Duden - Das große Wörterbuch der deutschen Sprache in 10 Bänden
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gehen
ge|hen [mhd., ahd. gēn, gān, urspr. = verlassen, fortgehen; leer sein, klaffen, verw. mit gähnen]: 1. sich in aufrechter Haltung auf den Füßen schrittweise fortbewegen: schnell, langsam, gerade, gebückt, barfuß, südwärts, am Stock, auf Zehenspitzen, eingehakt g.; Jedenfalls ging er bloß schwer und schleppend, mit schaufelnden Armen, aber nie so tief gebückt und schief (Strauß, Niemand 125); geradeaus, um die Ecke, über die Straße, auf und ab, hin und her g.; Lara geht bereits den zweiten Tag mit rot geweinten Augen (Frischmuth, Herrin 21); willst du mitfahren oder lieber [zu Fuß] g.?; Die leeren Gläser räumt H. ab, viel kann er nicht tragen auf einmal, geht er eben öfter (Schädlich, Nähe 55); Noch nie hat sie von einem Trainer gehört, der seinen Stall aufgegeben hätte, solange er noch g. ... kann (Frischmuth, Herrin 138); *wo jmd. geht u. steht (immerzu; überall): er trägt die Sonnenbrille, wo er geht und steht; wie jmd. geht u. steht (so, wie jmd. gerade [angezogen] ist; sofort): als ich die Nachricht hörte, rannte ich los, wie ich ging und stand. 2. eine bestimmte Strecke gehend (1) zurücklegen: einen Umweg, 5 km g.; ich bin den Weg in einer Stunde gegangen; sie ist ein Stück mit uns gegangen; der Pfad ist nicht leicht zu g.; Der Beamte geht seine Runden, die Antenne des Funkgerätes blinkt im Licht (Sobota, Minus-Mann 77). 3. in bestimmter Weise zu begehen sein: auf diesem Pflaster geht es sich schlecht; es ging sich barfuß angenehm darauf (Kuby, Sieg 384). 4. a) sich [mit bestimmter Absicht] irgendwohin begeben: schwimmen, tanzen, einkaufen, essen g.; Wachtmeister Dufte ging sich der sonntäglichen Stadt zeigen (Strittmatter, Wundertäter 335); auf den Markt, aufs Standesamt g.; ins Ausland g.; viele von Ihnen, die in den Westen gegangen sind, wollen jetzt nichts anderes als zurück (Brasch, Söhne 55); zu/ins Bett g.; zur/in die Kirche g. (den Gottesdienst besuchen); an die Luft g. (ins Freie gehen, um sich zu entspannen, zu erfrischen); in die Himbeeren g. (ugs.; Himbeeren pflücken gehen); Lange vor dem Mittag setzte er sich in den Koksstaub und war zu müde, nach einer Limonade (eine Limonade holen) zu g. (Becker, Tage 88); zum Arzt g. (den Arzt aufsuchen); Ü an die Arbeit g. (mit der Arbeit beginnen); Krenek und Busch gehen vier Wochen auf Kursus (Kant, Impressum 374); Von Wilhelm wurde berichtet, er sei als Knecht auf Wanderschaft gegangen und an einen Hof im Niederbayerischen gekommen (Kühn, Zeit 55); in Deckung g. (Schutz suchen); in Urlaub, Pension g.; mit einigen Hoffnungen in den Wahlkampf g.; das Manuskript geht in Druck (man beginnt mit dem Druck); Silber ist so teuer, dass man spekulativ in andere Metalle geht (auf andere Metalle ausweicht; Saarbr. Zeitung 2. 10. 79, 6); *in sich g. (über sein Verhalten [mit Bedauern] nachdenken, um es zu ändern): Anstatt dass Sie jetzt in sich gehen und versuchen, ein ordentlicher Mensch zu werden (Ziegler, Konsequenz 48); ∙ „... lassen Sie ihn rufen, haben Sie die Güte.“ „Ich geh' um ihn!