Kluge Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache
Dirne
Dirne Sf erw. obs. (8. Jh. ), mhd. diern(e), dirn(e), ahd. diorna, as. thiorna Stammwort. Aus g. * þewernō f. "Jungfrau", auch in anord. þerna. Unter Umständen ist das Wort ursprünglich nur deutsch und die nordische Form aus dem Niederdeutschen entlehnt. Der Diphthong ist im Deutschen vor Doppelkonsonanz gekürzt. Morphologisch kann es sich um eine der seltenen Ableitungen auf g. * -ern- zu Nominalstämmen handeln (wie gt. widuwairna "Waise" zu gt. widuwo "Witwe"); die Grundlage müßte dann das Wort für "Diener" sein, das unter "dienen" besprochen wird. Da Dirne aber in der alten Zeit "Jungfrau", und nicht "Dienerin" bedeutet, müßte auch für g. * þewa- eine andere Bedeutung als "Diener, Knecht" vorausgesetzt werden. Semantisch entspricht am genauesten lit. núotaka "Braut, Mädchen im heiratsfähigen Alter", lit. tekũ̧tė "Braut" (und weiter Wörter für "heiraten": lit. tuõkti, teké̇ti), für die Bedeutung "Diener" kann von lit. tekũ̧nas "Läufer, Bote" ausgegangen werden. Während sich das Maskulinum nun ohne weiteres an lit. teké̇ti "laufen, rinnen" und damit an die Wurzel idg. * tekw- "laufen" anschließen läßt, sind die Bedeutungszusammenhänge beim Femininum nicht klar. Vermutlich ist zu der verbalen Bedeutung "aufgehen, entspringen" (vgl. auch heth. watkuzzi "entspringt" aus * wo-tkw-ti) eine nicht mehr bezeugte adjektivische Bedeutung "jung, frisch" gebildet worden, auf die die Bedeutung "Jungfrau, junges Mädchen" zurückgeht. - In der Hochsprache ist das Wort weitgehend als Hüllwort zu der Bedeutung "Prostituierte" abgesunken. In den Mundarten ist es z.T. noch in der alten Bedeutung lebendig. Das Diminutiv bair. "Dirndl" auch für eine in Bayern übliche weibliche Tracht (wohl gekürzt aus Dirndlkleid). Ebenso nndl. deern, nschw. tärna, nisl. þerna.
✎ Ross, A. S. C. Proceedings of the Leeds Philosophical and Literary Society 5 (1939), 113-124;
Karg-Gasterstädt, E. BGDSL 66 (1942), 308-326;
Mezger, F. MLN 57 (1942), 432f.;
Peeters, Ch. IF 81 (1976), 29f.;
Nowicki, H. ZDA 106 (1977), 83-87;
Wittmann (1982), 9-30;
Hamp, E. P. IF 88 (1983), 93f.;
Markey, T. L. FS Alinei 2 (1987), 275-289. west- und nordgermanisch ? iz. ?
Dirne Sf erw. obs. (8. Jh. ), mhd. diern(e), dirn(e), ahd. diorna, as. thiorna Stammwort. Aus g. * þewernō f. "Jungfrau", auch in anord. þerna. Unter Umständen ist das Wort ursprünglich nur deutsch und die nordische Form aus dem Niederdeutschen entlehnt. Der Diphthong ist im Deutschen vor Doppelkonsonanz gekürzt. Morphologisch kann es sich um eine der seltenen Ableitungen auf g. * -ern- zu Nominalstämmen handeln (wie gt. widuwairna "Waise" zu gt. widuwo "Witwe"); die Grundlage müßte dann das Wort für "Diener" sein, das unter "dienen" besprochen wird. Da Dirne aber in der alten Zeit "Jungfrau", und nicht "Dienerin" bedeutet, müßte auch für g. * þewa- eine andere Bedeutung als "Diener, Knecht" vorausgesetzt werden. Semantisch entspricht am genauesten lit. núotaka "Braut, Mädchen im heiratsfähigen Alter", lit. tekũ̧tė "Braut" (und weiter Wörter für "heiraten": lit. tuõkti, teké̇ti), für die Bedeutung "Diener" kann von lit. tekũ̧nas "Läufer, Bote" ausgegangen werden. Während sich das Maskulinum nun ohne weiteres an lit. teké̇ti "laufen, rinnen" und damit an die Wurzel idg. * tekw- "laufen" anschließen läßt, sind die Bedeutungszusammenhänge beim Femininum nicht klar. Vermutlich ist zu der verbalen Bedeutung "aufgehen, entspringen" (vgl. auch heth. watkuzzi "entspringt" aus * wo-tkw-ti) eine nicht mehr bezeugte adjektivische Bedeutung "jung, frisch" gebildet worden, auf die die Bedeutung "Jungfrau, junges Mädchen" zurückgeht. - In der Hochsprache ist das Wort weitgehend als Hüllwort zu der Bedeutung "Prostituierte" abgesunken. In den Mundarten ist es z.T. noch in der alten Bedeutung lebendig. Das Diminutiv bair. "Dirndl" auch für eine in Bayern übliche weibliche Tracht (wohl gekürzt aus Dirndlkleid). Ebenso nndl. deern, nschw. tärna, nisl. þerna.
✎ Ross, A. S. C. Proceedings of the Leeds Philosophical and Literary Society 5 (1939), 113-124;
Karg-Gasterstädt, E. BGDSL 66 (1942), 308-326;
Mezger, F. MLN 57 (1942), 432f.;
Peeters, Ch. IF 81 (1976), 29f.;
Nowicki, H. ZDA 106 (1977), 83-87;
Wittmann (1982), 9-30;
Hamp, E. P. IF 88 (1983), 93f.;
Markey, T. L. FS Alinei 2 (1987), 275-289. west- und nordgermanisch ? iz. ?