Duden - Das große Wörterbuch der deutschen Sprache in 10 Bänden
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Herr
Hẹrr, der; -n (selten: -en), -en [mhd. hē̌r(re), ahd. herro, zu dem Komp. hēríro = älter, ehrwürdiger, erhabener, zu: hēr, ↑"hehr"; wahrsch. LÜ von mlat. senior = Herr, eigtl. = Komp. von lat. senex = alt]: 1. a) Mann (auch als übliche höfliche Bezeichnung für eine männliche Person im gesellschaftlichen Verkehr): ein junger, älterer, freundlicher, vornehmer, feiner H.; ein H. im Smoking, mit Brille; die -en forderten zum Tanz auf; ein H. möchte Sie sprechen; die Geschäftsleitung besteht aus drei -en; Ein Mann mit solchen Kenntnissen muss füglich als Akademiker bezeichnet werden, obwohl ihm der Privatunterricht durch gelehrte -en eindeutig mehr gebracht hat als das Hochschulstudium (Meier, Paracelsus 211); hier gibt es alles für den -n!; ein besserer (sozial höher gestellter) H.; ein feiner, sauberer H. (iron.; ein Mensch mit fragwürdigen Charaktereigenschaften); der geistliche H. (landsch.; Pfarrer); bei den -en (Sport; der Mannschaft der Herren) siegte die deutsche Staffel; *Alter H. (1. ugs. scherzh.; Vater. 2. Verbindungsw.; ehemaliges aktives Mitglied einer Verbindung): Als „Alte Herren“ halten sie ... jenen skurrilen Männerbünden die Treue, die noch vor zehn Jahren an Nachwuchsmangel abzusterben drohten [Spiegel 30, 1980, 50]; Alte -en (Sport; [Altersklasse der] Spieler über 32 Jahre; Mannschaft dieser Altersklasse): die Alten -en der Borussia sicherten sich den Turniersieg; möblierter H. (ugs. veraltend, noch scherzh.; Mann, der in einem möblierten Zimmer zur Miete wohnt ); die -en der Schöpfung (ugs. scherzh.; die Männer); b) gebildeter, kultivierter, gepflegter Mann: Aus Klaus wird nie ein H.! (Riess, Cäsar 422); er spielt gern den großen -en (benimmt sich, als ob er vornehm u. reich wäre). 2. a) titelähnliche, auch als Anrede verwendete Bezeichnung für eine erwachsene Person männlichen Geschlechts: H. Minister/Direktor/Doktor; lieber H. Müller; nur mit -n [Professor] Müllers Einverständnis; ich erwarte den Besuch des -n [Ministers] Müller; die Rede des -n Abgeordneten Müller; H. Ober, bitte eine Tasse Kaffee; ich habe -n Maier getroffen; Niemand sagte etwas dazu, auch der H. Klassenlehrer nicht (Henze, Reiselieder 30); die Geistesblitze des -en Verfassers (Börsenblatt 55, 1966, 3 994); Moltzahn erschien mit Bruns und Hager zum Haareschneiden der „Herren Luftwaffenhelfer“, wie er höhnisch erklärte (Borkowski, Wer 91); was wünschen Sie, mein H.?; was wünscht der H.?; aber meine -en, wozu diese Aufregung?; Ist gut, gnä' H. Dann werde ich jetzt servieren (Simmel, Affäre 21); „Sind Sie die Frau des Werkmeisters Otto Quangel?“ „Ja, lieber H. Schon achtundzwanzig Jahre.“ (Fallada, Jeder 289); *meine -en! (salopp; Ausruf des Unverständnisses, einer leichten Entrüstung); b) (geh.) als Zusatz bei Verwandtschaftsbezeichnungen: Ihr H. Vater, Bruder, Gemahl; (spöttisch in der Unterhaltung über eine nicht anwesende Person:) der Vater dieses Schnipflers war allerdings als Metzger aufgekauft worden ... Und der H. Sohn hing herum und wartete auf ein Chemiestudium (M. Walser, Seelenarbeit 181). 3. jmd., der über andere od. über etw. herrscht; Gebieter; Besitzer: ein gütiger, gnädiger, gerechter, strenger H.; Jesus Christus, der H.; der H. Jesus; der H. des Hauses; sind Sie der H. dieses Hundes?; Gott der H.; Der H. der Stunde ist nicht mehr Napoleon Bonaparte, sondern endlich ... Joseph Fouché (St. Zweig, Fouché 194); der H. der Welt (Gott); der H. über Leben und Tod (Gott); er ist H. über einen großen Besitz (er hat einen großen Besitz); der Eroberer machte sich zum -n über das Land; der junge H. (veraltend; Sohn des Besitzers, des Hausherrn); mein H. und Meister/Gebieter (scherzh.; mein Mann); die gestrengen -en (landsch.; die Eisheiligen); er duldet keinen -n über sich (ordnet sich niemandem unter); Maria, die Mutter des -n (Jesu); Die Knaben werden nach wie vor zu -en und Paschas erzogen (Dierichs, Männer 145); R wie der H., so's Gescherr (die negativen Eigenschaften eines Vorgesetzten, der Eltern o. Ä. lassen sich auch an den Untergebenen, den Kindern o. Ä. feststellen; wohl nach dem Zitat aus den „Satirae“ des röm. Satirikers C. Petronius Arbiter [gestorben 66 n. Chr.]: Qualis dominus, talis et servus); R niemand kann zwei -en dienen (nach Matth. 6, 24; vgl. auch Luk. 16, 13); Ü Detlef Panitsch am Regiepult hakt einen Musiktitel im Sendeprotokoll ab. Er ist H. über 14 Regler, mit denen er vier Tonbandmaschinen, ... und vieles mehr einschaltet (elan 2, 1980, 33); *sein eigener H. sein (von niemandem abhängig, an niemandes Weisungen gebunden sein; sich nach niemandem richten müssen); H. der Lage, der Situation sein/bleiben (in einer kritischen Situation die Übersicht, die Kontrolle haben/behalten); einer Sache H. werden (eine Schwierigkeit überwinden; etw. bewältigen): Man kann nur sehr schwer seiner Dummheit alleine H. werden (Strauß, Niemand 119); wie man des Besucheransturms H. werden könnte, der über die Villenidylle hereinbräche (Woche 25. 4. 97, 29); nicht mehr H. seiner Sinne sein (nicht wissen, was man tut; die Selbstbeherrschung verlieren); über jmdn., etw. H. werden (etw. bewältigen; sich durchsetzen; die Oberhand behalten); über jmdn., sich, etw. H. sein (jmdn., sich, etw. in der Gewalt haben): er ist nicht mehr H. über sich selbst; er war plötzlich nicht mehr H. über das Auto; aus aller -en Länder[n] (geh.; von überall her): Heute sind bei uns Juden aus aller -en Länder (Hilsenrath, Nazi 186). 4. (christl. Rel.) ↑"Gott" (1) : den -n anrufen; dem -n danken; liebe Brüder u. Schwestern im -n (Anrede eines Geistlichen an die Gemeinde od. Ordensbrüder u. -schwestern); H., hilf uns!; er ist ein großer Jäger vor dem -n (scherzh.; begeisterter, passionierter Jäger; nach 1. Mose 10, 9).