Duden - Das große Wörterbuch der deutschen Sprache in 10 Bänden
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über
über [mhd. über (Adv., Präp.) ahd. ubar (Adv.: ubiri), zu ↑"auf"]: I. 1. (räumlich) a) kennzeichnet die Lage in der Höhe u. in bestimmtem Abstand von der oberen Seite von jmdm., etw.: die Lampe hängt ü. dem Tisch; das Haus, ü. dem eine Fahne weht; sie wohnt ü. uns (ein Stockwerk höher); der Ort liegt fünfhundert Meter ü. dem Meer; b) kennzeichnet die Bewegung in Richtung einer höher als jmd., etw. gelegenen Stelle: das Bild ü. das Sofa hängen; c) drückt aus, dass sich etw. unmittelbar auf etw. anderem befindet, etw. umgibt, es ganz od. teilweise bedeckt, einhüllt: sie trägt einen Mantel ü. dem Kleid; Nebel liegt ü. der Wiese; Der Blumenhügel ü. einem frischen Grab war fast ganz überschneit (Kronauer, Bogenschütze 124); Elektroleitungen, die ü. Putz liegen (Chotjewitz, Friede 232); d) drückt aus, dass etw. unmittelbar auf etw. anderem zu liegen kommt u. bedeckend, verdeckend wirkt: eine Decke ü. den Tisch breiten; du solltest doch einen Pullover über die Bluse ziehen; er legte die Jacke ü. den Stuhl, nahm sie ü. die Schulter; e) kennzeichnet einen Ort od. eine Stelle, die von jmdm. od. etw. überquert wird: ü. die Straße, den Platz gehen; sie fuhr ü. die Brücke; ... sprang Maria auf und lief ü. den Strand bis an die See (Grass, Butt 693); sie entkamen ü. die Grenze; er schwamm ü. den See; er sprang ü. den Zaun; ein Flug ü. die Alpen; f) kennzeichnet einen Ort od. eine Stelle, über die sich etw. in unmittelbarer Berührung bewegt: seine Hand strich ü. ihr Haar; sie fuhr sich mit der Hand ü. die Stirn; der Wind strich ü. die Felder; Tränen liefen ihm ü. das Gesicht; Das Wasser strömte ü. ihren Kopf und ihren Körper (Thor [Übers.], Ich 47); Er streichelte ihr ü. die Wange (Brasch, Söhne 11); ein Schauer lief mir ü. den Rücken; g) kennzeichnet eine Lage auf der andern Seite von etw.: sie wohnen ü. der Straße; ü. den Bergen leben; h) kennzeichnet eine Erstreckung, Ausdehnung von unten nach oben od. von oben nach unten, zu einem bestimmten höher bzw. tiefer gelegenen Punkt, der dabei überschritten wird: das Wasser reicht ü. die Stiefel; bis ü. die Knöchel im Schlamm versinken; der Rock reicht ü. das Knie (er bedeckt das Knie); der Fluss tritt ü. die Ufer; der Sekt läuft ü. den Rand des Glases; die Sopranistin kommt nicht ü. das hohe C hinaus; i) bezeichnet eine Fortbewegung in horizontaler Richtung, wobei ein bestimmter Punkt, eine bestimmte Stelle überschritten wird, über sie hinausgegangen, -gefahren wird: unser Spaziergang führte uns ü. die Altstadt hinaus; j) drückt aus, dass ein bestimmter Ort, Bereich passiert wird, um irgendwohin zu gelangen: wir sind ü. die Dörfer gefahren; ü. Karlsruhe nach Stuttgart fahren; dieser Zug fährt nicht ü. Rostock; Gefrees ü. Bayreuth (früher; Angabe bei Anschriften für die Beförderung durch die Post). 2. (zeitlich) a) drückt eine Zeitdauer, eine zeitliche Erstreckung aus; während: er kommt ü. Mittag nach Hause; Erst haben wir die Wäsche ü. Nacht eingeweicht (Wimschneider, Herbstmilch 13); Beide servieren kalte und warme Mahlzeiten ü. Tag (NZZ 11. 4. 85, 37); Über Sekunden (sekundenlang) trat eine peinliche Stille ein (Bastian, Brut 21); Was hast du zuweg' gebracht ü. die Jahre? (Strauß, Niemand 193); Solche Bilder haben ü. die Jahrhunderte die Einbildungskraft erregt (Fest, Im Gegenlicht 380); Über lange Jahre (viele Jahre lang) war der rüstige Pensionär zudem begeisterter Hobbysegler (Saarbr. Zeitung 10. 