Duden - Das große Wörterbuch der deutschen Sprache in 10 Bänden
vor
vor [mhd. vor, ahd. fora, urspr. = über etw. hinaus]: I. 1. (räumlich) a) auf der Vorderseite, auf der dem Betrachter od. dem Bezugspunkt zugewandten Seite einer Person, Sache: v. dem Haus ist ein kleiner Garten; v. dem Schaufenster, v. dem Spiegel stehen; warte v. dem Eingang, v. dem Kino auf mich!; eine Binde v. den Augen tragen; Ich ... stoße fluchend mit den Füßen alle Steine v. mir her (Kinski, Erdbeermund 22); v. „dass“ steht immer ein Komma; der Friedhof liegt etwa einen Kilometer v. (außerhalb) der Stadt; v. dem Winde segeln (Seemannsspr.; so segeln, dass der Wind von hinten auf die Segel trifft); er hat das Buch v. sich liegen; Sie wissen wohl nicht, wen Sie v. sich haben (Degener, Heimsuchung 55); sie ging zwei Schritte v. ihm, saß zwei Reihen v. ihm; Ü v. Gericht, v. dem Richter stehen (geh.; angeklagt sein); b) auf die Vorderseite, auf die dem Betrachter od. dem Bezugspunkt zugewandte Seite einer Person, Sache: v. das Haus treten; sich v. den Spiegel stellen; das Auto v. die Garage fahren; Blumen v. das Fenster stellen; sie warf sich in ihrer Verzweiflung v. den Zug; v. das „aber“ musst du ein Komma setzen; setz dich bitte v. mich!; Als Staatsgefangenen nahm ich ihn darum mit nach Worms, wo er zunächst in den Kerker kam. Erst nach Tagen ließ ich ihn v. mich bringen, in den Dom (Stern, Mann 197); Er setzte Fuß v. Fuß, überquerte die breite Fahrbahn (Kronauer, Bogenschütze 346); Ü sich v. jmdn. stellen (jmdn. in Schutz nehmen); jmdn. v. ein Ultimatum stellen; *v. sich hin (ganz für sich u. in gleichmäßiger Fortdauer): v. sich hin schimpfen, reden, weinen. 2. (zeitlich) a) drückt aus, dass etw. dem genannten Zeitpunkt od. Vorgang [unmittelbar] vorausgeht; früher als; bevor das Genannte erreicht ist: v. wenigen Augenblicken; v. Ablauf der Frist; er kommt noch v. Weihnachten; die Verhältnisse v. 1990, v. der Krise; v. der Wiedervereinigung; in dem Jahrzehnt v. Ausbruch des Ersten Weltkriegs (Fraenkel, Staat 252); das war schon v. Jahren, v. meiner Zeit; heute v. [genau] vierzig Jahren ...; im Jahre 33 v. Christi Geburt, v. Christus; Außerdem war es auch v. den Nazis (bevor die Nazis an der Macht waren) nicht üblich, dass der hohe Adel und Juden sich ehelich verbanden (Danella, Hotel 69); dann hätte sie doch imstande sein sollen, v. der Schule (bevor die Schule anfängt) Zeitungen auszutragen (M. L. Fischer, Kein Vogel 38); Einen Gewinn von 949 ... Mio. sKr. v. Steuern (bevor es besteuert wird) ... hat die Firma für die ersten 8 Monate ausgewiesen (NZZ 13. 10. 84, 14); es ist fünf [Minuten] v. zehn, v. Mitternacht; b) weist auf eine kommende, zu durchlebende Zeit, auf zu bewältigende Aufgaben o. Ä. hin: etw. v. sich haben; die Prüfung liegt wie ein Albdruck v. ihr. 3. gibt eine Reihenfolge od. Rangordnung an: v. jmdm. durchs Ziel gehen; bin ich v. dir an der Reihe?; als sie zufällig etwas v. Constantin zu ihrer ersten gemeinsamen Verabredung gekommen war (Domin, Paradies 56); sie ist tüchtig v. (geh.; am tüchtigsten von) uns allen. 4. weist auf die Beziehung zu einem Gegenüber hin; in jmds. Gegenwart, Beisein: v. vielen Zuschauern; etw. v. Zeugen erklären; sie spielte v. geladenen Gästen, v. Freunden. 5. aufgrund von etw., durch etw. bewirkt, nur in festen Verbindungen: v. Kälte zittern, v. Neugier platzen, v. Schmerz schreien; Wann immer Cotta später ... zurückdachte, fror ihn v. Scham (Ransmayr, Welt 150); Man wird verrückt werden v. Enge (Frisch, Montauk 22); v. Zorn stieg ihr eine rasch wieder absinkende Röte ins Gesicht (Kronauer, Bogenschütze 34); Sie kann v. Tränen weder Pferd noch Mann sehen (Frischmuth, Herrin 116); glänzend v. Sauberkeit, schwitzend v. Anstrengung; Toni Schumacher, immer v. Selbstvertrauen sprühend (Kicker 6, 1982, 31); gelb v. Neid, starr v. Schreck. 6. oft in [festen] Verbindungen: Angst v. jmdm. haben; sich v. jmdm. schämen; v. etw. davonlaufen; sich v. etw. schützen; jmdn. v. etw. warnen; Meine Mutter schlug mich wegen ihrer Arbeit, die uns nicht v. der alltäglichen Not verschonte (Fels, Kanakenfauna 13). ∙ 7. für: Und ich weiß überhaupt nicht, was ich v. einen Anteil dran nehme (Goethe, Götz II); ich schrieb das Stück ruhig ab und ließ es Zeile v. Zeile, Period v. Period regelmäßig erklingen (Goethe, Italien. Reise 6. 1. 1787 [Rom]); Der Güter höchstes dürfen wir verteid'gen gegen Gewalt - wir stehn v. unser Land, wir stehn v. unsre Weiber, unsre Kinder (Schiller, Tell II, 2); Komm v. itzt (fürs Erste) nur mit in meinen Haram (Lessing, Nathan II, 3). II. 1. voran, vorwärts: Freiwillige v.! (vortreten!); drei Schritt[e] v. und zwei zurück. 2. (ugs., bes. nordd.): da habe ich mich v. gedrückt; da sei Gott v.! (Ausruf der Abwehr; davor möge uns Gott bewahren!); wo hast du denn jetzt noch Angst v.?
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