Duden - Das große Wörterbuch der deutschen Sprache in 10 Bänden
Sinn
Sịnn, der; -[e]s, -e [mhd., ahd. sin, eigtl. = Gang, Reise, Weg]: 1. a) Fähigkeit der Wahrnehmung u. Empfindung (die in den Sinnesorganen ihren Sitz hat): verfeinerte, wache, stumpfe -e; die fünf -e, nämlich das Hören, das Sehen, das Riechen, das Schmecken und das Tasten; der Maulwurf sieht nicht gut, seine übrigen -e sind dafür umso schärfer; aber jetzt waren seine -e klar und ließen ihn alles miterleben (Loest, Pistole 106); etw. schärft die -e, stumpft die -e ab; seine -e für etw. öffnen, vor etw. verschließen; etw. mit den -en wahrnehmen, aufnehmen; jmdm. schwinden, vergehen die -e (jmd. droht das Bewusstsein zu verlieren, ohnmächtig zu werden); ihre -e hatten sich verwirrt (sie konnte nicht mehr klar denken); der Alkohol umnebelte seine -e; seiner -e nicht mehr mächtig sein, nicht mehr Herr seiner -e sein (sich nicht mehr beherrschen können, außer sich sein); *der sechste/ein sechster S. (besonderer Instinkt, mit dem sich etw. richtig einschätzen, vorausahnen lässt): einen sechsten S. haben; etw. mit dem sechsten S. wahrnehmen; seine fünf -e zusammennehmen/zusammenhalten (ugs.; aufpassen, sich konzentrieren); seine fünf -e nicht beisammenhaben (ugs.; nicht recht bei Verstand sein); [nicht] bei -en sein ([nicht] bei klarem Verstand sein): die Großmutter ist nicht mehr ganz bei -en; bist du noch bei -en? (Ausruf der Verärgerung, der Entrüstung über jmds. Verhalten od. Tun); [wie] von -en sein (überaus erregt sein, außer sich sein): sie war wie von -en vor Angst; sind Sie denn ganz und gar von -en? (Ausruf der Verärgerung, der Entrüstung über jmds. Verhalten od. Tun); b) (geh.) geschlechtliches Empfinden, Verlangen: jmds. -e erwachen; die Tänzerin erregte seine -e, brachte seine -e in Aufruhr; ich wartete noch immer darauf, im Taumel der -e zu vergehen (Perrin, Frauen 65). 2. Gefühl, Verständnis für etw.; innere Beziehung zu etw.: S. für Stil lag dem byzantinischen Griechen im Blute (Thieß, Reich 400); Golo Manns hervorstechender S. für das Wesentliche (Reich-Ranicki, Th. Mann 229); sie hat [viel] S. für Blumen, für Humor; Hast du keinen S. für die Schönheiten der Natur? (Remarque, Obelisk 70); er hatte wenig S. für Familienfeste (mochte sie nicht). 3. a) (geh.) jmds. Gedanken, Denken: jmds. S. ist auf etw. gerichtet; er hat seinen S. (seine Einstellung, Haltung [dazu]) geändert; er ist in dieser Sache anderen -es (geh.; hat eine andere Meinung darüber); sie war eines -es (geh.; einer Meinung) mit mir; bei der Besetzung der Stelle hatte man ihn im S. (an ihn gedacht, wollte ihn berücksichtigen); ich dachte, es sei auch in deinem -e (du seist auch dafür); er hat ganz in meinem S. (wie ich es mir gewünscht habe, hätte) gehandelt; das ist [nicht ganz] nach meinem S. (gefällt mir so [nicht ganz]); *jmdm. steht der S. [nicht] nach etw. (jmd. hat [keine] Lust zu etw., ist [nicht] auf etw. aus): der S. stand ihr nicht nach vielem Reden; wonach steht dir denn der S.?; jmdm. aus dem S. kommen (von jmdm. vergessen werden): ich wollte ihn gestern schon anrufen, aber irgendwie ist es mir dann doch wieder [ganz] aus dem S. gekommen; jmdm. nicht aus dem S. gehen (↑"Kopf" 3); sich etw. aus dem S. schlagen (↑"Kopf" 3); jmdm. durch den S. gehen/fahren (jmdm. [plötzlich] einfallen u. ihn beschäftigen); jmdm. im S. liegen (veraltend; jmds. Gedanken ständig beschäftigen); etw. im S. haben (etw. Bestimmtes vorhaben): was hast du im S.?; Aber er selber hatte anderes im S., sein künstlerischer Ehrgeiz ging ... in eine ganz andere Richtung (Reich-Ranicki, Th. Mann 