Kluge Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache
Erbe
Erbe1 Sn "Erbgut" std. (8. Jh. ), mhd. erbe, ahd. erbi, as. er␢i Stammwort. Aus g. * arbija- n. "Erbe", auch in gt. arbi, ae. i(e)rfe, yrfe, afr. erve; entsprechendes anord. erfi bedeutet "Leichenschmaus". Die ursprünglichen Zusammenhänge spiegelt am besten das Altwestnordische. Dort steht in einer Serie anord. arfr m. ( * arba-) "Hinterlassenschaft" neben anord. arfi m. ( * arbōn-) "(Hinterlassener), Erbe", und in einer zweiten Serie anord. erfi n. ( * arbija-) "Leichenschmaus" (= "das zur Hinterlassenschaft Gehörige, für sie Typische") neben anord. erfi m. "Erbberechtigter, Haupterbe" ( * arbijōn-, Täterbezeichnung zu * arbija-). Diese Vierergruppe ist für die urgermanische Zeit wohl allgemein anzusetzen. Im Westgermanischen und Gotischen sind dann die formal und semantisch charakteristischen j-Formen für "Erbe" n. und "Erbe" m. verallgemeinert worden, im Altostnordischen bestand diese Möglichkeit als Variante. Ziemlich genau entspricht diesem vorausgesetzten Zustand der Befund des Altirischen: air. orb m. ( * orbho-) (1) "Hinterlassenschaft", (2) "(Hinterlassener), Erbe" (die zweite Bedeutung ist im Germanischen durch einen n-Stamm verdeutlicht), neben air. orbe n. ( * orbhijo-) "Erbteil", air. comarbe m. ( * kom-orbhijo-) "Erbe, Nachfolger". Vorauszusetzen ist offenbar g. - kelt. * órbho- m. "Hinterlassenschaft", mit morphologisch relevantem Akzentwechsel g. - kelt. * orbhó- m. "Hinterlassener"; dazu als zweite Serie g. - kelt. * orbhijo- n. "das für die Hinterlassenschaft Spezifische, das ihr Zugehörige", und eine Weiterbildung (kelt. * kom-, g. * -ōn) "der durch das * orbhijo- Charakterisierte, der Haupterbe". Zum weiteren s. "Erbe"2 m. Verb: erben; Adjektiv: erblich; Kollektivum: Erbschaft.   Ebenso nschw. arv, nisl. arfur; "Erbe"2, "Ganerbe".
Grønvik, O.: The words for "heir", "inheritance" and "funeral feast" in early Germanic (Oslo 1982);
LM 3 (1986), 2102-2116. indogermanisch
iz.
Erbe2 Sm std. (8. Jh. ), mhd. erbe, ahd. erbo, mndd. erve n. Stammwort. Aus g. * arbijōn m. "der Erbe", auch in gt. arbja, runen-nord. arbija-, afr. erva. Während g. * arbijōn "Erbberechtiger, Haupterbe" nur mit air. comarbe "Erbe, Nachfolger" zu vergleichen ist, hat die nordische Entsprechung anord. arfi, die zunächst offenbar nur "Hinterlassener", evtl. "Waise" bedeutet hat, genauere Parallelen: Zunächst weist finn. orpo "Waise", das wohl aus dem Germanischen entlehnt ist, darauf hin, daß das Germanische eine entsprechende Bedeutung gehabt hat. Sie vergleicht sich (als o-Stamm) mit l. orbus "beraubt, verwaist", gr. orpho- (in nur in Glossen bezeugten Komposita), arm. orb "Waise", erweitert in gr. orphanós verwaist, also ig. (eur. ) * orbhó- "hinterlassen, zurückgelassen, verwaist". Die Bedeutung "Erbe" geht dabei davon aus, daß das "Erbgut" als "verwaistes Gut" bezeichnet wird; ähnlich gehört zu ig. * ghēro- "verwaist, beraubt" (vgl. gr. chḗra f. "Witwe") die Bedeutung "Erbgut" in gr. chērōstaí m. "Seitenverwandte, die einen Verstorbenen mangels näherer Verwandter beerben" und l. hērēs (-ēdis) m. "der Erbe". Ferner akslav. rabŭ "Knecht, Sklave", arm. arbaneak "Diener" (aus * ṛbh-) ("Arbeit"), heth. harp- "sich absondern, sich aufteilen, sich beigesellen", also zu ig. * horbh- "absondern, trennen, hinterlassen", ig. * horbhó- "der Zurückgelassene", einerseits "Waise", andererseits "Diener" und schließlich "Erbe" - drei Aspekte derselben Situation. Nur germanisch und keltisch steht daneben die Akzentvariante (ig. ) * hórbho- "die Hinterlassenschaft", und dann spezielle Ausdrücke, die ein rechtlich besonders relevantes Erbe bezeichnen: (ig. ) * horbhijo- "das Haupterbe", im Altnordischen "Leichenschmaus" - offenbar die Gelegenheit, bei der die Verfügungsgewalt auf den Haupterben überging; und die Weiterbildung g. * arbijōn, kelt. * kom-horbhijo- "der Haupterbe". - Eine andere Ausdrucksweise für den Erben (die unter Umständen nicht genau dasselbe bedeutet) ist "Erbnehmer", vgl. zu "nehmen" gt. arbinumja, ae. irfenuma, ahd. erbinomo und außergermanisch gr. klēronómos (zu gr. klẽros "Anteil, Erbgut"), anders anord. arftaki und wieder anders l. hērēs (-ēdis) und ai. dāyādá- "Erbe" (zu ai. dāyá- "Anteil, Erbschaft") zu einem (ig. ) * əd- "nehmen" oder zu * dō- mit einem Präfix (nach Dunkel "das Erbe fressen" zu ig. * ed- für den Erben, der nicht der Sohn des Toten ist). Im übrigen vgl. "Erbe"1.
Reiter, N. Zeitschrift für Balkanologie 13 (1977), 125-142;
Hamp, E. P. Zeitschrift für Balkanologie 17 (1981), 32f.;
Dunkel, G. E. FS H. Hoenigswald (Tübingen 1987), 91-100;
Szemerényi, O. FS Meid (1989), 359-368;
Röhrich 1 (1991), 389f. Zur Entlehnung ins Finnische s. LÄGLOS (1991), 36f.; Koivulehto (1991), 106. indogermanisch
ix.
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