Duden - Redewendungen
Auge
Auge um Auge, Zahn um Zahn: Gleiches wird mit Gleichem vergolten: Wir werden uns diese Grenzübergriffe nicht länger gefallen lassen, Auge um Auge, Zahn um Zahn.-Die Wendung stammt aus der Bibel, vgl. z. B. 3. Moses 24, 19: »Und wer seinen Nächsten verletzt, dem soll man tun, wie er getan hat. Schade um Schade, Auge um Auge, Zahn um Zahn.« Es handelt sich dabei also eigentlich um Strafen, wie sie für die Rechtsprechung in den Bußkatalogen festgelegt waren.
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Augen haben wie ein Luchs: ungewöhnlich gut sehen können: Der Chefin entgeht nichts, die hat Augen wie ein Luchs.
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Augen im Kopf haben (ugs.): etwas durchschauen, beurteilen können: Ich weiß, was mit den beiden los ist, ich habe doch Augen im Kopf! ... und es ist ja auch wirklich für jeden Menschen, der Augen im Kopf hat, eine Freude, diese junge Frau anzusehen (Fallada, Mann 122).
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Augen machen wie ein [ab]gestochenes Kalb (ugs.): dümmlich, verwundert dreinblicken: Er machte Augen wie ein abgestochenes Kalb, als seine Frau plötzlich vor ihm stand.
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Augen und Ohren aufhalten (ugs.): aufmerksam etwas verfolgen: Sie mußten Augen und Ohren aufhalten, denn in der Gegend wimmelte es von Partisanen.
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[große] Augen machen (ugs.): staunen, sich wundern: Der hat aber Augen gemacht, als ich mit einem Porsche ankam. Stanko machte große Augen, als ich eine Treppe höher bei ihm eintrat und er mich im Schein der Hängebirne musterte (Th. Mann, Krull 193). Von Helena hatte er sich bereits gestern verabschiedet, und wenn er sie jetzt noch einmal besuchte, würde sie große Augen machen (Geissler, Wunschhütlein 119).
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[jmdm.] ins Auge/in die Augen stechen (ugs.): 1. [jmdm.] so sehr gefallen, daß er es haben möchte: Der Hosenanzug stach seiner Frau schon lange ins Auge. 2. [jmdm.] auffallen: Der Major ... war ein Hüne, dessen organische Unschuld an der Disposition und Aufnahmelustigkeit des Töchterchens in die Augen stach (Th. Mann, Zauberberg 420). Das Mädchen ... streckte eine Hand aus, deren rote Fingernägel Sartorik in die Augen stachen (Sebastian, Krankenhaus 62).
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auf zwei Augen stehen/ruhen (veraltend): in seinem Fortbestand von dem Leben eines Menschen abhängen: Seit dem Tode des Seniorchefs steht das Riesenunternehmen auf zwei Augen. Man muß sich diese Tatsachen gegenwärtig halten ... daß sein Weltreich politisch zusammenbrach, weil es nur auf zwei Augen stand (Thieß, Reich 116).
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aus den Augen, aus dem Sinn: wen man nicht mehr sieht, den vergißt man, zu dem reißt der Kontakt ab: Seit seiner Übersiedlung nach Genf habe ich nichts mehr von ihm gehört. Na ja, aus den Augen, aus dem Sinn.
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da bleibt kein Auge trocken (ugs.): 1. alle weinen vor Rührung: Da blieb kein Auge trocken, als die toten Seeleute an Land gebracht wurden. 2. alle lachen Tränen: Wenn die Clowns der Eisrevue ihre Späße treiben, da bleibt kein Auge trocken. Für die fünfteilige Unterhaltungsserie ... verspricht man: »Da bleibt kein Auge trocken!« (MM 21./22. 9. 1971, 23). 3. keiner bleibt davon verschont: Wenn die erst einmal mit der Säuberung der Partei anfangen, da bleibt kein Auge trocken. ... die gehen ran wie Blücher. Da bleibt kein Auge trocken (Kuby, Sieg 229). Temperamentgeladene Löwen (= die unter dem Sternbild Löwe Geborenen) kommen auf ihre Kosten! Es bleibt kein Auge trocken (Bild und Funk 3, 1967, 51).
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das Auge beleidigen; eine Beleidigung für das Auge sein: abstoßend wirken; für einen ästhetischen Menschen nicht zumutbar sein: Die Farben beleidigen mein Auge. Dieses Spiel, das als Werbung für den Fußball gedacht war, war eine Beleidigung für das Auge.
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das Auge des Gesetzes (scherzh.): die Polizei: Das gestrenge Auge des Gesetzes duldete kein Parken auf dem Platz vor dem Schloß.
-Dieser idiomatische Ausdruck ist allgemein bekannt durch Schillers »Lied von der Glocke« ( »... denn das Auge des Gesetzes wacht.«). Schon bei antiken Autoren ist vom »Auge der [strafenden] Gerechtigkeit« die Rede.
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die Augen auf Null stellen/drehen (ugs.): sterben: Ich hatte jedenfalls tierisch Schiß, daß mein Kollege die Augen auf Null dreht (Stern 39, 1980, 22). »Der hat 'nen Abgang gemacht«, »die Augen auf Null gestellt« kommentieren die Fixer aus der Szene, wenn es einen von ihnen erwischt (Spiegel 23, 1977, 185).
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die Augen aufmachen/aufsperren/auftun (ugs.): genau auf das achten, was um einen herum vorgeht: Mach die Augen auf, wenn du über die Straße gehst! Man muß schon die Augen auftun, wenn einem bei dem Schizirkus nichts passieren soll.
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die Augen aufreißen (ugs.): äußerst erstaunt sein: Die Begleiter rissen die Augen auf, als der Minister aus dem Auto sprang und auf die Demonstranten zuging. Er sprang auf, als Goldmund kam, und riß die Augen auf (Hesse, Narziß 274).
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die Augen offen haben/offenhalten: achtgeben, aufpassen: Wir werden die Augen offenhalten und uns nicht in eine Falle locken lassen. Es hat neunundneunzig geschlagen, bald wird es hundert schlagen! Ich werde meine Augen offenhalten (Mostar, Unschuldig 164). Man muß die Augen offen haben für den vielfältigen Zauber, den die Natur hier bietet (Gast, Bretter 73).
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die Augen schließen/zumachen/zutun (verhüll.): sterben: Der Großvater wird wohl bald die Augen zumachen. Was also geschieht mit den Menschen, die wir geliebt haben, wenn sie die Augen schließen? (Thielicke, Ich glaube 184). Mehr hatte der Alte eigentlich nie gewollt ... Er konnte ruhig die Augen schließen und tat dies vier Monate später (Thieß, Reich 443).
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die Augen sind größer als der Magen (fam.): sich mehr auf den Teller tun, als man essen kann: Na, da waren die Augen wohl mal wieder größer als der Magen.
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die Augen vor etwas verschließen: etwas nicht wahrhaben wollen: Vor den Problemen der Studenten verschließen die zuständigen Stellen die Augen. Wir dürfen die Augen vor der wachsenden Gefährdung der Jugend durch Rauschgift nicht verschließen. ... weil die Produktionsministerien ... dazu neigen, die Augen vor der schlechten Qualität der Produktion »ihrer« Werke zu verschließen (Mehnert, Sowjetmensch 114).
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ein Auge auf jmdn., auf etwas haben: 1. auf jmdn., auf etwas achten, aufpassen: Die Regierung muß auf diese Radikalinskis ein Auge haben. Sie war ja eine tüchtige Frau, ... und auf alles hatte sie ein Auge (Thieß, Legende 116). Aber er vergaß keineswegs, während der nächsten Tage ein Auge darauf zu haben, ob zwischen den beiden Lehrern wieder ein gutes Einvernehmen bestehe (Hesse, Narziß 17). 2. an jmdm., an etwas Gefallen finden, etwas gerne haben wollen: Zum Geburtstag schenkte er ihr das Armband, auf das sie schon lange ein Auge hatte. Auf dem Ball tanzte mehr als ein Kleid, das aus meiner Hand kam. Trotzdem hatte ich den ganzen Abend ein Auge auf Diemut (Gaiser, Schlußball 183).
