Meyers Großes Taschenlexikon in 25 Bänden
Zwangsvollstreckung
Zwangsvollstreckung(Exekution), die Verwirklichung vollstreckbarer privatrechtl. Ansprüche durch staatl. Zwangsmaßnahmen in das Vermögen des Schuldners (§§ 704-945 ZPO; §§ 246 ff. Abgabenordnung, Verw.vollstreckungs-Ges. des Bundes und der Länder). Die ZPO unterscheidet zw. der Z. wegen Geldforderungen und wegen sonstiger Ansprüche (Herausgabe von Sachen, Vornahme oder Unterlassung einer Handlung). Innerhalb der Geldvollstreckung wird nach dem Ziel des Zugriffs unterschieden zw. einer Z. in das bewegl. oder das unbewegl. Schuldnervermögen sowie in Forderungen und sonstige Rechte des Schuldners. Voraussetzung der Z. ist das Vorliegen eines Vollstreckungstitels, d. h. einer Urkunde, die die Z. zulässt. Vollstreckungstitel sind neben rechtskräftigen oder für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteilen bes. der vor Gericht geschlossene Vergleich, der Vollstreckungsbescheid (Mahnverfahren) und vollstreckbare Urkunden. Zur Vornahme der Z. bedarf es einer vollstreckbaren Ausfertigung, d. h. einer Ausfertigung des Titels, auf der die Vollstreckbarkeit des Titels amtlich bescheinigt ist (Vollstreckungsklausel). Die Z. darf nicht beginnen, bevor dem Schuldner der Vollstreckungstitel zugestellt ist. Vollstreckungsorgan ist der Gerichtsvollzieher oder das Vollstreckungsgericht. Vollstreckungsgericht ist gewöhnlich das Amtsgericht, in dessen Bezirk das Vollstreckungsverfahren stattfinden soll. Der Gerichtsvollzieher ist für alle nicht den Gerichten übertragenen Vollstreckungshandlungen, insbesondere für die Pfändung und Versteigerung bewegl. Sachen wegen Geldforderungen, und für die Z. auf Herausgabe von Sachen zuständig. Er nimmt bei der Pfändung Geld, Wertpapiere und Kostbarkeiten in seinen unmittelbaren Besitz, andere Sachen dagegen, v. a. Möbelstücke, belässt er im Gewahrsam des Schuldners, macht sie aber durch Anbringung von Pfand-(Siegel-)Marken als gepfändet äußerlich kenntlich. Über die Pfändung wird ein Protokoll aufgenommen. Der Gläubiger hat an der gepfändeten Sache ein Pfandrecht, das Pfändungspfandrecht, d. h. die Befugnis erworben, sich für seine vollstreckbare Forderung aus dem Geldwert der Sache zu befriedigen. Die Pfändung darf nicht weiter ausgedehnt werden, als zur Befriedigung des Gläubigers notwendig ist (Verbot der Überpfändung). Im Interesse der sozialen Sicherung des Schuldners darf die Z. nicht in den Grundbedarf des Schuldners eingreifen, weswegen bestimmte Dinge unpfändbar sind (Pfändungsschutz). Die gepfändeten Sachen sind vom Gerichtsvollzieher öffentlich zu versteigern, wobei das Mindestgebot wenigstens die Hälfte des gewöhnl. Verkaufspreises erreichen muss. Gepfändetes Geld ist dem Gläubiger abzuliefern. Vor der Verwertung ist dem Schuldner, soweit angängig, Gelegenheit zu geben, seine Schuld freiwillig zu tilgen. Führt die Z. nicht oder nur teilweise zur Befriedigung des Gläubigers, so kann dieser vom Schuldner die Leistung einer eidesstattl. Versicherung über seinen Vermögensbestand (bei Aufstellung eines Vermögensverzeichnisses in der Art, dass dem Gläubiger der Vollstreckungszugriff ermöglicht wird) verlangen. - Die Z. in Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte erfolgt durch Eintragung einer Zwangshypothek, durch Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung, die miteinander verbunden werden können. - Für die Z. in Forderungen u. a. Vermögensrechte des Schuldners ist das Vollstreckungsgericht zuständig; es erlässt auf Antrag des Gläubigers einen Pfändungsbeschluss, durch den die Beschlagnahme des Rechts verfügt, dem Schuldner die Einziehung, dem Drittschuldner die Leistung an den Schuldner verboten wird. Mit der vom Vollstreckungsgericht angeordneten Überweisung der Forderung zur Einziehung (die Regel) - die meist mit der Pfändung in einem Beschluss, dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, verbunden wird - oder an Zahlungs statt (selten) wird der Gläubiger selbst zur Geltendmachung des gepfändeten Rechts ermächtigt. Die Pfändung von Lohn-, Gehalts- und ähnl. Forderungen ist aus sozialen Gründen erheblich beschränkt (Lohnpfändung). Werden Vollstreckungshandlungen beanstandet (»Erinnerungen gegen die Art und Weise der Z.« nach § 766 ZPO), so entscheidet das Vollstreckungsgericht. Dritte, in deren Rechte die Z. eingreift, können gegen den Gläubiger mit der Drittwiderspruchsklage (§§ 771 ff. ZPO) vorgehen. Behauptet der Schuldner, das Urteil dürfe nicht mehr vollstreckt werden, da der darin festgestellte Anspruch durch nachträglich eingetretene Umstände verändert, etwa infolge Zahlung des Schuldners erloschen sei, so muss er gegen den widersprechenden Gläubiger nach § 767 ZPO beim Prozessgericht des ersten Rechtszuges Klage auf Unzulässigkeit der Z. erheben (Vollstreckungsgegenklage). In manchen Fällen kann das Gericht auf Antrag die Einstellung der Z. anordnen.In Österreich erfolgt die Z. zugunsten privatrechtl. Ansprüche mithilfe der Exekutionsgerichte (i. d. R. Bezirksgerichte); es gilt die Exekutionsordnung vom 27. 5. 1896 (1991 novelliert). Das Verfahren ist dem dt. Recht ähnlich. Die Z. in Arbeitseinkommen ist nur begrenzt zulässig (Lohnpfändungs-Ges. 1985). In der Schweiz ordnet das Bundes-Ges. über Schuldbetreibung und Konkurs vom 11. 4. 1889 die Z. von Geldforderungen einheitlich, für die Z. anderer Ansprüche gelten die kantonalen Zivilprozessrechte.
▣ Literatur:
Berg, R.: Z. Ein Ratgeber für Schuldner u. Gläubiger. Köln 1992.
⃟ Bruckmann, E.-O. u. Waldheim, J.: Die Praxis der Z. Bonn 1994.
⃟ Wieser, E.: Begriff u. Grenzfälle der Z. Köln u. a. 1995.
⃟ Heussen, B.: Z. für Anfänger. München 51996.
▣ Literatur:
Berg, R.: Z. Ein Ratgeber für Schuldner u. Gläubiger. Köln 1992.
⃟ Bruckmann, E.-O. u. Waldheim, J.: Die Praxis der Z. Bonn 1994.
⃟ Wieser, E.: Begriff u. Grenzfälle der Z. Köln u. a. 1995.
⃟ Heussen, B.: Z. für Anfänger. München 51996.