“, schrie Peter (Ebner-Eschenbach, Gemeindekind 96); Aber was sitzt Er denn immer da? Gehe Er den Bogen Papier zu kaufen (Cl. Brentano, Kasperl 354); *jmdn. g. lassen (landsch. in Ruhe lassen): du sollst das Kind g. lassen; lass den Hund g.; *jmdn./etw. g. lassen (landsch. loslassen): er ließ das Seil plötzlich g.; *sich g. lassen (sich nicht beherrschen, sich keine Selbstdisziplin auferlegen): du hast dich gestern Abend ziemlich g. lassen/(seltener:) gelassen; Wenn man ihm glauben darf, hat sich McLane g. lassen, als seine Frau gestorben war, doch der Mann war überzeugt, dass er sich wieder aufgerappelt hätte (Kemelman [Übers.], Mittwoch 134); b) regelmäßig besuchen: in den Kindergarten, auf die Universität g.; er geht noch zur Schule (er ist noch Schüler); Ü sie ist durch eine harte Schule gegangen (hat viel Schweres durchgemacht); c) in einem bestimmten Bereich [beruflich] tätig werden: in den Staatsdienst, in die Industrie, Politik g.; ins Kloster g. (Nonne, Mönch werden); als Jurist zur Verwaltung g.; zum Theater, zum Film g. ([Film]schauspieler[in] werden); d) (landsch.) als etw. [zu] arbeiten [beginnen]: als Schaffner g. 5. (ugs.) sich in bestimmter Weise kleiden: man geht kurz und aggressiv sexy - es kann sich dabei um ein Sackkleid handeln, um eine Tunika (Nordschweiz 29. 3. 85, 27); er geht immer gut, schlecht gekleidet; Zweitens ging sie ihm viel zu kindlich angezogen mit ihrem gelben Trägerröckchen (Bastian, Brut 171); in Schwarz, in Trauer, in Zivil, in Nationaltracht g.; Er geht im Hemd od. Pullover, nie im Mantel (Strauß, Niemand 125); zum Fasching als Indianerin, als Cowboy (im Kostüm einer Indianerin, eines Cowboys) g. 6. a) einen Ort verlassen; weggehen: ich muss jetzt g.; er ist wortlos, grußlos gegangen; gehen wir?; jmdn. lieber g. als kommen sehen (jmdn. nicht mögen u. deshalb auf seine Anwesenheit keinen Wert legen); geh/gehen Sie/(südd., österr.:) gehts mir doch damit, mit dieser alten Geschichte (ugs.; als Ausdruck der Ablehnung, des Unwillens; lass/lassen Sie mich doch damit in Ruhe, in Frieden)!; geh/(südd., österr.:) gehts, erzähl schon! (ugs.; als Ausdruck der Ermunterung; los!); geh/(südd., österr.:) gehts, das soll ich glauben? (ugs.; als Ausdruck des Zweifels); er ist von uns gegangen (verhüll.; gestorben); Ü der Zug geht um 12.22 Uhr (fährt um 12.22 Uhr ab); der nächste Bus geht (fährt) erst in einer halben Stunde; *etw. mit sich g. heißen/lassen (ugs.; ↑"mitgehen");b) seinen bisherigen Arbeitsplatz aufgeben; aus dem Amt, Dienst ausscheiden: sie hat gekündigt und wird nächsten Monat g.; der Minister musste g.; Sie können g. (Sie sind entlassen)!; *gegangen werden (ugs. scherzh.; entlassen werden). 7. (ugs.) a) sich an etw. zu schaffen machen: jemand muss an meinen Schreibtisch gegangen sein, er ist völlig in Unordnung; b) sich unerlaubt von einer Sache etw. nehmen: ich habe gemerkt, dass du an mein Geld gegangen bist; die Kinder sind [mir] an den Kuchen gegangen. 8. (ugs.) mit jmdm. ein Freundschafts- od. Liebesverhältnis haben [u. sich oft in der Öffentlichkeit mit ihm zeigen]: er geht schon zwei Jahre mit dem Mädchen; seitdem sie wissen, dass ich mit einem Polizisten gehe, werde ich geschnitten (Hörzu 48, 1981, 127); die beiden gehen [fest] miteinander. 