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ein Auge auf jmdn., auf etwas werfen (ugs.): Gefallen an jmdm., an etwas finden: Es kam ihm fast so vor, als hätte der Untermieter ein Auge auf seine Frau geworfen. Auf das neue Coupé habe ich auch schon ein Auge geworfen. Möglicherweise lag es daran, daß ich merkte, daß dieser Torrin ein Auge auf mich geworfen hatte (Cotton, Silver-Jet 97).
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ein Auge für etwas haben: das richtige Verständnis, das nötige Urteilsvermögen für etwas haben: Laß ihn das machen, er hat das Auge dafür! Verzeihen Sie, wenn ich bis jetzt kein Auge dafür hatte ... aber nun habe ich bald ein Auge dafür (Andres, Liebesschaukel 120).
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ein Auge riskieren (ugs.): einen verstohlenen Blick auf jmdn. oder etwas werfen: Er wußte, daß die Mädchen im Umkleideraum waren, und hätte gern ein Auge riskiert. Der läßt sich lieber die Eselohren abreißen, als daß er ein Auge auf Lore riskiert (Kirst, 08/15, 13).
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ein Auge/beide Augen zudrücken (ugs.): etwas nachsichtig, wohlwollend übersehen: Der Richter wollte noch einmal ein Auge zudrücken und gab ihm drei Monate mit Bewährung. Der Chef drückte beide Augen zu und warf den Kassierer nicht hinaus. ... ich hätte damals Methoden angewendet, bei denen man heute beide Augen zudrücken müßte (H. Weber, Einzug 77).
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ein Auge/ein paar Augen voll Schlaf nehmen (ugs.; landsch.): ein wenig schlafen: Bevor wir zur nächsten Etappe aufbrechen, möchte ich noch ein Auge voll Schlaf nehmen. So versuchen wir ein Auge voll Schlaf zu nehmen (Remarque, Westen 33).
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einer Sache ins Auge sehen/blicken: 1. etwas Unangenehmem gelassen entgegensehen: Die Vereine sahen den sinkenden Zuschauerzahlen gelassen ins Auge. Die Besatzung des Jumbos sah der Gefahr ruhig ins Auge. 2. etwas realistisch sehen; sich einer Sache stellen: Sie mußten den Tatsachen ins Auge sehen: Die Firma stand vor dem Ruin. Man hat der Regierung in Bonn häufig vorgeworfen, sie ... sei nicht bereit, den Realitäten ins Auge zu blicken (Dönhoff, Ära 85).
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etwas im Auge haben: etwas im Sinn haben, vorhaben, anstreben: Er hat nur seinen Vorteil im Auge. Hatten Sie ein bestimmtes Modell im Auge? Es sah wirklich so aus, als schenke man seiner Stimme besondere Beachtung, habe Großes mit ihr vor, bestimmte Pläne im Auge (Thieß, Legende 116).
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etwas ins Auge fassen: etwas erwägen; sich etwas vornehmen: Wir werden die Verbesserungsvorschläge noch einmal ins Auge fassen. Er hatte eine Scheidung bisher noch nicht ins Auge gefaßt. Ob ab 1969 eine Erhöhung der Ertragssteuern ins Auge gefaßt werden muß, bleibt vorläufig offen (MM 6. 7. 1967, 1).
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etwas mit eigenen Augen gesehen haben: bei etwas Augenzeuge gewesen sein und daher genau darüber Bescheid wissen: Einige Hotelgäste sprangen mit brennenden Kleidern aus den Fenstern, ich habe es mit eigenen Augen gesehen.
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etwas nicht nur um jmds. schöner/blauer Augen willen tun; etwas nicht nur wegen jmds. schöner/blauer Augen tun (ugs.): etwas nicht aus reiner Gefälligkeit tun: Doch nicht nur um deiner blauen Augen willen! Wenn du glaubst, daß er das alles nur wegen deiner schönen, blauen Augen tut, dann irrst du dich aber.
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für die Augen zuwenig, für den Bauch/(derb:) Arsch zuviel (fam.): mehr auf dem Teller, als man essen kann: Den Rest schaffe ich nicht mehr, na ja, für die Augen zuwenig, für den Bauch zuviel.
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ganz Auge und Ohr sein (ugs.): genau aufpassen: Schon nach wenigen Minuten waren die Kinder ganz Auge und Ohr und folgten gebannt dem Spiel.
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hinten keine Augen haben (ugs.): nach rückwärts nicht sehen können und nichts dafürkönnen, wenn man jmdn. tritt oder stößt: Es tut mir furchtbar leid, daß ich Sie getreten habe, aber hinten habe ich keine Augen.
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in diese Suppe schauen mehr Augen hinein als heraus (ugs.; scherzh.): diese Suppe ist ohne Fett zubereitet, ist wäßrig.
-Diese Redensart ist ein Wortspiel mit »Auge« in der Bedeutung »auf einer Flüssigkeit schwimmender Fetttropfen«.
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in jmds. Augen ...: nach jmds. Ansicht ...: In den Augen der Leute ist er der Täter. In meinen Augen ist sie eine Heilige. ... ein ausgesägter Flurboden, ein mit Heu gefüllter Keller wären in den Augen der Polizei doch recht ungewöhnliche Geburtstagsvorbereitungen gewesen (Fallada, Herr 88).
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in jmds. Augen steigen/sinken: bei jmdm. an Ansehen, Achtung gewinnen/verlieren: Mit dem Doktortitel war ich natürlich in den Augen meiner Schwiegereltern enorm gestiegen. Er begann in unseren Augen zu sinken, als sich die ersten Anzeichen seiner Labilität zeigten.
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ins Auge gehen (ugs.): übel ausgehen, schlimme Folgen haben: Unser Nachbar läßt den Motor immer ziemlich lange in der Garage laufen, wenn das mal nicht ins Auge geht. Wenn ein junger Mann im Krieg für den Frieden wirbt, so kann das leicht ins Auge gehen (Hörzu 18, 1973, 75). Eine Öllache verschmiert die Straße. Das kann verdammt ins Auge gehen (Quick 15, 1958, 25).
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ins Auge/in die Augen springen/fallen: auffallen, die Aufmerksamkeit auf sich ziehen: Der Qualitätsunterschied der beiden Teppiche fiel ihm sofort ins Auge. Ins Auge springt bei dieser Wahl die hohe Wahlbeteiligung. Die einfachste, ins Auge fallende Einteilung des Waldes ist die nach Nadelwald, Laubwald und Mischwald (Mantel, Wald 24).
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jmdm. Auge in Auge gegenüberstehen: jmdm. ganz nah gegenüberstehen: Demonstranten und Polizisten standen sich Auge in Auge gegenüber.
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jmdm. [am liebsten] die Augen auskratzen [mögen] (ugs.): (meist von Frauen gesagt) auf jmdn. so wütend sein, daß man ihm am liebsten etwas Böses antun möchte: Was hat die meinen Kurt so anzulächeln? Dem Biest möchte ich am liebsten die Augen auskratzen! ... wer mir in mein Gehege kommt, dem kratze ich rücksichtslos beide Augen ... aus (Langgässer, Siegel 460).
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jmdm. [schöne] Augen machen (ugs.): jmdn. verführerisch ansehen; flirten: Der Doktor machte der Frau des Apothekers schöne Augen. Du brauchst mir gar nicht schöne Augen zu machen, ich kann dir den Pelz nicht kaufen. Sie habe panische Angst, von Männern abgewiesen zu werden, wenn sie ihnen schöne Augen mache (Hörzu 45, 1970, 145).
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jmdm. aus den Augen gehen: sich nicht mehr bei jmdm. sehen lassen: Geh mir bloß aus den Augen! Weil er ihm noch Geld schuldete, schien es ihm ratsam, seinem Bekannten aus den Augen zu gehen.