10. 79, 15); ich will ü. das Wochenende segeln; ü. den Winter in Italien sein; Wir verreisen ü. Pfingsten (Bieler, Mädchenkrieg 89); ∙ Über (landsch.; bei) Tisch war Lenz wieder in guter Stimmung (Büchner, Lenz 89); b) (landsch.) drückt den Ablauf einer Frist aus: heute ü. (in) drei Wochen; fragen Sie bitte ü. acht Tage (in 8 Tagen) wieder nach; c) drückt aus, dass etw. während eines anderen Vorgangs erfolgt; bei: sie ist ü. der Arbeit, ü. den Büchern (beim Lesen der Bücher) eingeschlafen; manchmal schlief er während der Vorführung ü. solchen Sehnsüchten ein (Ransmayr, Welt 25); seine Mutter ist ü. (während) seiner langen Reise gestorben; d) drückt aus, dass ein bestimmter Zeitraum abgelaufen ist, dass eine bestimmte zeitliche Grenze überschritten ist: du solltest ü. dieses Alter hinaus sein; er ist ü. die besten Jahre hinaus; es ist zwei Stunden ü. die Zeit; ... hat SPD-Chef Willy Brandt zu erkennen gegeben, dass er ü. 1986 hinaus Parteivorsitzender bleiben will (Hamburger Abendblatt 24. 5. 85, 1). 3. a) zur Angabe einer Reihen- od. Rangfolge: der Major steht ü. dem Hauptmann; mit seiner Leistung ü. dem Durchschnitt liegen; was ihr Können anbelangt, so steht sie hoch ü. ihm; niemanden ü. sich anerkennen; er steht ü. mir (er ist mir geistig überlegen); seine Frau steht ü. ihm (ist seine Vorgesetzte); b) bezeichnet einen Wert o. Ä., der überschritten wird: eine Temperatur ü. Null, über dem Gefrierpunkt; etw. liegt ü. dem Mittelwert; c) drückt die höchste Stufe einer Rangordnung o. Ä. aus: Musik geht ihm ü. alles; es geht doch nichts ü. ein gutes Essen; d) drückt ein Abhängigkeitsverhältnis aus: ü. jmdn. herrschen; ü. etw. verfügen; [keine] Macht ü. jmdn., etw. haben; er spielte sich zum Herrn ü. Leben und Tod auf. 4. (emotional verstärkend) in Verbindung mit zwei gleichen Substantiven als Ausdruck einer Häufung, des Überhandnehmens von etw.: Schulden ü. Schulden; Fehler ü. Fehler. 5. drückt eine Folge von etw. aus; infolge: ü. dem Streit ging ihre Freundschaft in die Brüche; die Kinder sind ü. dem Lärm aufgewacht. 6. drückt aus, dass das Ausmaß von etw. eine bestimmte Grenze überschreitet: etw. geht ü. jmds. Kraft, Verstand; er wurde ü. jedes vernünftige Maß hinaus bestraft; Luftleitungen dürfen sich unter Betriebsdruck oder bei Druckschwankungen nicht ü. ein zulässiges Maß hinaus verformen (CCI 13, 1998, 43); 7. bezeichnet Inhalt od. Thema einer mündlichen od. schriftlichen Äußerung: ein Essay ü. Schiller; einen Bericht ü. eine Reise verfassen; Rolf erklärt mir alles Wissenswerte ü. den Hafen (Schwaiger, Wie kommt 33); mit konsequenter Handhabung der Vorschriften ü. die Wärmedämmung (NZZ 1. 2. 83, 18); erzähl nicht solchen Blödsinn über mich!; Maria redete jetzt Kleinigkeiten ü. die Töchter und ü. das angezahlte Auto (Grass, Butt 693). 8. bezeichnet die Höhe eines Betrages, einen Wert; in Höhe von, im Wert von: eine Rechnung ü. 50 DM; einen Scheck ü. 300 DM ausstellen. 9. bezeichnet das Mittel, die Mittelsperson o. Ä. bei der Durchführung von etw.: eine Anfrage ü. Fernschreiber übermitteln; einen Aufruf ü. alle Sender bringen; Die Wärme wird in den Gebäuden der Abnehmer ü. einen Wärmetauscher abgegeben (Göttinger Tageblatt 30. 8. 