Duden - Das große Wörterbuch der deutschen Sprache in 10 Bänden
greifen
grei|fen [mhd. grīfen, ahd. grīfan, gemeingerm. Verb (vgl. got. greipan, aengl. grīpan]: 1. ergreifen, [in die Hand] nehmen, packen: einen Stein g.; Arlecq griff einen Wassereimer, ging zur Pumpe (Fries, Weg 106); etw. mit der Zange g.; Ich stand auf, griff mir die ... Leier, die an der Wand aufgehängt war (Hagelstange, Spielball 228); Da verschwindet der Besitzer ... hinter einem Vorhang, greift sich etwas aus dem Lagerraum (Grass, Blechtrommel 651); ich griff (nahm) mir noch ein Stück Kuchen; *zum Greifen nah[e] (nicht mehr in weiter Ferne, sondern ganz nah): die Berge waren am Abend zum G. nah; der Erfolg schien zum G. nah[e]. 2. fangen, fassen; gefangen nehmen: einen Dieb g.; Als die Gestapo am nächsten Tag ... vorfuhr, ... war seine Reaktion offenbar ganz spontan: nur nicht sich g. lassen (Dönhoff, Ostpreußen 141); Mit 13 haben die mich zum ersten Mal gegriffen (Degener, Heimsuchung 147); den werde ich mir mal g. (ugs.; stellen, um ihn zu rügen); die Kinder spielen Greifen (landsch.; Fangen). 3. (geh.) in bestimmter Absicht, zu einem bestimmten Tun ergreifen: Er ... steckte den Kugelschreiber ein und griff zum Skizzenblock (H. Gerlach, Demission 24); zur Zigarette g. (rauchen); abends greift sie gern zu einem Buch (liest sie gern); zur Feder g. (zu schreiben anfangen, schriftstellerisch tätig werden); Ü so greifen wir denn ... zum Äußersten (Hildesheimer, Legenden 148); zu einer fragwürdigen Methode g. (Zuflucht nehmen); Der Staat griff zu immer schärferen Mitteln (Mehnert, Sowjetmensch 55); Da ... keine Schreibkraft frei war, musste ich zur Selbsthilfe g. (Weber, Tote 150); Er griff zu Scherzen und zum Plauderton (Woche 8. 1. 99, 15); Doch statt klar zu sagen, dass die »Auferstehung« nur eine Interpretation ist, greift man weiter zu erbärmlichen Ausflüchten (Woche 28. 3. 97, 32). 4. a) die Hand nach jmdm., etw. ausstrecken [um ihn, es zu ergreifen]: nach dem Glas, nach seinem Hut g.; das Kind greift Hilfe suchend nach der Hand der Mutter; wie arm die Leute sind ..., wie gierig sie nach dem Trinkgeld greifen (Schwaiger, Wie kommt 122); Als es endlich so weit ist, greift er hastig nach dem Mikrofon (Woche 14. 11. 97, 3); sie wollte sich festhalten, aber ihre Hand griff ins Leere (sie fand keinen Halt); der Betrunkene hatte ihm ins Steuer gegriffen und damit den Unfall verursacht; Ü nach der Macht, Krone g. (die Macht, Königsherrschaft anstreben); *hinter sich g. müssen (Ballspiele Jargon; den Ball nicht halten können, als Torwart ein Tor hinnehmen müssen): der Torwart musste zweimal hinter sich g.; um sich g. (sich ausbreiten): das Feuer greift um sich; Eine ... Unsitte hat in den letzten Jahren um sich gegriffen ... (Gruhl, Planet 101); dass nunmehr auch die Auffassung um sich griff, der Mensch werde ... nicht in den Garten Eden ... zurückkehren (Fest, Im Gegenlicht 169); die Epidemie griff rasch um sich; b) die Hand nach etw. ausstrecken, um es zu berühren: an seine Mütze g.; sie griff sich an die Stirn (als Zeichen der Begriffsstutzigkeit); in Frühlokalen hatte sie herumgesessen, wo ihr die Besoffenen an die Bluse griffen (Sommer, Und keiner 374); Kollegen greifen ihnen an den Busen oder unter den Rock (Spiegel 22, 1996, 112); Ü diese öffentlichen Beschimpfungen griffen an seine Ehre (geh.; tasteten seine Ehre an); diese traurige Geschichte greift ihr ans Herz (geh.; geht ihr nahe, rührt sie). 5. (durch Bewegungen der Hand auf einem Musikinstrument) zum Erklingen bringen: einen Akkord [auf der Gitarre, auf dem Klavier] g.; ihre Hand ist gerade groß genug, um eine Oktave zu g. (zu umspannen). 6. (bes. Technik) fest aufliegen, einrasten o. Ä., sodass ein bestimmter Vorgang richtig vonstatten geht; genügend Reibungswiderstand haben: auf dem vereisten Boden griffen die Räder nicht; das Zahnrad greift nicht mehr richtig; wobei auf dem feuchten Papier die Bleistifte nicht mehr recht griffen (Handke, Niemandsbucht 817); Ü diese Methoden greifen nicht mehr (wirken nicht mehr); wenn die Umstellung der forstlichen Wirtschaftsweise hin zu einem naturnahen Waldbestand erst einmal greift (natur 10, 1995, 36); Chronische Verdauungsprobleme, Hauterkrankungen, Allergien oder Rückenschmerzen ... seien »eine Domäne der Naturheilverfahren. Die greifen oft besser als die Schulmedizin« (Woche 4. 4. 97, 22); 7. schätzen, veranschlagen: diese Zahl ist sehr, ist zu niedrig gegriffen; das Auto ist hoch gegriffen noch 2000 Mark wert; Ü die Parallele ist keineswegs zu hoch gegriffen (nicht übertrieben; keineswegs abwegig).
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