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jmdm. aus den Augen kommen: keine Verbindung mehr mit jmdm. haben: Als er in den diplomatischen Dienst trat, kam er mir aus den Augen. Darüber war mir Frau Andernoth aus den Augen gekommen (Gaiser, Schlußball 187).
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jmdm. aus den Augen sehen: an jmds. Blick, Gesichtsausdruck abzulesen sein: Der alten Dame sah der Schalk aus den Augen, als sie uns erzählte, sie habe in ihrem Garten eine Schatzkiste ausgegraben. Trauen Sie dem Kerl nicht, dem sieht doch die Verschlagenheit aus den Augen!
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jmdm. die Augen öffnen: jmdn. darüber aufklären, wie unerfreulich etwas in Wirklichkeit ist: Ich muß dir mal über deinen Freund die Augen öffnen. Er wollte dem Bauern über den Gemeinderat die Augen öffnen. Könnten Sie nicht einmal zu uns kommen und Gerda ein wenig die Augen für die Unreife von Hans und seinen Gefährten öffnen? (Musil, Mann 309).
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jmdm. etwas an/von den Augen ablesen: von allein etwas erkennen, was jmd. insgeheim haben möchte: Sie las ihrem Freund jeden Wunsch an den Augen ab. Wir bemühten uns sehr um Großmutter, versuchten ihr von den Augen abzulesen, was ihr eine Freude machen könnte.
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jmdm. etwas aufs Auge drücken (ugs.): jmdm. etwas [Unangenehmes] aufbürden: Wenn er selbst was nicht machen will, drückt er mir das aufs Auge. Die Firma hatte ihr die gesamte Auslandskorrespondenz aufs Auge gedrückt.
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jmdm. etwas vor Augen führen/halten/stellen: jmdm. etwas deutlich zeigen, klarmachen: Der Film führt uns die furchtbaren Folgen eines Atomkrieges vor Augen. ... dennoch hielt ich ihm vor Augen, daß Diebstahl viel schöner sei als Prostitution (Genet [Übers.], Tagebuch 106). Immer wird Menschengeschichte sich lesen als Geschichte, die uns bedeutend vor Augen stellt, wie viel ein einzelner vermag (Goes, Hagar 127).
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jmdm. gehen die Augen auf (ugs.): jmd. durchschaut plötzlich alles: Da gingen ihm die Augen auf. Die beiden kannten sich und wollten ihn hereinlegen. Als sie ihn für ihre Propagandazwecke einspannen wollten, gingen ihm endlich die Augen auf. Einigen Leuten im Zimmer gingen die Augen auf (Brecht, Groschen 40).
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jmdm. gehen die Augen über: 1. (ugs.) jmd. ist von einem Anblick überwältigt: Als der Schmuck vor ihnen auf dem Tisch lag, gingen ihnen die Augen über. Am Ende möchten dem Bürger »von soviel Staat ... noch die Augen übergehen« (Spiegel 21, 1975, 36). 2. (geh.) jmd. beginnt zu weinen: Manchem gingen die Augen über, als die toten Kumpels aus dem Schacht gebracht wurden.
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jmdm. nicht in die Augen sehen können: jmds. Blick nicht ertragen können; ein schlechtes Gewissen haben: Seit unserem letzten Gespräch kann er mir nicht mehr in die Augen sehen. Er wagte es anscheinend nicht, den frisch Ankommenden ins Auge zu sehen (Brecht, Groschen 54).
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jmdm. unter die Augen kommen/treten: sich bei jmdm. sehen lassen: Wenn der Kerl mir noch einmal unter die Augen kommt, passiert etwas. Nach diesem Krach möchte ich ihm nicht mehr unter die Augen treten. Daß ich ihr nicht mehr unter die Augen treten durfte, war sicher (Hartung, Piroschka 54).
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jmdm. verliebte Augen machen (ugs.): jmdn. verliebt ansehen: Der Oberkellner machte der Chefin verliebte Augen. Sie ... machte verliebte Augen, guckte ihn groß an (Hilsenrath, Nazi 115).
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jmdm. vor Augen stehen: jmdm. deutlich in Erinnerung sein: Die Nächte, in denen Berlin in Schutt und Asche sank, stehen ihr noch immer vor Augen. Und so war das Leben, das mir immer, wenn auch selten deutlich, vor Augen stand (Musil, Mann 1217).
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jmdm. wie aus den Augen geschnitten sein: jmdm. sehr ähnlich sein: Er ist seinem Vater wie aus den Augen geschnitten.
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jmdm. zu tief ins Auge/in die Augen sehen: sich in jmdn. verlieben: Du hast wohl der neuen Laborantin zu tief ins Auge gesehen?
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jmdm./jmdn., etwas aus den Augen schaffen: jmdn., etwas wegschaffen, fortbringen: Schafft mir das Zeug da aus den Augen. Der Polizeichef befahl, ihm den Kerl aus den Augen zu schaffen.
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jmdn. etwas nicht aus dem Auge/aus den Augen lassen: jmdn., etwas scharf beobachten: Während er badete, ließ er seine Sachen am Ufer nicht aus dem Auge. Der Schäferhund folgte uns und ließ uns nicht aus den Augen. ... dabei fühlte sie, wie der Fremde sie nicht aus den Augen ließ und ihr den eigenen Körper so bewußt machte, als ob er ihn streichelte (Langgässer, Siegel 510).
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jmdn., etwas aus dem Auge/aus den Augen verlieren: die Verbindung mit jmdm. verlieren, etwas nicht weiter verfolgen: In den letzten Kriegstagen haben wir uns aus den Augen verloren. ... wir haben hier jetzt die siebzehnte Brechung einer Nebenerscheinung am Wickel und verlieren die Idee aus dem Auge (Kant, Impressum 242). Die Hügel waren doch höher, als ich gedacht hatte; oft verlor ich Onkel Hugo aus den Augen (Schnurre, Vaters Bart 47).
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jmdn., etwas im Auge behalten/haben: jmdn., etwas beobachten, in seinem weiteren Verlauf, bei den weiteren Aktivitäten verfolgen: Die Polizei behielt ihn nach seiner Entlassung weiter im Auge. Die Vorstände wollten eine Fusion der beiden Vereine im Auge behalten. Einstweilen also sollten wir uns auf diese Bahn beschränken, denn dabei konnten die auf der Veranda sitzenden Erwachsenen uns im Auge haben (Bergengruen, Rittmeisterin 262).
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jmdn., etwas mit anderen/mit neuen Augen [an]sehen: bei jmdm., etwas zu einem neuen Verständnis gelangen, eine neue Einstellung gewinnen: Indien sieht jetzt die Politik der USA mit neuen Augen an. Und weil sie seit fünf Minuten ihren Mann mit ganz anderen Augen ansieht, fällt ihr auf, daß er die rechte Hand in der Hosentasche hat (Fallada, Mann 26). Seit ich höre, daß ihm solche Sachen wie die jetzt vorgeworfen werden, sehe ich alles mit ganz anderen Augen an (Brecht, Groschen 336).
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jmdn., etwas mit den Augen verschlingen (ugs.): jmdn., etwas mit begehrlichen Augen ansehen: Der Clochard verschlang die Auslagen mit den Augen. Die neue Mitarbeiterin wurde vom Abteilungsleiter förmlich mit den Augen verschlungen. Hast du nicht Hände zu sehen, und mußt du die Makellose auch noch mit den Augen verschlingen ...? (Th. Mann, Joseph 296).
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jmdn., etwas mit scheelen Augen ansehen/betrachten (ugs.): jmdn., etwas mit Neid, mit Mißgunst ansehen: Die Opposition sah die Erfolge der Regierungsparteien mit scheelen Augen an. Innerhalb der ... Partei wurde diese Gruppe mit scheelen Augen betrachtet (Niekisch, Leben 138).