9. a) in bestimmter Weise in Bewegung sein: die Maschine geht (funktioniert; ist in Betrieb); die Uhr geht nicht mehr (ist stehen geblieben); er erwachte, weil die Klingel, das Telefon ging (läutete); nach zehn Minuten ging (heulte) die Sirene auf dem Torgebäude (G. Vesper, Laterna 36); sein Mundwerk ging ununterbrochen (ugs.; er redete ununterbrochen); es geht (weht) ein kalter Wind; Draußen geht ein leichter Nieselregen (Chotjewitz, Friede 249); kein Lüftchen ging (es war windstill); die Tür geht (wird geöffnet; bewegt sich); Ü die Affäre ging durch alle Zeitungen (wurde in allen Zeitungen verbreitet); es geht (man erzählt sich) die Sage, das Gerücht, dass ...; *einen g. lassen (derb; eine Blähung abgehen lassen); b) ↑"aufgehen" (4): der Teig muss noch g. 10. a) sich machen lassen; möglich sein: das geht nicht; Nichts geht mehr, auch nicht ein Minderheitskabinett (MM 21. 1. 76, 2); aber das geht doch nicht (das kommt nicht infrage), dass du jetzt schon gehst!; leider geht es nicht anders; es geht nicht ohne deine Hilfe; soll ich es einpacken oder geht es so?; b) (ugs.) einigermaßen akzeptabel sein, gerade noch angehen: die ersten Tage im Urlaub gingen noch, aber dann wurde die Hitze unerträglich; „Gefällt es dir?“ - „Es geht [so]“ (leidlich; einigermaßen); der Mantel muss diesen Winter noch g. (seinen Zweck erfüllen). 11. a) sich in bestimmter Weise entwickeln; in bestimmter Weise verlaufen: der Laden, das Geschäft geht gut, überhaupt nicht; (ugs.:) alles geht drunter und drüber; es geht alles nach Wunsch; Ü wie geht (lautet) die erste Strophe?; *vor sich g. (gerade stattfinden; geschehen): es sind Veränderungen vor sich gegangen; was geht hier vor sich?; Und wie geht das mit der Entspannung vor sich? (Dönhoff, Ära 141); b) in bestimmter Weise zu handhaben, zu machen, durchzuführen sein: etw. geht schwer, leicht, ganz einfach; ich weiß nicht, wie diese Rechenaufgabe, dieses Spiel geht; Ich möchte Esskastanien zubereiten, weiß aber nicht, wie es geht (wie man es macht; Hörzu 51, 1975, 101). 12. absetzbar, verkäuflich sein; gewünscht werden: der Artikel geht bei uns sehr schlecht; Wer ein Schaufenster ... dekorieren möchte, kann sich die Klassiker gebührenfrei borgen. Lenin (die Bücher von Lenin) geht am besten (Bieler, Bär 260); das Produkt geht überall. 13. a) in etw. Raum finden: in das Gefäß geht nur ein Liter; So viel Betten gehen nicht in die zwei Zimmer (M. Walser, Seelenarbeit 186); der Schrank geht (passt) nicht durch die Tür, in das Zimmer; b) (von Zahlen, Maßen) in etw. enthalten sein: wie oft geht 2 in 10?; von diesen Äpfeln gehen vier auf ein Pfund; c) in etw. aufgeteilt werden: die Erbschaft geht in fünf gleiche Teile. 14. a) sich bis zu einem bestimmten Punkt erstrecken, ausdehnen: der Rocksaum geht bis zu den Knien; das Wasser ging mir bis an den Hals; Das Waschbecken geht über die volle Breite, sodass man gute Möglichkeiten zur Morgentoilette hat (Caravan 1, 1980, 43); die Summe geht in die Hunderte; dass sie (= die Ärzteschaft) seit Jahrzehnten vor jedem Krieg deswegen warnt, weil die Menschenopfer in die Hundertmillionen g. können (DÄ 47, 1985, 8); Ü seine Sparsamkeit geht bis zum Geiz; Die Herzogin geht ... auch in der Liebe bis zum Äußersten (bis zum gerade noch Akzeptablen; Reich-Ranicki, Th. Mann 118); bis es nicht