Duden - Das große Wörterbuch der deutschen Sprache in 10 Bänden
Seele
See|le, die; -, -n [mhd. sēle, ahd. sē(u)la, wahrsch. zu ↑"See" u. eigtl. = die zum See Gehörende; nach germ. Vorstellung wohnten die Seelen der Ungeborenen u. Toten im Wasser]: 1. Gesamtheit dessen, was das Fühlen, Empfinden, Denken eines Menschen ausmacht; Psyche: die menschliche S.; ... dass Körper und S. eine Einheit bilden (Hilsenrath, Nazi 189); aber nicht Gelehrsamkeit war es, wonach seine kindliche S. strebte (Hesse, Narziß 259); eine zarte, empfindsame, unruhige, zerrissene S. haben; Wie wenig Menschen ... haben eine wahrhaft mitfühlende S.! (Musil, Mann 1045); Er hatte verlernt, sich in die S. seiner Frau zu tasten (Sebastian, Krankenhaus 54); R nun hat die liebe S. Ruh (meist scherzh.; nun kann jmd. nichts weiter verlangen, weil er bereits alles erhalten hat od. weil ein Vorrat aufgebraucht, eine Sache entzweigegangen, zerbrochen ist; nach Luk. 12, 19); zwei -n wohnen, ach, in meiner Brust (ich habe widerstreitende Gefühle; nach Goethe, Faust I, 1112); Ü ihr Blick war ganz S. (sie blickte seelenvoll); ihr [Klavier]spiel hat keine S. (wirkt kalt); *die S. baumeln lassen (ugs.; sich psychisch entspannen, von allem, was einen psychisch belastet, Abstand gewinnen); eine schwarze S. haben (einen schlechten Charakter haben); jmdm. etw. auf die S. binden (ugs.; jmdn. eindringlich bitten, sich um etw. zu kümmern); jmdm. auf der S. knien (ugs.; jmdn. eindringlich bitten, etw. Bestimmtes zu tun); auf jmds. S./jmdm. auf der S. liegen/lasten (geh.; jmdn. bedrücken): die Schuld lastete schwer auf seiner S.; jmdm. auf der S. brennen (ugs.; jmdm. ein dringendes Anliegen sein); jmdm. aus der S. sprechen/reden (ugs.; genau das aussprechen, was jmd. auch empfindet); aus ganzer/tiefster S. (1. zutiefst: ich hasse ihn aus ganzer/tiefster S. 2. mit großer Begeisterung: sie sangen aus ganzer/tiefster S. [heraus]); in jmds./jmdm. in die S. schneiden, jmdm. in der S. wehtun (geh.; jmdm. innerlich sehr wehtun, großen Kummer verursachen); in tiefster S. (zutiefst): Diese ... Händler- und Krämerpolitik ... war ihm in tiefster S. zuwider (Feuchtwanger, Herzogin 136); mit ganzer S. (mit großem Engagement); sich etw. von der S. reden/schreiben (über etw., was einen bedrückt, reden/schreiben u. sich dadurch abreagieren). 2. substanz-, körperloser Teil des Menschen, der nach religiösem Glauben unsterblich ist, nach dem Tode weiterlebt: die unsterbliche S.; die -n der Toten; im Fegefeuer wird die S. geläutert; und eines Tages würde seine S. eingehen zum Herrn (Schaper, Kirche 180); Schaden an seiner S. nehmen (bibl.; sündig werden); Zwei Messen für die armen -n im Fegfeuer (Sommer, Und keiner 22); Auf einem Pferd, gejagt von den -n der Ermordeten, wird er durch die Nächte reiten (Theisen, Festina 34); *die S. aushauchen (geh. verhüll.; sterben); jmdm. die S. aus dem Leib fragen (ugs.; jmdn. mit Penetranz alles Mögliche fragen); jmdm. die S. aus dem Leib prügeln (ugs.; jmdn. heftig verprügeln); sich die S. aus dem Leib reden (ugs.; alles versuchen, um jmdn. zu überzeugen, zu etw. Bestimmtem zu bewegen); sich die S. aus dem Leib schreien (ugs.; sehr laut u. anhaltend schreien); meiner Seel (bes. südd., österr.; Ausruf der Bekräftigung, Beteuerung; Verkürzung von „ich schwöre es bei meiner Seele“, einer nach altem Rechtsbrauch üblichen Formel): meiner S., auch eine Rittmeisterin ist eine Frau ...! (Frisch, Cruz 13); hinter etw. her sein wie der Teufel hinter der armen S. (gierig, ganz versessen auf etw. sein). 3. (emotional) Mensch: eine brave, ehrliche, treue, schlichte S.; seine Frau ist eine gute S.; Doktor Dozous, der Stadtarzt, eine viel beschäftigte S. (Werfel, Bernadette 31); eine lebendige S., mit der er reden konnte (Waggerl, Brot 27); niemals können subalterne -n die Freiheit ertragen (St. Zweig, Fouché 208); schöne S. (bes. im 18. Jh.; Menschentypus, bei dem Affekte u. sittliche Kräfte in harmonischem Verhältnis stehen); keine S. (niemand) war zu sehen; er ist eine durstige S. (ugs.; trinkt viel [Alkohol]); eine Gemeinde mit, von sechzig -n (Mitgliedern); der Ort hatte, zählte knapp 5 000 -n (Einwohner); R zwei -n und ein Gedanke (beide denken [wir] dasselbe); *eine S. von Mensch/von einem Menschen sein (ein sehr gütiger, verständnisvoller Mensch sein): Der Leibpolizist entpuppte sich bald als S. von Mensch (Zwerenz, Quadriga 69). 4. *die S. einer Sache sein (1. diejenige Person sein, die in einem bestimmten Bereich dafür sorgt, dass alles funktioniert: die S. des Geschäfts sein; Die S. des ganzen Unternehmens war Denis Diderot [Friedell, Aufklärung 17]. 2. wichtigster, zentraler Teil; Ausgangpunkt: ist der Schalter die S. dieses modernen ... Lötwerkzeugs [Elektronik 11, 1971, A 68]; Dieses Gemisch wiederum ... war die S. des Parfums [Süskind, Parfum 78]). 5. (Waffent.) das Innere des Laufs od. Rohrs einer Feuerwaffe. 6. (Fachspr.) innerer Strang von Kabeln, Seilen o. Ä. 7. (Musik) Stimmstock von Saiteninstrumenten.
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