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jmds. Augen brechen (geh.): jmd. stirbt: Als der Priester endlich eintraf, waren die Augen der Mutter bereits gebrochen. In der Ecke lag zusammengekrümmt der Hund. Die Augen seines treuen Begleiters waren gebrochen. ... die Augen wollen brechen, die Welle überschwemmt mich und löscht mich dunkel aus (Remarque, Westen 55).
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kaum die Augen aufhalten können (ugs.): sich kaum wachhalten können: Sie waren nun schon fünfzig Stunden ohne Schlaf und konnten kaum die Augen aufhalten.
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kein Auge von jmdm., von etwas lassen/wenden: jmdn. unablässig ansehen, beobachten: Auf dem Ball ließ er kein Auge von seiner neuen Bekanntschaft. Während wir zur Eingangstür gingen, folgte uns der Hund und ließ kein Auge von uns. Der Voyageur mit dem Einsteinkomplex läßt kein Auge von dem goldenen Fenster (Remarque, Obelisk 50).
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kein Auge zutun/zumachen (ugs.): nicht schlafen [können]: Das ist ein sehr unruhiges Hotel; ich habe die ganze Nacht kein Auge zugetan. Glauben Sie vielleicht, wir hätten heute nacht ein Auge zugetan? (Zuckmayer, Hauptmann 86).
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keine Augen im Kopf haben (ugs.): nicht aufpassen: Sie haben mich zweimal fast umgerissen, haben Sie denn keine Augen im Kopf?
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kleine Augen machen (ugs.): sehr müde sein [und die Augen kaum noch offenhalten können]: Kind, du gehörst ins Bett, du machst ja schon ganz kleine Augen!
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mit bloßem/nacktem/unbewaffnetem Auge: ohne optisches Hilfsmittel: Man kann die Larven mit unbewaffnetem Auge erkennen. Aber auch mit bloßem Auge sah er, wie der weiße Raubfisch davonzog (Geissler, Wunschhütlein 83).
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mit einem blauen Auge davonkommen (ugs.): glimpflich davonkommen: Die jugendlichen Rowdys sind noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen. Sie müssen nur den Schaden ersetzen. Ich bin mit einem blauen Auge davongekommen, denn ich habe mir bei dem Sturz nichts gebrochen. Der Angeklagte kam noch mit einem blauen Auge davon, denn er war nachweislich schon 29mal vorbestraft (MM 7./8. 10. 1967, 44).
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mit einem lachenden und einem weinenden Auge: teils erfreut, teils betrübt: Da der Spitzenreiter auch verloren hat, haben wir die Niederlage mit einem lachenden und einem weinenden Auge hingenommen.
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mit offenen Augen durch die Welt gehen: alles unvoreingenommen betrachten, um daraus zu lernen: Die neue Lehrerin ist eine ganz moderne Frau, die mit offenen Augen durchs Leben geht.
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mit offenen Augen schlafen (ugs.): nicht aufpassen: Ich habe dir nun schon dreimal gesagt, du sollst das Fenster schließen. Schläfst du mit offenen Augen?
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mit offenen Augen/(geh.) sehenden Auges ins Unglück rennen: eine deutlich erkennbare Gefahr nicht erkennen wollen: Die Kriegstrommel wurde bereits gerührt, und beide Länder rannten offenen Auges ins Unglück.
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nur Augen für jmdn., für etwas haben (ugs.): jmdn., etwas ganz allein beachten: Seit dem Studentenball hat er nur noch Augen für die neue Bibliothekarin. Die Regierungsparteien haben zur Zeit nur Augen für die Ratifizierung der Verträge. Aber sie hatten nur Augen für Grün und Gold und ihren Chef, der jetzt aus den Lautsprechern zu ihnen sprach (Bieler, Bonifaz 232).
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seine Augen überall/vorn und hinten haben (ugs.): alles genau beobachten, damit einem nichts entgeht: Es war nicht viel mit Faulenzen auf dem Bau, denn der Polier hatte seine Augen überall. Eine Kindergärtnerin muß ihre Augen vorn und hinten haben.
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seinen [eigenen] Augen nicht trauen (ugs.): vor Überraschung etwas nicht fassen: Sie traute ihren Augen nicht, als eines Tages ihr Mann an der Tür läutete. Ich wollte meinen eigenen Augen nicht trauen, aber es war wirklich mein Ring. In den Dörfern, wo immer Ali mit seiner Alil erschien, trauten die Leute ihren eigenen Augen nicht (Frisch, Gantenbein 251).
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sich die Augen aus dem Kopf schämen: sich sehr schämen: Ich schämte mir die Augen aus dem Kopf, weil sie mich in den olivgrünen Unterhosen gesehen hatte.
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sich die Augen ausweinen/rot weinen/aus dem Kopf weinen: heftig weinen: Sie hatte sich damals die Augen aus dem Kopf geweint, als sie erfuhr, daß ihr Mann in Gefangenschaft gestorben war. Das Fräulein kann sich nun die Augen ausweinen um ihren toten Schatz (Hausmann, Salut 198).
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sich die Augen nach jmdn., nach etwas ausgucken/aus dem Kopf gucken/schauen (fam.): angestrengt Ausschau halten: Da bist du ja endlich, ich habe mir schon die Augen nach dir ausgeguckt.
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so weit das Auge reicht: so weit man sehen kann: Vor ihnen lag, so weit das Auge reicht, fruchtbares Weideland.
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unter jmds. Augen: in Anwesenheit von jmdm., unter jmds. Aufsicht: Unter den Augen des Bundestrainers mußten alle Spieler das Abschlußtraining absolvieren. Wollen Sie es denn unter den Augen der Russen zu einer Revolte kommen lassen, Herr Feldmarschall? (Plievier, Stalingrad 302). Armand, du sollst bei mir stehlen. Hier unter meinen Augen (Th. Mann, Krull 210).
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unter vier Augen: ohne Zeugen: Ich möchte dich mal unter vier Augen sprechen. Die beiden Autokraten de Gaulle und Adenauer berieten dort zwei Tage lang, teils mit ihren Wirtschaftsexperten, teils unter vier Augen (Dönhoff, Ära 137). ... es ist dies überhaupt ein Gebiet, von dem sich schicklich nur schwer reden läßt, und wenn schon, so nur nachts unter vier Augen (Dürrenmatt, Grieche 135).
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vier Augen sehen mehr als zwei: zwei Menschen, die gemeinsam aufpassen, entgeht weniger als einem [und sie sind weniger gefährdet]: Ich verstehe nicht, warum du ohne mich dorthin fahren willst, vier Augen sehen doch mehr als zwei.
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vor aller Augen: in der Öffentlichkeit; so, daß es jeder sehen kann: Der Intendant ohrfeigte seine Frau vor aller Augen und ließ sie dann einfach stehen. Wie aber, wenn die Geschichte den Sowjets vor aller Augen eine Niederlage beibringt? (Augstein, Spiegelungen 44). Ihrem Element entzogen, vor aller Augen auf den Tischen der Händler liegend, sind sie (= die Fische) doch wie etwas, das der Mensch nicht sehen sollte (Koeppen, Rußland 186).
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vor etwas nicht mehr aus den Augen sehen können: von etwas ganz in Anspruch genommen sein [und keine Zeit für etwas anderes haben]: Wenn die Saison beginnt, können die Hoteliers vor Arbeit nicht aus den Augen sehen.
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↑ jmdm. den Daumen aufs Auge drücken/halten/setzen.
↑ jmdm. ein Dorn im Auge sein.
↑ einen Knick im Auge haben.
↑ Knöpfe auf den Augen haben.
↑ eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus.
↑ wie die Faust aufs Auge passen.
↑ jmdm. Sand in die Augen streuen.
↑ sich den Schlaf aus den Augen reiben.
↑ jmdm. fällt ein Schleier von den Augen.
↑ es fällt jmdm. wie Schuppen von den Augen.
↑ jmdm. wird [es] schwarz/Nacht vor [den] Augen.
↑ sehenden Auges.
↑ den Splitter in fremdem Auge, aber den Balken im eigenen nicht sehen.
