Kluge Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache
Hahnrei
Hahnrei Sm "betrogener Ehemann" erw. obs. (13. Jh. ) Stammwort. Aus dem Niederdeutschen eingeführt (mndd. hanerei). Die Herkunft des Wortes ist schwierig zu beurteilen, da in seiner Geschichte mehrere Verschiebungen eingetreten sind. Der älteste Beleg (Rigisches Stadtrecht für Hapsal 1279) zeigt eindeutig die Bedeutung "Ehebrecher". Dies paßt wohl zu hd. (dial. ) reihisch, reisch, reinisch "brünstig", hd. (dial) reihen "sich paaren (besonders von Vögeln)", ahd. (w)reinisc "geil", ahd. reiniscāri, (w)reiniscros "Deckhengst" (also wohl zu g. * wreih-a- Vst. "decken, bespringen, treten" im sexuellen Sinn); dann wäre auszugehen von einem * Hahnrei "sexuell aggressiver Hahn" mit Übertragung auf den Menschen. Für die Bedeutung "betrogener Ehemann" ist aber ein anderes Bild aus dem tierischen Bereich typisch, nämlich das des verschnittenen Tiers, hier speziell des Kapauns. Dies paßt semantisch zu ndd. rūn, mnl. rune, ruynkijn, schwäb. (arch. ) raun "Wallach", zu dem im Ostfriesischen ein ostfr. hānrūn "Kapaun, betrogener Ehemann" bezeugt ist. Wieviel auf diesen friesischen Beleg zu geben ist, läßt sich nicht sagen. Er könnte auf jeden Fall darauf hindeuten, daß hier eine Vermischung der beiden Ansätze stattgefunden hat. Semantisch liegt dies nahe, da Bezeichnungen eines unkonventionellen sexuellen Verhaltens häufig ineinander übergehen (da das Merkmal "abartig" sich in den Vordergrund drängt); auch lautlich gibt es regional die Möglichkeit eines Zusammenfalls. Ein lautlich und semantisch zu Hahnrei passendes fnhd. (obd. ) rein "castratus", mit reinen "castrare", ist nur in Wörterbüchern bezeugt und deshalb unsicher. Vgl. auch "Rune". Die Sitte des Hörnens der Kapaune ist in Handbüchern der Geflügelzucht (u.ä. ) des 16. bis 19. Jhs. gut bezeugt, z.B. Sickler, V.: Die deutsche Landwirtschaft, Bd. 7, (Erfurt 1806), 234-241. Ferner: Dunger, H. Germania 29 (1884), 59-70;
Singer, Latzel, S. ZDW 3 (1902), 228;
Bolte, J. ZVV 19 (1909), 63-82;
Schlutter, O. B. ZDW 14 (1913), 155;
Bonaparte, M. Imago 14 (1928), 100-141;
Danver, K. Folkkultur (Lund) 1 (1941), 125-144;
Deltgen, M.: Der Hahnrei (Diss. Köln 1966);
Röhrich, L. FS Taylor (New York 1960), 120-149, besonders 130;
DEO (1982), 222f.;
Röhrich 1 (1991), 626-629;
Heidermanns (1993), 690;
Faltings, V. F. NW 34 (1994), 101-133. deutsch ?
, s. Hahn
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