiel dar, wie ein König aus Gerechtigkeitsliebe ungerecht werden könne. Das Flüßchen, welches Arnolds Mühle trieb, floß vor einem Gute des Herrn von Gersdorf vorbei. Dieser grub an einem Orte, wo nach einem alten Documente schon vor mehr als hundert Jahren ein Teich gewesen war, aufs neue einen Teich aus: in diesen leitete er das Flüßchen; und das Wasser aus dem Teiche floß wieder in dasselbe, das weiter unten die Mühle trieb. Arnold entrichtete seinem Gutsherrn den Pacht nicht, weßhalb die Gerichte des Grafen von Schmettau die Mühle anschlugen, die der Herr von Gersdorf erstand. Die Müllerin hatte bei dem König schon vorher in Schlesien über ihre Sache supplicirt (der König kannte sie schon lange), jetzt wendete sie sich von neuen an denselben. Der König trug erstlich der Neumärkischen Regierung, dann dem Kammergericht in Berlin auf, die Sache zu untersuchen; in beiden Justanzen wurde wider den Müller ge-————
sprochen. Viele Umstände vereinigten sich, den König zu überreden, es werde hier die Unschuld unterdrückt; der König hatte die Sache durch den damahligen Obristen von Heucking untersuchen lassen, und dieser hatte einen sehr vortheilhaften Bericht für den Müller abgestartet. Als daher der König die Sentenz des Kammergerichts erfuhr, ließ er die drei Räthe, die das Urtheil gemacht, nebst dem Großkanzler von Fürst zu sich rufen, cassirte den Großkanzler und ließ die Räthe arretiren. Der Zorn des Königs bei dieser Gelegenheit war unbeschreiblich. Er forderte ein Gutachten vom Criminal-Senat über diese Sache; allein er verwarf dasselbe, und schrieb dem Minister von Zedlitz vor, wie er das Urtheil sprechen solle. Der Minister schlug dieses dem König schlechterdings ab: worauf Friedrich an ihn schrieb: »weil ihr denn nicht sprechen wollt, so will ich selbst sprechen;« und so bestrafte er denn die Räthe, und verurtheilte dieselben überdieß dem Müller den Schaden zu ersetzen. Unter der Regierung des jetzigen Königs wurde die Sache von neuen untersucht, und das Obertribunal bestätigte i. J. 1787 die beiden vorigen Sentenzen. Die cassirten Räthe wurden wieder eingesetzt; jedoch erhielten auch die Arnoldischen Eheleute Zeichen der königlichen Gnade.
Johann Arnold, Müller in der Neumark, auf einem Gute des Grafen von Schmettau. Die bekannte Geschichte dieses Mannes, welche jedoch damahls, nach dem Urtheil Mösers, in Deutschland nicht den Eindruck machte, den sie in England oder Frankreich gemacht haben würde, enthält den sprechendsten Beweis von der Gerechtigkeitsliebe Friedrichs des zweiten, bietet aber auch zu gleicher Zeit ein trauriges Beispiel dar, wie ein König aus Gerechtigkeitsliebe ungerecht werden könne. Das Flüßchen, welches Arnolds Mühle trieb, floß vor einem Gute des Herrn von Gersdorf vorbei. Dieser grub an einem Orte, wo nach einem alten Documente schon vor mehr als hundert Jahren ein Teich gewesen war, aufs neue einen Teich aus: in diesen leitete er das Flüßchen; und das Wasser aus dem Teiche floß wieder in dasselbe, das weiter unten die Mühle trieb. Arnold entrichtete seinem Gutsherrn den Pacht nicht, weßhalb die Gerichte des Grafen von Schmettau die Mühle anschlugen, die der Herr von Gersdorf erstand. Die Müllerin hatte bei dem König schon vorher in Schlesien über ihre Sache supplicirt (der König kannte sie schon lange), jetzt wendete sie sich von neuen an denselben. Der König trug erstlich der Neumärkischen Regierung, dann dem Kammergericht in Berlin auf, die Sache zu untersuchen; in beiden Justanzen wurde wider den Müller ge-————
sprochen. Viele Umstände vereinigten sich, den König zu überreden, es werde hier die Unschuld unterdrückt; der König hatte die Sache durch den damahligen Obristen von Heucking untersuchen lassen, und dieser hatte einen sehr vortheilhaften Bericht für den Müller abgestartet. Als daher der König die Sentenz des Kammergerichts erfuhr, ließ er die drei Räthe, die das Urtheil gemacht, nebst dem Großkanzler von Fürst zu sich rufen, cassirte den Großkanzler und ließ die Räthe arretiren. Der Zorn des Königs bei dieser Gelegenheit war unbeschreiblich. Er forderte ein Gutachten vom Criminal-Senat über diese Sache; allein er verwarf dasselbe, und schrieb dem Minister von Zedlitz vor, wie er das Urtheil sprechen solle. Der Minister schlug dieses dem König schlechterdings ab: worauf Friedrich an ihn schrieb: »weil ihr denn nicht sprechen wollt, so will ich selbst sprechen;« und so bestrafte er denn die Räthe, und verurtheilte dieselben überdieß dem Müller den Schaden zu ersetzen. Unter der Regierung des jetzigen Königs wurde die Sache von neuen untersucht, und das Obertribunal bestätigte i. J. 1787 die beiden vorigen Sentenzen. Die cassirten Räthe wurden wieder eingesetzt; jedoch erhielten auch die Arnoldischen Eheleute Zeichen der königlichen Gnade.