↑ in die Suppe schauen mehr Augen hinein als heraus.
↑ dem Tod in die Augen schauen.
↑ Tomaten auf den Augen haben.
↑ jmdm. nicht das Weiße im Auge gönnen.
↑ mit dem linken Auge in die rechte Westentasche sehen/mit dem rechten Auge in die linke Westentasche sehen.
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Augen haben wie ein Luchs: ungewöhnlich gut sehen können: Der Chefin entgeht nichts, die hat Augen wie ein Luchs.
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Augen im Kopf haben (ugs.): etwas durchschauen, beurteilen können: Ich weiß, was mit den beiden los ist, ich habe doch Augen im Kopf! ... und es ist ja auch wirklich für jeden Menschen, der Augen im Kopf hat, eine Freude, diese junge Frau anzusehen (Fallada, Mann 122).
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Augen machen wie ein [ab]gestochenes Kalb (ugs.): dümmlich, verwundert dreinblicken: Er machte Augen wie ein abgestochenes Kalb, als seine Frau plötzlich vor ihm stand.
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Augen und Ohren aufhalten (ugs.): aufmerksam etwas verfolgen: Sie mußten Augen und Ohren aufhalten, denn in der Gegend wimmelte es von Partisanen.
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[große] Augen machen (ugs.): staunen, sich wundern: Der hat aber Augen gemacht, als ich mit einem Porsche ankam. Stanko machte große Augen, als ich eine Treppe höher bei ihm eintrat und er mich im Schein der Hängebirne musterte (Th. Mann, Krull 193). Von Helena hatte er sich bereits gestern verabschiedet, und wenn er sie jetzt noch einmal besuchte, würde sie große Augen machen (Geissler, Wunschhütlein 119).
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[jmdm.] ins Auge/in die Augen stechen (ugs.): 1. [jmdm.] so sehr gefallen, daß er es haben möchte: Der Hosenanzug stach seiner Frau schon lange ins Auge. 2. [jmdm.] auffallen: Der Major ... war ein Hüne, dessen organische Unschuld an der Disposition und Aufnahmelustigkeit des Töchterchens in die Augen stach (Th. Mann, Zauberberg 420). Das Mädchen ... streckte eine Hand aus, deren rote Fingernägel Sartorik in die Augen stachen (Sebastian, Krankenhaus 62).
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auf zwei Augen stehen/ruhen (veraltend): in seinem Fortbestand von dem Leben eines Menschen abhängen: Seit dem Tode des Seniorchefs steht das Riesenunternehmen auf zwei Augen. Man muß sich diese Tatsachen gegenwärtig halten ... daß sein Weltreich politisch zusammenbrach, weil es nur auf zwei Augen stand (Thieß, Reich 116).
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aus den Augen, aus dem Sinn: wen man nicht mehr sieht, den vergißt man, zu dem reißt der Kontakt ab: Seit seiner Übersiedlung nach Genf habe ich nichts mehr von ihm gehört. Na ja, aus den Augen, aus dem Sinn.
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da bleibt kein Auge trocken (ugs.): 1. alle weinen vor Rührung: Da blieb kein Auge trocken, als die toten Seeleute an Land gebracht wurden. 2. alle lachen Tränen: Wenn die Clowns der Eisrevue ihre Späße treiben, da bleibt kein Auge trocken. Für die fünfteilige Unterhaltungsserie ... verspricht man: »Da bleibt kein Auge trocken!« (MM 21./22. 9. 1971, 23). 3. keiner bleibt davon verschont: Wenn die erst einmal mit der Säuberung der Partei anfangen, da bleibt kein Auge trocken. ... die gehen ran wie Blücher. Da bleibt kein Auge trocken (Kuby, Sieg 229). Temperamentgeladene Löwen (= die unter dem Sternbild Löwe Geborenen) kommen auf ihre Kosten! Es bleibt kein Auge trocken (Bild und Funk 3, 1967, 51).
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das Auge beleidigen; eine Beleidigung für das Auge sein: abstoßend wirken; für einen ästhetischen Menschen nicht zumutbar sein: Die Farben beleidigen mein Auge. Dieses Spiel, das als Werbung für den Fußball gedacht war, war eine Beleidigung für das Auge.
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das Auge des Gesetzes (scherzh.): die Polizei: Das gestrenge Auge des Gesetzes duldete kein Parken auf dem Platz vor dem Schloß.
-Dieser idiomatische Ausdruck ist allgemein bekannt durch Schillers »Lied von der Glocke« ( »... denn das Auge des Gesetzes wacht.«). Schon bei antiken Autoren ist vom »Auge der [strafenden] Gerechtigkeit« die Rede.
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die Augen auf Null stellen/drehen (ugs.): sterben: Ich hatte jedenfalls tierisch Schiß, daß mein Kollege die Augen auf Null dreht (Stern 39, 1980, 22). »Der hat 'nen Abgang gemacht«, »die Augen auf Null gestellt« kommentieren die Fixer aus der Szene, wenn es einen von ihnen erwischt (Spiegel 23, 1977, 185).
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die Augen aufmachen/aufsperren/auftun (ugs.): genau auf das achten, was um einen herum vorgeht: Mach die Augen auf, wenn du über die Straße gehst! Man muß schon die Augen auftun, wenn einem bei dem Schizirkus nichts passieren soll.
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die Augen aufreißen (ugs.): äußerst erstaunt sein: Die Begleiter rissen die Augen auf, als der Minister aus dem Auto sprang und auf die Demonstranten zuging. Er sprang auf, als Goldmund kam, und riß die Augen auf (Hesse, Narziß 274).
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die Augen offen haben/offenhalten: achtgeben, aufpassen: Wir werden die Augen offenhalten und uns nicht in eine Falle locken lassen. Es hat neunundneunzig geschlagen, bald wird es hundert schlagen! Ich werde meine Augen offenhalten (Mostar, Unschuldig 164). Man muß die Augen offen haben für den vielfältigen Zauber, den die Natur hier bietet (Gast, Bretter 73).
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die Augen schließen/zumachen/zutun (verhüll.): sterben: Der Großvater wird wohl bald die Augen zumachen. Was also geschieht mit den Menschen, die wir geliebt haben, wenn sie die Augen schließen? (Thielicke, Ich glaube 184). Mehr hatte der Alte eigentlich nie gewollt ... Er konnte ruhig die Augen schließen und tat dies vier Monate später (Thieß, Reich 443).
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die Augen sind größer als der Magen (fam.): sich mehr auf den Teller tun, als man essen kann: Na, da waren die Augen wohl mal wieder größer als der Magen.
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die Augen vor etwas verschließen: etwas nicht wahrhaben wollen: Vor den Problemen der Studenten verschließen die zuständigen Stellen die Augen. Wir dürfen die Augen vor der wachsenden Gefährdung der Jugend durch Rauschgift nicht verschließen. ... weil die Produktionsministerien ... dazu neigen, die Augen vor der schlechten Qualität der Produktion »ihrer« Werke zu verschließen (Mehnert, Sowjetmensch 114).
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ein Auge auf jmdn., auf etwas haben: 1. auf jmdn., auf etwas achten, aufpassen: Die Regierung muß auf diese Radikalinskis ein Auge haben. Sie war ja eine tüchtige Frau, ... und auf alles hatte sie ein Auge (Thieß, Legende 116). Aber er vergaß keineswegs, während der nächsten Tage ein Auge darauf zu haben, ob zwischen den beiden Lehrern wieder ein gutes Einvernehmen bestehe (Hesse, Narziß 17). 2. an jmdm., an etwas Gefallen finden, etwas gerne haben wollen: Zum Geburtstag schenkte er ihr das Armband, auf das sie schon lange ein Auge hatte. Auf dem Ball tanzte mehr als ein Kleid, das aus meiner Hand kam. Trotzdem hatte ich den ganzen Abend ein Auge auf Diemut (Gaiser, Schlußball 183).
