Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
zentralasiatische Kunst
zentralasiatische Kunst,die Kunst im Gebiet von O-Afghanistan, W-Turkestan, Sinkiang (O-Turkestan), Tibet, N-Nepal, Bhutan, der Mongolei und der Himalajagebiete Indiens. - Über die Karawanenstraßen, die Indien über die Seidenstraßen mit China verbinden, wurden seit der ind. Kushana-Dynastie (1.-4. Jh. n. Chr.) indoskyth., hellenist., gräkoiran., ind., tibet. und chines. Einflüsse vermittelt. Dies belegen die Ausgrabungen in Bamian (Buddha-Statuen und Klosterruine), in W-Turkestan und in N-Baktrien, deren Funde Fresken und Ruinen buddhist. Tempelkunst und höf. Kunst zeigen, wie in Chaltschajan (nördlich Balch) und Ak-Beschim (bei Bischkek), und die Kunst des Palastes und Tempels von Pendschikent (östlich Samarkand).
Die Kunst O-Turkestans mit den versunkenen Kulturoasen des Tarimbeckens (Kuga, Turfan, Hotan) illustriert die durch tausend Jahre (bis zur Islamisierung) völkerverbindende Ausbreitung des Buddhismus von Indien nach China wie auch die Ausbildung eigenständiger Stile, in denen gräkobuddhist. Stilformen neue Individualität gewannen (4.-7. Jh.), bis eine zunehmende Sinisierung eintrat. Einen Höhepunkt der religiösen z. K. bilden die Höhlentempel von Dunhuang, die von flüchtenden Buddhisten zugemauert wurden und heiml. Pilgerziel blieben, bis sie Anfang des 20. Jh. von Europäern entdeckt wurden.
Zu den ältesten architekton. Zeugnissen gehören die Königsgräber und Verteidigungsbauten im südtibet. Yarlung-Tal. Steinkreise und Megalithe wurden in W- und Zentral-Tibet gefunden. Noch undatierbare Schmuck- und Amulettfunde ähneln dem Tierstil der Steppenkunst. Die buddhist. Kultur der Königszeit Groß-Tibets (617-842) drang weit in die anderen Gebiete Zentralasiens vor. Während das tibet. Kunsthandwerk zunehmend unter chines. Einfluss stand, erhielt die religiöse Kunst Anregungen von Nepal, Kaschmir und Indien.
Auch in den nachfolgenden Jh. reichte der religiöse und kulturelle Einfluss Tibets bis in die Mongolei, zu den Burjaten am Baikalsee, zu den Kalmücken an der Wolga, nach Sikkim, Nepal und Bhutan. Charakteristisch sind die Applikationen aus Filz, später aus Seide genähte oder bedruckte Thangkas (Rollbilder). Auf diesen entwickelte sich u. a. der figurale, in Flächen eingeteilte westtibet. Malstil und die von Nepal beeinflusste »Sakya-Malschule« des Klosters Ngor Evam (gegr. 1429), ferner der zentraltibet. Stil und die osttibet. Malart, erkennbar am zarten landschaftl. Hintergrund, der an chines. Malereien erinnert; für den Kunststil der Mongolen wurde das nordosttibet. Kloster Labrang wichtig. Neben den rein religiösen Rollbildern entstanden solche mit Themen aus dem zentralasiat. »Gesar-Epos«. Die Buch- und Wandmalereien reichten von einfachen Pilgerführern in naivem Stil bis zu den kosm. Mandalas. Die vollplast. Kunstwerke, meist aus Bronze, stellen v. a. Gottheiten und Geistliche dar oder sind als Reliquienschreine ausgebildet. In der Mongolei entwickelte sich neben dem Schmiedehandwerk, das sich durch aufwendige Verzierungstechniken für Schmuck und Gebrauchsgegenstände auszeichnet, eine bed. Knochenschnitzerei, v. a. seit dem Vordringen des Lamaismus im 16. Jahrhundert.
Literatur:
Yaldiz, M.: Archäologie u. Kunstgeschichte Chinesisch-Zentralasiens (Xinjiang). Leiden u. a. 1987.
The Cambridge history of early Inner Asia, hg. v. D. Sinor. Cambridge 1990.
Kunst des Buddhismus entlang der Seidenstraße, Redaktion: B. J. Richtsfeld, Ausst.-Kat. Staatl. Museum für Völkerkunde, München 1992.
Stein, R. A.: Die Kultur Tibets. A. d. Frz. Berlin 1993.
The art of Central Asia, hg. v. P. André. Bournemouth 1996.
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