158); mit jmdm., etw. nichts im S. haben (mit jmdm., etw. nichts zu tun haben wollen); jmdm. in den S. kommen (jmdm. einfallen): Stefan hatte nichts einzuwenden, es kam ihm überhaupt nicht in den S. (Rolf Schneider, November 208); jmdm. nicht in den S. wollen (↑"Kopf" 3); jmdm. zu S. sein, werden (geh.; jmdm. zumute sein, werden): Er trug ein großes Verlangen, ihr zu schreiben, wie ihm zu S. war (Feuchtwanger, Erfolg 355); b) (geh.) Sinnesart, Denkungsart: ein hoher, edler S. war ihm eigen; seine Frau hat einen realistischen, praktischen, heiteren, geraden S.; sie war frohen -es. 4. Sinngehalt, gedanklicher Gehalt; Bedeutung: der verborgene, geheime, tiefere, wahre S. einer Sache; der S. seiner Worte, dieser Äußerung blieb mir verborgen; der S. des Gedichts erschließt sich leicht; den S. von etw. erfassen, ahnen, begreifen; Die Worte haben alle einen doppelten S. (Chr. Wolf, Nachdenken 231); etw. ergibt [k]einen S.; etw. macht [k]einen S. (ugs.; etw. ergibt [k]einen Sinn, ist [nicht] verständlich, sinnvoll; nach engl. something makes sense); Für mich macht durchaus S., wenn man sagt ... (Spiegel 27, 1983, 86); Das macht S., weil Daten- und Nachrichtentechnik künftig immer enger zusammenwachsen dürften (Spiegel 46, 1981, 106); jmds. Äußerung dem -e nach wiedergeben; im herkömmlichen, klassischen, ursprünglichen, eigentlichen, strengen, wörtlichen, engeren, weiteren, weitesten S.; Alles ist verzerrt, schreiend, übertrieben ... romantisch also im üblen -e (Reich-Ranicki, Th. Mann 157); im -e des Gesetzes (so, wie es das entsprechende Gesetz vorsieht); er hat sich in einem ähnlichen S. geäußert; ich habe lange über den S. seiner Worte nachgegrübelt, nachgedacht; *[nicht] im -e des Erfinders sein (ugs.; [nicht] in jmds. ursprünglicher Absicht liegen): Das wäre nicht im -e des Erfinders (Spiegel 44, 1977, 226). 5. Ziel u. Zweck, Wert, der einer Sache innewohnt: etw. hat seinen guten S.; den S. von etw. nicht erkennen, sehen; hat es überhaupt einen S., das zu tun?; was hat dieses Philosophieren für einen praktischen S.? (Langgässer, Siegel 553); etw. hat seinen S. verloren; um dem Dasein einen S. abzugewinnen (Müthel, Baum 67); einen S. in etw. bringen; die S. stiftende (geh.; Sinngebung bewirkende) Kraft des Glaubens; es hat keinen, wenig, nicht viel S. (ist [ziemlich] sinnlos, zwecklos), damit zu beginnen; etw. macht keinen/wenig S. (ugs.; hat keinen/wenig Sinn; nach engl. it doesn't make [any] sense); es macht wenig S., davon den Frauen zu klagen (Frings, Liebesdinge 18); Macht es denn überhaupt S., dass kleine Anleger jetzt noch Gold kaufen? (Spiegel 1/2, 1980, 32); nach dem S. des Lebens fragen; ohne irgendeinen Wert oder S. zu schaffen - keine Kinder, kein Garten, kein Reichtum (Strauß, Niemand 81); etw. ist ohne S. (ist sinnlos); *ohne S. und Verstand (ohne jede Überlegung; unsinnig, sinnlos): er arbeitet ohne S. und Verstand; weder S. noch Verstand haben (völlig unsinnig sein): Sein Vortrag hatte weder S. noch Verstand. ∙ 6. Absicht, Vorhaben: Jeder nahm sich vor, auch irgendein Stück auf diese Art zu studieren und den S. des Verfassers zu entwickeln (Goethe, Lehrjahre IV, 3); *jmdm. durch den S. fahren (1. jmds. Plan vereiteln, jmds. Vorhaben behindern: Ich fahr ihnen alle Tag durch den S., sag ihnen die bittersten Wahrheiten, dass sie mein müde werden und mich erlassen sollen [Goethe, Götz V]. 2. jmd. widersprechen: Man muss dem Philosophen durch den S. fahren, sagten sie, man muss ihm nicht weismachen, dass er alles besser wisse als wir [Wieland, Abderiten I, 9]).
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