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ein Auge auf jmdn., auf etwas werfen (ugs.): Gefallen an jmdm., an etwas finden: Es kam ihm fast so vor, als hätte der Untermieter ein Auge auf seine Frau geworfen. Auf das neue Coupé habe ich auch schon ein Auge geworfen. Möglicherweise lag es daran, daß ich merkte, daß dieser Torrin ein Auge auf mich geworfen hatte (Cotton, Silver-Jet 97).
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ein Auge für etwas haben: das richtige Verständnis, das nötige Urteilsvermögen für etwas haben: Laß ihn das machen, er hat das Auge dafür! Verzeihen Sie, wenn ich bis jetzt kein Auge dafür hatte ... aber nun habe ich bald ein Auge dafür (Andres, Liebesschaukel 120).
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ein Auge riskieren (ugs.): einen verstohlenen Blick auf jmdn. oder etwas werfen: Er wußte, daß die Mädchen im Umkleideraum waren, und hätte gern ein Auge riskiert. Der läßt sich lieber die Eselohren abreißen, als daß er ein Auge auf Lore riskiert (Kirst, 08/15, 13).
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ein Auge/beide Augen zudrücken (ugs.): etwas nachsichtig, wohlwollend übersehen: Der Richter wollte noch einmal ein Auge zudrücken und gab ihm drei Monate mit Bewährung. Der Chef drückte beide Augen zu und warf den Kassierer nicht hinaus. ... ich hätte damals Methoden angewendet, bei denen man heute beide Augen zudrücken müßte (H. Weber, Einzug 77).
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ein Auge/ein paar Augen voll Schlaf nehmen (ugs.; landsch.): ein wenig schlafen: Bevor wir zur nächsten Etappe aufbrechen, möchte ich noch ein Auge voll Schlaf nehmen. So versuchen wir ein Auge voll Schlaf zu nehmen (Remarque, Westen 33).
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einer Sache ins Auge sehen/blicken: 1. etwas Unangenehmem gelassen entgegensehen: Die Vereine sahen den sinkenden Zuschauerzahlen gelassen ins Auge. Die Besatzung des Jumbos sah der Gefahr ruhig ins Auge. 2. etwas realistisch sehen; sich einer Sache stellen: Sie mußten den Tatsachen ins Auge sehen: Die Firma stand vor dem Ruin. Man hat der Regierung in Bonn häufig vorgeworfen, sie ... sei nicht bereit, den Realitäten ins Auge zu blicken (Dönhoff, Ära 85).
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etwas im Auge haben: etwas im Sinn haben, vorhaben, anstreben: Er hat nur seinen Vorteil im Auge. Hatten Sie ein bestimmtes Modell im Auge? Es sah wirklich so aus, als schenke man seiner Stimme besondere Beachtung, habe Großes mit ihr vor, bestimmte Pläne im Auge (Thieß, Legende 116).
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etwas ins Auge fassen: etwas erwägen; sich etwas vornehmen: Wir werden die Verbesserungsvorschläge noch einmal ins Auge fassen. Er hatte eine Scheidung bisher noch nicht ins Auge gefaßt. Ob ab 1969 eine Erhöhung der Ertragssteuern ins Auge gefaßt werden muß, bleibt vorläufig offen (MM 6. 7. 1967, 1).
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etwas mit eigenen Augen gesehen haben: bei etwas Augenzeuge gewesen sein und daher genau darüber Bescheid wissen: Einige Hotelgäste sprangen mit brennenden Kleidern aus den Fenstern, ich habe es mit eigenen Augen gesehen.
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etwas nicht nur um jmds. schöner/blauer Augen willen tun; etwas nicht nur wegen jmds. schöner/blauer Augen tun (ugs.): etwas nicht aus reiner Gefälligkeit tun: Doch nicht nur um deiner blauen Augen willen! Wenn du glaubst, daß er das alles nur wegen deiner schönen, blauen Augen tut, dann irrst du dich aber.
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für die Augen zuwenig, für den Bauch/(derb:) Arsch zuviel (fam.): mehr auf dem Teller, als man essen kann: Den Rest schaffe ich nicht mehr, na ja, für die Augen zuwenig, für den Bauch zuviel.
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ganz Auge und Ohr sein (ugs.): genau aufpassen: Schon nach wenigen Minuten waren die Kinder ganz Auge und Ohr und folgten gebannt dem Spiel.
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hinten keine Augen haben (ugs.): nach rückwärts nicht sehen können und nichts dafürkönnen, wenn man jmdn. tritt oder stößt: Es tut mir furchtbar leid, daß ich Sie getreten habe, aber hinten habe ich keine Augen.
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in diese Suppe schauen mehr Augen hinein als heraus (ugs.; scherzh.): diese Suppe ist ohne Fett zubereitet, ist wäßrig.
-Diese Redensart ist ein Wortspiel mit »Auge« in der Bedeutung »auf einer Flüssigkeit schwimmender Fetttropfen«.
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in jmds. Augen ...: nach jmds. Ansicht ...: In den Augen der Leute ist er der Täter. In meinen Augen ist sie eine Heilige. ... ein ausgesägter Flurboden, ein mit Heu gefüllter Keller wären in den Augen der Polizei doch recht ungewöhnliche Geburtstagsvorbereitungen gewesen (Fallada, Herr 88).
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in jmds. Augen steigen/sinken: bei jmdm. an Ansehen, Achtung gewinnen/verlieren: Mit dem Doktortitel war ich natürlich in den Augen meiner Schwiegereltern enorm gestiegen. Er begann in unseren Augen zu sinken, als sich die ersten Anzeichen seiner Labilität zeigten.
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ins Auge gehen (ugs.): übel ausgehen, schlimme Folgen haben: Unser Nachbar läßt den Motor immer ziemlich lange in der Garage laufen, wenn das mal nicht ins Auge geht. Wenn ein junger Mann im Krieg für den Frieden wirbt, so kann das leicht ins Auge gehen (Hörzu 18, 1973, 75). Eine Öllache verschmiert die Straße. Das kann verdammt ins Auge gehen (Quick 15, 1958, 25).
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ins Auge/in die Augen springen/fallen: auffallen, die Aufmerksamkeit auf sich ziehen: Der Qualitätsunterschied der beiden Teppiche fiel ihm sofort ins Auge. Ins Auge springt bei dieser Wahl die hohe Wahlbeteiligung. Die einfachste, ins Auge fallende Einteilung des Waldes ist die nach Nadelwald, Laubwald und Mischwald (Mantel, Wald 24).
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jmdm. Auge in Auge gegenüberstehen: jmdm. ganz nah gegenüberstehen: Demonstranten und Polizisten standen sich Auge in Auge gegenüber.
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jmdm. [am liebsten] die Augen auskratzen [mögen] (ugs.): (meist von Frauen gesagt) auf jmdn. so wütend sein, daß man ihm am liebsten etwas Böses antun möchte: Was hat die meinen Kurt so anzulächeln? Dem Biest möchte ich am liebsten die Augen auskratzen! ... wer mir in mein Gehege kommt, dem kratze ich rücksichtslos beide Augen ... aus (Langgässer, Siegel 460).
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jmdm. [schöne] Augen machen (ugs.): jmdn. verführerisch ansehen; flirten: Der Doktor machte der Frau des Apothekers schöne Augen. Du brauchst mir gar nicht schöne Augen zu machen, ich kann dir den Pelz nicht kaufen. Sie habe panische Angst, von Männern abgewiesen zu werden, wenn sie ihnen schöne Augen mache (Hörzu 45, 1970, 145).
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jmdm. aus den Augen gehen: sich nicht mehr bei jmdm. sehen lassen: Geh mir bloß aus den Augen! Weil er ihm noch Geld schuldete, schien es ihm ratsam, seinem Bekannten aus den Augen zu gehen.
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jmdm. aus den Augen kommen: keine Verbindung mehr mit jmdm. haben: Als er in den diplomatischen Dienst trat, kam er mir aus den Augen. Darüber war mir Frau Andernoth aus den Augen gekommen (Gaiser, Schlußball 187).
