Kluge Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache
lesen
lesen Vst. std. (8. Jh. ), mhd. lesen, ahd. lesan, lesen, as. lesan Stammwort. Aus g. * les-a- Vst. "auflesen, sammeln", auch in gt. lisan, anord. lesa, ae. lesan, afr. lesa. In dieser Ausgangsbedeutung läßt sich das Wort vergleichen mit lit. lèsti "picken, pickend fressen", heth. leššāi- "auflesen" und vielleicht kymr. llestr "Gefäß". Eine Variante * leǵ- "auflesen" liegt vor in l. legere, gr. (ana)légein und alb. mb-ledh (das den Palatal erweist). Die neuere deutsche Bedeutung "(ein Buch) lesen" beruht auf einer Bedeutungsentlehnung aus dem Lateinischen: l. legere bedeutet wie gr. (ana)légein zunächst "auflesen", dann auch "einer Spur folgen" und entwickelt daraus die Bedeutung "den Schriftzeichen folgen, lesen" ("Legende", "Logik"). Da die vermittelnde Bedeutung "einer Spur folgen" durchaus im Hintergrund steht, erschien die Bedeutung "lesen" als abhängig von der Bedeutung "auflesen" und wurde deshalb von dem deutschen Wort für "auflesen" übernommen. Durch das Auflesen von Runenstäbchen kann die Bedeutung nicht erklärt werden, da für das Runenlesen praktisch nie das Wort lesen verwendet wird (statt dessen vor allem "raten", was in der Tat das englische Wort für "lesen" ergeben hat, nämlich to read, entsprechend to write für "schreiben" als "ritzen", ebenfalls ein Wort aus der Runentechnik, während das Deutsche mit "schreiben" wiederum aus dem Lateinischen entlehnt hat). Präfigierungen: er-, verlesen; Partikelverben: ab-, auslesen; Abstraktum in der Ausgangsbedeutung: Lese, in der speziellen Bedeutung: Lesung; Adjektiv ( PPrät. ): belesen.   Ebenso nndl. lezen, nschw. läsa, nisl. lesa; "leer", "lismen".
Ganz (1957), 129;
Seebold (1970), 332f.;
Petzsch, Ch. ASNSL 224 (1987), 352-355;
LM 5 (1991), 1908f.;
Moeller-Schina (1969), 100f. (zu
Lesung [eines Gesetzes]). indogermanisch iz.
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