Duden - Das große Wörterbuch der deutschen Sprache in 10 Bänden
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reißen
rei|ßen [mhd. rīʒen, ahd. rīʒan, urspr. = einen Einschnitt machen, ritzen, später auch: (Runen)zeichen einritzen, zeichnen, entwerfen]: 1. entzwei-, auseinander gehen, abreißen : der Faden, das Seil kann r.; Papier reißt leicht; der Film ist gerissen; mir ist das Schuhband gerissen. 2. a) durch kräftiges Ziehen auseinander trennen: ich habe den Brief mittendurch gerissen; der Stoff soll beim Verkauf nicht geschnitten, sondern nach dem Faden gerissen werden; dies Material lässt sich nicht r.; b) in einzelne Teile zerreißen: etw. in Stücke, Fetzen r.; den Stoff in schmale Bahnen r.; Ü ich könnte mich in Stücke r. [vor Wut] (ugs.; ich bin sehr ärgerlich über mich selbst). 3. durch ↑"Reißen" (2), Gewalteinwirkung, Beschädigung entstehen lassen, in etw. hervorrufen : du hast dir ein Dreieck in die Hose gerissen; die Bombe riss einen Trichter in den Boden; Ü sein Tod hat eine schmerzhafte Lücke [in unseren Kreis] gerissen; diese Reparatur wird ein gehöriges Loch in meinen Geldbeutel r. (ugs.; wird sehr teuer werden). 4. a) sich verletzen, sich ritzen: ich habe mich [am Stacheldraht] gerissen; du hast dich ja blutig gerissen; beim Brombeerpflücken habe ich mir die Arme blutig gerissen; b) sich als Verletzung beibringen: beim Klettern habe ich mir eine schmerzhafte Wunde an der Hand gerissen; an diesem Nagel kann man sich ja Wunden r. 5. a) von einer bestimmten Stelle mit kräftigem Ruck wegziehen; ab-, fort-, wegreißen: Pflanzen aus dem Boden, einen Ast vom Baum r.; jmdm. etw. aus den Händen r.; man riss ihr das Kind aus den Armen; dieser Wind reißt einem den Hut vom Kopf; ich habe mir die Kleider vom Leib gerissen (mich ganz schnell ausgezogen); ich riss ein Blatt aus meinem Taschenbuch (Th. Mann, Krull 287); Ü der Wecker hat sie unsanft aus dem Schlaf gerissen; Der Pfarrer war aus seinen Überlegungen gerissen (Andersch, Sansibar 104); so aus dem Zusammenhang gerissen, ist der Satz unverständlich; b) sich von einer bestimmten Stelle losreißen, sich aus etw. befreien: sich aus jmds. Armen r.; der Hund hat sich von der Kette gerissen; Ü er riss sich aus seiner Erstarrung, aus seinen Träumen; ... riss er sich aus seinem Selbstbetrug (H. Mann, Unrat 130); c) (Leichtathletik) die Sprunglatte od. eine Hürde herunter-, umwerfen: beim ersten Versuch über 1,80 m hat sie [die Latte] knapp gerissen; er riss zwei Hürden. 6. an eine Stelle, in eine Richtung stoßen, schieben, drücken; hinreißen : eine Welle riss ihn zu Boden; im letzten Augenblick riss sie den Wagen (das Lenkrad) zur Seite; er war so schwach, dass sie ihn immer wieder in die Höhe r. mussten; die Flut reißt alles mit sich; das Boot wurde in den Strudel gerissen; Ü alle wurden mit ins Verderben gerissen; Napoleon, ... der ... die Welt rücksichtslos in mörderische Abenteuer riss (St. Zweig, Fouché 187); *[innerlich] hin und her gerissen werden/sein (sich zwischen zwei Dingen od. Menschen nicht entscheiden können). 7. ziehen, zerren [damit etw. ab- od. aufgeht] : zum Öffnen des Fallschirms die Leine/an der Leine r.; er reißt an der Klingelschnur; der Hund riss wütend an seiner Leine; Die Pferde ... rissen (rupften) das saftige Gras (Hagelstange, Spielball 150); Ü das Warten reißt an den Nerven. 8. (von Raubtieren) ein Tier jagen u. durch Bisse töten : der Wolf hat drei Schafe gerissen; ich finde einen Löwen, der gerade ein Gnu gerissen hat und der darauf liegt (Grzimek, Serengeti 74). 9. mit Gewalt an sich nehmen, sich einer Sache bemächtigen : die Macht, die Herrschaft an sich r.; sie hat den Brief sofort an sich gerissen; Er war der Auffassung, Hitler werde auch noch die Schweiz an sich r. (Niekisch, Leben 272); Ü immer will er das Gespräch an sich r. (will nicht Zuhörer sein, sondern selbst reden). 10. (ugs.) sich heftig darum bemühen, etw. Bestimmtes zu erreichen, zu bekommen, zu sehen, zu erleben : die Fans rissen sich um den Sänger, um die Eintrittskarten zu seinem Konzert; um diesen schwierigen Auftrag reiße ich mich bestimmt nicht; Es ist nicht so, dass ich mich darum reiße, jetzt schon ein Kind zu kriegen (Danella, Hotel 105); das Buch findet reißenden Absatz (man reißt sich darum, viele kaufen es); diese Ware werden wir doch reißend los. 11. (selten) einen ziehenden Schmerz empfinden : es reißt mich in allen Gliedern. 12. (Schwerathletik) ein Gewicht in einem Zug vom Boden bis über den Kopf, bis zur Hochstrecke bringen : hantiert Adolfo mit Zentnergewichten ... Er stößt, stemmt und reißt (Jaeger, Freudenhaus 14); er hat den Weltrekord im Reißen eingestellt. 13. a) (veraltet) zeichnen: eilig eine Skizze r.; b) (Kunstwiss.) Zeichnungen in eine Metallplatte ritzen.