mehr geht (bis zum Überdruss); das geht zu weit; er ging so weit zu behaupten, dass ...; einige Studenten gingen sogar so weit, mit ihren Kollegheften nach Weber ... zu werfen (Niekisch, Leben 60); das geht über (übersteigt) seine Kräfte, seinen Horizont; seine Familie geht ihm über alles (ist ihm am meisten wert); es geht nichts über (nichts ist besser als) ein gutes Glas Wein; b) eine bestimmte Richtung haben, einschlagen; in einer bestimmten Richtung verlaufen: die Straße geht durch den Wald; der Weg geht erst geradeaus, dann links; wohin geht (führt) die Reise?; c) auf etw., jmdn. abzielen, gerichtet sein: der Blick geht auf den Altar; das Fenster geht auf den Hof, nach der Straße; der Regen geht (dringt) durch die Schuhe; der Ball ging (traf) ins Tor; Ü Die Felder waren ja an Georg gegangen (M. Walser, Seelenarbeit 35); Der dritte Preis ging an den japanischen Maler Koichi Nasu (CCI 1, 1987, 5); Als es während der Mahlzeit ans Verteilen der Suppe geht (das Verteilen der Suppe einsetzt; Ossowski, Flatter 49); diese Bemerkung geht gegen dich; das geht gegen meine Prinzipien; die Rechnung geht auf mich (bezahle ich); Die erste Runde geht auf den Wirt (Chotjewitz, Friede 153); wenn ich mich von ihm auf die Schultern schmeißen ließ, anstatt wenigstens auf Punktniederlage zu g. (alles daranzusetzen, nur eine Punktniederlage hinnehmen zu müssen; Loest, Pistole 186); seine Ansicht, Meinung geht dahin, dass ...; das geht mir ans Gemüt, zu Herzen (trifft, bewegt mich); die Farbe geht (spielt) ins Blau; d) sich einem bestimmten Zustand, Zeitpunkt o. Ä. nähern: etw. geht zu Ende; er geht auf die 60 (nähert sich seinem sechzigsten Lebensjahr); es geht auf/gegen Mitternacht; Es geht auf sieben Uhr (Kühn, Zeit 6); dann geht (dauert) es wiederum acht bis zehn Jahre, bis größere Mengen davon (= Kartoffelneuheiten) produziert werden können (Brückenbauer 37, 1985, 25); dieser Zustand geht jetzt ins dritte Jahr (dauert schon [länger als] zwei Jahre an); e) sich nach jmdm., etw. richten; jmdn., etw. als Maßstab nehmen: er geht nur nach dem Äußeren; danach kann man nicht g.; es kann nicht immer alles nach dir g. (es kann sich nicht immer alles nach deinem Willen richten). 15. a) sich in einer bestimmten Verfassung, Lage befinden: es geht ihm [gesundheitlich, finanziell] gut, schlecht; wie geht es dir?; (ugs.:) wie gehts, wie stehts?; wie geht es mit deinem Prozess?; b) sich um etw. handeln: worum geht es hier/in diesem Film? (was ist der Inhalt?); Von Goethe dies Gedicht, wo's um die bunten Glasfenster geht (Kempowski, Immer 83); Bevor sie fahren, haben sie eine lange Unterredung mit dem Trainer. Es kann nur um Geld g. (Frischmuth, Herrin 86); es geht mir darum, ihn zu überzeugen (ich möchte erreichen, dass er sich überzeugen lässt); ihr geht es nun darum, durchzuhalten und dieses erste persönlich erkämpfte Stück Selbstständigkeit in ihrem Leben zu verteidigen (Richter, Flüchten 309); Es scheint, dass es im Grunde nicht nur um ideologische Differenzen geht, sondern auch um machtpolitische (Dönhoff, Ära 229); Wiederholt konnte Oberleutnant Wall an der Kleinen beobachten, dass sie - sobald es um Schwächere oder Kranke geht - sehr mitleidig und hilfsbereit ist (Bastian, Brut 69).