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jmdm. aus den Augen sehen: an jmds. Blick, Gesichtsausdruck abzulesen sein: Der alten Dame sah der Schalk aus den Augen, als sie uns erzählte, sie habe in ihrem Garten eine Schatzkiste ausgegraben. Trauen Sie dem Kerl nicht, dem sieht doch die Verschlagenheit aus den Augen!
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jmdm. die Augen öffnen: jmdn. darüber aufklären, wie unerfreulich etwas in Wirklichkeit ist: Ich muß dir mal über deinen Freund die Augen öffnen. Er wollte dem Bauern über den Gemeinderat die Augen öffnen. Könnten Sie nicht einmal zu uns kommen und Gerda ein wenig die Augen für die Unreife von Hans und seinen Gefährten öffnen? (Musil, Mann 309).
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jmdm. etwas an/von den Augen ablesen: von allein etwas erkennen, was jmd. insgeheim haben möchte: Sie las ihrem Freund jeden Wunsch an den Augen ab. Wir bemühten uns sehr um Großmutter, versuchten ihr von den Augen abzulesen, was ihr eine Freude machen könnte.
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jmdm. etwas aufs Auge drücken (ugs.): jmdm. etwas [Unangenehmes] aufbürden: Wenn er selbst was nicht machen will, drückt er mir das aufs Auge. Die Firma hatte ihr die gesamte Auslandskorrespondenz aufs Auge gedrückt.
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jmdm. etwas vor Augen führen/halten/stellen: jmdm. etwas deutlich zeigen, klarmachen: Der Film führt uns die furchtbaren Folgen eines Atomkrieges vor Augen. ... dennoch hielt ich ihm vor Augen, daß Diebstahl viel schöner sei als Prostitution (Genet [Übers.], Tagebuch 106). Immer wird Menschengeschichte sich lesen als Geschichte, die uns bedeutend vor Augen stellt, wie viel ein einzelner vermag (Goes, Hagar 127).
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jmdm. gehen die Augen auf (ugs.): jmd. durchschaut plötzlich alles: Da gingen ihm die Augen auf. Die beiden kannten sich und wollten ihn hereinlegen. Als sie ihn für ihre Propagandazwecke einspannen wollten, gingen ihm endlich die Augen auf. Einigen Leuten im Zimmer gingen die Augen auf (Brecht, Groschen 40).
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jmdm. gehen die Augen über: 1. (ugs.) jmd. ist von einem Anblick überwältigt: Als der Schmuck vor ihnen auf dem Tisch lag, gingen ihnen die Augen über. Am Ende möchten dem Bürger »von soviel Staat ... noch die Augen übergehen« (Spiegel 21, 1975, 36). 2. (geh.) jmd. beginnt zu weinen: Manchem gingen die Augen über, als die toten Kumpels aus dem Schacht gebracht wurden.
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jmdm. nicht in die Augen sehen können: jmds. Blick nicht ertragen können; ein schlechtes Gewissen haben: Seit unserem letzten Gespräch kann er mir nicht mehr in die Augen sehen. Er wagte es anscheinend nicht, den frisch Ankommenden ins Auge zu sehen (Brecht, Groschen 54).
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jmdm. unter die Augen kommen/treten: sich bei jmdm. sehen lassen: Wenn der Kerl mir noch einmal unter die Augen kommt, passiert etwas. Nach diesem Krach möchte ich ihm nicht mehr unter die Augen treten. Daß ich ihr nicht mehr unter die Augen treten durfte, war sicher (Hartung, Piroschka 54).
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jmdm. verliebte Augen machen (ugs.): jmdn. verliebt ansehen: Der Oberkellner machte der Chefin verliebte Augen. Sie ... machte verliebte Augen, guckte ihn groß an (Hilsenrath, Nazi 115).
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jmdm. vor Augen stehen: jmdm. deutlich in Erinnerung sein: Die Nächte, in denen Berlin in Schutt und Asche sank, stehen ihr noch immer vor Augen. Und so war das Leben, das mir immer, wenn auch selten deutlich, vor Augen stand (Musil, Mann 1217).
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jmdm. wie aus den Augen geschnitten sein: jmdm. sehr ähnlich sein: Er ist seinem Vater wie aus den Augen geschnitten.
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jmdm. zu tief ins Auge/in die Augen sehen: sich in jmdn. verlieben: Du hast wohl der neuen Laborantin zu tief ins Auge gesehen?
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jmdm./jmdn., etwas aus den Augen schaffen: jmdn., etwas wegschaffen, fortbringen: Schafft mir das Zeug da aus den Augen. Der Polizeichef befahl, ihm den Kerl aus den Augen zu schaffen.
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jmdn. etwas nicht aus dem Auge/aus den Augen lassen: jmdn., etwas scharf beobachten: Während er badete, ließ er seine Sachen am Ufer nicht aus dem Auge. Der Schäferhund folgte uns und ließ uns nicht aus den Augen. ... dabei fühlte sie, wie der Fremde sie nicht aus den Augen ließ und ihr den eigenen Körper so bewußt machte, als ob er ihn streichelte (Langgässer, Siegel 510).
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jmdn., etwas aus dem Auge/aus den Augen verlieren: die Verbindung mit jmdm. verlieren, etwas nicht weiter verfolgen: In den letzten Kriegstagen haben wir uns aus den Augen verloren. ... wir haben hier jetzt die siebzehnte Brechung einer Nebenerscheinung am Wickel und verlieren die Idee aus dem Auge (Kant, Impressum 242). Die Hügel waren doch höher, als ich gedacht hatte; oft verlor ich Onkel Hugo aus den Augen (Schnurre, Vaters Bart 47).
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jmdn., etwas im Auge behalten/haben: jmdn., etwas beobachten, in seinem weiteren Verlauf, bei den weiteren Aktivitäten verfolgen: Die Polizei behielt ihn nach seiner Entlassung weiter im Auge. Die Vorstände wollten eine Fusion der beiden Vereine im Auge behalten. Einstweilen also sollten wir uns auf diese Bahn beschränken, denn dabei konnten die auf der Veranda sitzenden Erwachsenen uns im Auge haben (Bergengruen, Rittmeisterin 262).
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jmdn., etwas mit anderen/mit neuen Augen [an]sehen: bei jmdm., etwas zu einem neuen Verständnis gelangen, eine neue Einstellung gewinnen: Indien sieht jetzt die Politik der USA mit neuen Augen an. Und weil sie seit fünf Minuten ihren Mann mit ganz anderen Augen ansieht, fällt ihr auf, daß er die rechte Hand in der Hosentasche hat (Fallada, Mann 26). Seit ich höre, daß ihm solche Sachen wie die jetzt vorgeworfen werden, sehe ich alles mit ganz anderen Augen an (Brecht, Groschen 336).
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jmdn., etwas mit den Augen verschlingen (ugs.): jmdn., etwas mit begehrlichen Augen ansehen: Der Clochard verschlang die Auslagen mit den Augen. Die neue Mitarbeiterin wurde vom Abteilungsleiter förmlich mit den Augen verschlungen. Hast du nicht Hände zu sehen, und mußt du die Makellose auch noch mit den Augen verschlingen ...? (Th. Mann, Joseph 296).
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jmdn., etwas mit scheelen Augen ansehen/betrachten (ugs.): jmdn., etwas mit Neid, mit Mißgunst ansehen: Die Opposition sah die Erfolge der Regierungsparteien mit scheelen Augen an. Innerhalb der ... Partei wurde diese Gruppe mit scheelen Augen betrachtet (Niekisch, Leben 138).
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jmds. Augen brechen (geh.): jmd. stirbt: Als der Priester endlich eintraf, waren die Augen der Mutter bereits gebrochen. In der Ecke lag zusammengekrümmt der Hund. Die Augen seines treuen Begleiters waren gebrochen. ... die Augen wollen brechen, die Welle überschwemmt mich und löscht mich dunkel aus (Remarque, Westen 55).