85, 9); er bekam die Anschrift ü. einen Freund (durch die Vermittlung eines Freundes), die Telefonnummer ü. die Auskunft; Ich hatte weder ihre Adresse in München noch in Paris; ich hatte ü. den Verlag geschrieben (Frisch, Montauk 90); Deshalb werden die Eltern ü. Kindergärten angesprochen (ADAC-Motorwelt 2, 1983, 94); Zudem würden die Einkäufe in Kamerun meist ü. libanesische Unternehmen abgewickelt (natur 4, 1991, 39); weil bestimmte Leistungen, die eigentlich Aufgaben der gesamten Gesellschaft sind und deshalb ü. das allgemeine Steueraufkommen finanziert werden müssten, den Sozialversicherungen aufgebürdet wurden (Woche 4. 4. 97, 1); Die meisten Privatanleger werden ... ihre Aufträge ü. Börsenmakler placieren (NZZ 23. 10. 86, 13); Dafür müssen die Konsumgüterhersteller eine Lizenzabgabe bezahlen, die den Kunden ü. den Preis berechnet wird (Rheinpfalz 16. 8. 91, 2). 10. (geh.) bezeichnet bei Verwünschungen die Person od. Sache als Ziel dieser Verwünschung: die Pest ü. die Mörder!; Fluch ü. dich und dein Haus!11. in Abhängigkeit von bestimmten Verben: ü. etw. weinen, lachen, sprechen, entsetzt sein; ü. jmdn. (landsch.; nach jmdm.) rufen; sich ü. etw. freuen, aufregen; sich ü. etw. einigen; ü. wen hat sie sich geärgert, dass sie so schnell abgereist ist?; Es gab ein paar Sachen, ü. die man endlich einmal hätte reden müssen (M. Walser, Seelenarbeit 61); Wo wir auch sind, ü. was (ugs.; worüber) wir auch reden, immer landen die Gespräche bei meinem Mann (Schwarzer, Unterschied 21); Wenig später saß er konzentriert ü. einer Korrektur (korrigierte konzentriert; Kronauer, Bogenschütze 151); Carlo saß ruhig ü. seinen Spaghetti (Erné, Fahrgäste 127). 12. kennzeichnet in Verbindung mit Kardinalzahlen das Überschreiten einer bestimmten Anzahl; von mehr als: Kinder ü. 10 Jahre; in Mengen ü. 100 Exemplare. II. 1. a) bezeichnet das Überschreiten einer Quantität, Qualität, Intensität o. Ä.; mehr als: der Stoff ist ü. einen Meter breit; ü. 10 Pfund schwer, ü. 18 Jahre [alt] sein; Gemeinden von ü. 10 000 Einwohnern; die ü. Siebzigjährigen; ü. eine Woche [lang] dauern; Nach ü. zehnwöchigem Prozess wurde Stonehouse ... verurteilt (Prodöhl, Tod 287); ü. 80 Gäste sind eingeladen; b) *ü. und ü. (völlig; von oben bis unten): er war ü. und ü. mit Schmutz bedeckt; nichts in dem ü. und ü. weiß gestrichenen Raum entging einem (Kronauer, Bogenschütze 46); als wir auf den Monterosa stiegen, einem ü. und ü. verwucherten Pfad folgend (Fels, Kanakenfauna 96). 2. drückt aus, dass etw. über etw. getan, gelegt, genommen wird: Segel ü.!; (milit. Kommando:) Gewehr ü.! 3. drückt eine zeitliche Erstreckung aus; durch ... hindurch; während: den ganzen Tag ü. fleißig lernen; diese Heimlichkeiten, auf die sie sich die restliche Zeit ü. freut (Kronauer, Bogenschütze 287). 4. (landsch.): da habe ich noch gar nicht ü. nachgedacht; Und da weinste ü. (B. Vesper, Reise 458); das andre, da kann man noch ü. schweigen (Schmidt, Strichjungengespräche 231). III. (ugs.) 1. übrig: vier Mark sind ü.; es ist noch Kaffee ü.; dafür habe ich immer was ü. 2. a) überlegen: kräftemäßig ist er mir ü.; sie ist ihm geistig um einiges ü.; b) zu viel, sodass jmd. einer Sache überdrüssig ist: es, das ist mir jetzt ü., ihn immer wieder darum zu bitten; Fielitz schüttelte ungehalten den Kopf, als sei es ihm nun ü., immer wieder die gleichen Fragen beantworten zu müssen (Prodöhl, Tod 38).