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kaum die Augen aufhalten können (ugs.): sich kaum wachhalten können: Sie waren nun schon fünfzig Stunden ohne Schlaf und konnten kaum die Augen aufhalten.
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kein Auge von jmdm., von etwas lassen/wenden: jmdn. unablässig ansehen, beobachten: Auf dem Ball ließ er kein Auge von seiner neuen Bekanntschaft. Während wir zur Eingangstür gingen, folgte uns der Hund und ließ kein Auge von uns. Der Voyageur mit dem Einsteinkomplex läßt kein Auge von dem goldenen Fenster (Remarque, Obelisk 50).
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kein Auge zutun/zumachen (ugs.): nicht schlafen [können]: Das ist ein sehr unruhiges Hotel; ich habe die ganze Nacht kein Auge zugetan. Glauben Sie vielleicht, wir hätten heute nacht ein Auge zugetan? (Zuckmayer, Hauptmann 86).
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keine Augen im Kopf haben (ugs.): nicht aufpassen: Sie haben mich zweimal fast umgerissen, haben Sie denn keine Augen im Kopf?
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kleine Augen machen (ugs.): sehr müde sein [und die Augen kaum noch offenhalten können]: Kind, du gehörst ins Bett, du machst ja schon ganz kleine Augen!
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mit bloßem/nacktem/unbewaffnetem Auge: ohne optisches Hilfsmittel: Man kann die Larven mit unbewaffnetem Auge erkennen. Aber auch mit bloßem Auge sah er, wie der weiße Raubfisch davonzog (Geissler, Wunschhütlein 83).
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mit einem blauen Auge davonkommen (ugs.): glimpflich davonkommen: Die jugendlichen Rowdys sind noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen. Sie müssen nur den Schaden ersetzen. Ich bin mit einem blauen Auge davongekommen, denn ich habe mir bei dem Sturz nichts gebrochen. Der Angeklagte kam noch mit einem blauen Auge davon, denn er war nachweislich schon 29mal vorbestraft (MM 7./8. 10. 1967, 44).
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mit einem lachenden und einem weinenden Auge: teils erfreut, teils betrübt: Da der Spitzenreiter auch verloren hat, haben wir die Niederlage mit einem lachenden und einem weinenden Auge hingenommen.
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mit offenen Augen durch die Welt gehen: alles unvoreingenommen betrachten, um daraus zu lernen: Die neue Lehrerin ist eine ganz moderne Frau, die mit offenen Augen durchs Leben geht.
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mit offenen Augen schlafen (ugs.): nicht aufpassen: Ich habe dir nun schon dreimal gesagt, du sollst das Fenster schließen. Schläfst du mit offenen Augen?
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mit offenen Augen/(geh.) sehenden Auges ins Unglück rennen: eine deutlich erkennbare Gefahr nicht erkennen wollen: Die Kriegstrommel wurde bereits gerührt, und beide Länder rannten offenen Auges ins Unglück.
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nur Augen für jmdn., für etwas haben (ugs.): jmdn., etwas ganz allein beachten: Seit dem Studentenball hat er nur noch Augen für die neue Bibliothekarin. Die Regierungsparteien haben zur Zeit nur Augen für die Ratifizierung der Verträge. Aber sie hatten nur Augen für Grün und Gold und ihren Chef, der jetzt aus den Lautsprechern zu ihnen sprach (Bieler, Bonifaz 232).
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seine Augen überall/vorn und hinten haben (ugs.): alles genau beobachten, damit einem nichts entgeht: Es war nicht viel mit Faulenzen auf dem Bau, denn der Polier hatte seine Augen überall. Eine Kindergärtnerin muß ihre Augen vorn und hinten haben.
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seinen [eigenen] Augen nicht trauen (ugs.): vor Überraschung etwas nicht fassen: Sie traute ihren Augen nicht, als eines Tages ihr Mann an der Tür läutete. Ich wollte meinen eigenen Augen nicht trauen, aber es war wirklich mein Ring. In den Dörfern, wo immer Ali mit seiner Alil erschien, trauten die Leute ihren eigenen Augen nicht (Frisch, Gantenbein 251).
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sich die Augen aus dem Kopf schämen: sich sehr schämen: Ich schämte mir die Augen aus dem Kopf, weil sie mich in den olivgrünen Unterhosen gesehen hatte.
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sich die Augen ausweinen/rot weinen/aus dem Kopf weinen: heftig weinen: Sie hatte sich damals die Augen aus dem Kopf geweint, als sie erfuhr, daß ihr Mann in Gefangenschaft gestorben war. Das Fräulein kann sich nun die Augen ausweinen um ihren toten Schatz (Hausmann, Salut 198).
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sich die Augen nach jmdn., nach etwas ausgucken/aus dem Kopf gucken/schauen (fam.): angestrengt Ausschau halten: Da bist du ja endlich, ich habe mir schon die Augen nach dir ausgeguckt.
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so weit das Auge reicht: so weit man sehen kann: Vor ihnen lag, so weit das Auge reicht, fruchtbares Weideland.
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unter jmds. Augen: in Anwesenheit von jmdm., unter jmds. Aufsicht: Unter den Augen des Bundestrainers mußten alle Spieler das Abschlußtraining absolvieren. Wollen Sie es denn unter den Augen der Russen zu einer Revolte kommen lassen, Herr Feldmarschall? (Plievier, Stalingrad 302). Armand, du sollst bei mir stehlen. Hier unter meinen Augen (Th. Mann, Krull 210).
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unter vier Augen: ohne Zeugen: Ich möchte dich mal unter vier Augen sprechen. Die beiden Autokraten de Gaulle und Adenauer berieten dort zwei Tage lang, teils mit ihren Wirtschaftsexperten, teils unter vier Augen (Dönhoff, Ära 137). ... es ist dies überhaupt ein Gebiet, von dem sich schicklich nur schwer reden läßt, und wenn schon, so nur nachts unter vier Augen (Dürrenmatt, Grieche 135).
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vier Augen sehen mehr als zwei: zwei Menschen, die gemeinsam aufpassen, entgeht weniger als einem [und sie sind weniger gefährdet]: Ich verstehe nicht, warum du ohne mich dorthin fahren willst, vier Augen sehen doch mehr als zwei.
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vor aller Augen: in der Öffentlichkeit; so, daß es jeder sehen kann: Der Intendant ohrfeigte seine Frau vor aller Augen und ließ sie dann einfach stehen. Wie aber, wenn die Geschichte den Sowjets vor aller Augen eine Niederlage beibringt? (Augstein, Spiegelungen 44). Ihrem Element entzogen, vor aller Augen auf den Tischen der Händler liegend, sind sie (= die Fische) doch wie etwas, das der Mensch nicht sehen sollte (Koeppen, Rußland 186).
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vor etwas nicht mehr aus den Augen sehen können: von etwas ganz in Anspruch genommen sein [und keine Zeit für etwas anderes haben]: Wenn die Saison beginnt, können die Hoteliers vor Arbeit nicht aus den Augen sehen.
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↑ jmdm. den Daumen aufs Auge drücken/halten/setzen.
↑ jmdm. ein Dorn im Auge sein.
↑ einen Knick im Auge haben.
↑ Knöpfe auf den Augen haben.
↑ eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus.
↑ wie die Faust aufs Auge passen.
↑ jmdm. Sand in die Augen streuen.
↑ sich den Schlaf aus den Augen reiben.
↑ jmdm. fällt ein Schleier von den Augen.
↑ es fällt jmdm. wie Schuppen von den Augen.
↑ jmdm. wird [es] schwarz/Nacht vor [den] Augen.
↑ sehenden Auges.
↑ den Splitter in fremdem Auge, aber den Balken im eigenen nicht sehen.
↑ in die Suppe schauen mehr Augen hinein als heraus.
↑ dem Tod in die Augen schauen.
↑ Tomaten auf den Augen haben.
↑ jmdm. nicht das Weiße im Auge gönnen.
↑ mit dem linken Auge in die rechte Westentasche sehen/mit dem rechten Auge in die linke Westentasche sehen.